Bauwelt

Es war keinmal in New York

Eine opulente Ausstellung im Queens Museum zeigt, wie New York heute vielleicht aussehen würde – wenn eine Reihe von Entwürfen, die Vision geblieben sind, den Sprung vom Papier auf die Baustelle geschafft hätte

Text: Drewes, Frank F., Berlin

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    Das 870 Quadratmeter große New-York-Stadtpanorama steht immer im Queens Museum. Für die Ausstellung wurde es um leuchtende Plexiglasmodelle von 40 unrealisiert gebliebenen Projekten ergänzt.
    Foto: Hai Zhang, courtesy Queens Museum

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    Das 870 Quadratmeter große New-York-Stadtpanorama steht immer im Queens Museum. Für die Ausstellung wurde es um leuchtende Plexiglasmodelle von 40 unrealisiert gebliebenen Projekten ergänzt.

    Foto: Hai Zhang, courtesy Queens Museum

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    Frank Lloyd Wright, Key Plan for Ellis Island, 1959
    The Frank Lloyd Wright Foundation Archives (The Museum of Modern Art | Avery Architectural & Fine Arts Library, Columbia University)

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    Frank Lloyd Wright, Key Plan for Ellis Island, 1959

    The Frank Lloyd Wright Foundation Archives (The Museum of Modern Art | Avery Architectural & Fine Arts Library, Columbia University)

Es war keinmal in New York

Eine opulente Ausstellung im Queens Museum zeigt, wie New York heute vielleicht aussehen würde – wenn eine Reihe von Entwürfen, die Vision geblieben sind, den Sprung vom Papier auf die Baustelle geschafft hätte

Text: Drewes, Frank F., Berlin

Die USA sind das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und New York City ist die Stadt, die niemals schläft. Dieser Mythos ist nicht erst seit der letzten Präsidentenwahl zu hinterfragen, aber er hält sich hartnäckig. Ironischerweise sind es aber Grenzen, die besondere Phantasie und Kreativität freisetzen, wohingegen grenzenlose Möglichkeiten allzu oft in Beliebigkeit und Unangemessenheit münden. Die Ausstellung „Never Built New York“ bündelt im Queens Museum mehr als 80 Entwürfe und Visionen, die nicht den Sprung vom Zeichentisch in die gebaute Realität geschafft haben. Der Ort ist wohl gewählt, befindet sich das Queens Museum doch im Flush­-ing Meadows Corona Park, dem Gelände der Weltausstellungen von 1939 und 1964 – Veranstaltungen, die von Visionen lebten. 2013 wurde das Museum von Grimshaw Architects generalüberholt und sozusagen im 21. Jahrhundert positioniert – gleichwohl strahlt es noch die heroische Anmutung seines Ursprungs als New York City Building der Expo 1964 aus.
Kern des Museums und einer von drei Teilen der aktuellen Ausstellung ist das anlässlich der Expo 1964 entstandene „Panorama of the City of New York“ – mit seinen gut 870 Quadratmeter das größte Architekturmodell der Welt. Hundert Mitarbeiter brauchten drei Jahre, um die rund 900.000 Gebäude individuell darzustellen. 40 Projekte aus der Ausstellung sind, als beleuchtete Acrylglasmodelle, vorübergehend in das Städtebaumodell integriert. Allein der Besuch dieses Modells lohnt die Anreise aus Manhattan.
Der zweite Teil von „Never Built New York“ sind Modelle und Zeichnungen, die in der Rubin Gallery dicht an dicht stehen respektive in Petersburger Manier bis weit nach oben an die Wände gehängt wurden. Was Besucher dazu zwingt, die Köpfe in den Nacken zu legen und nach oben zu schauen – so wie man das in den New Yorker Hochhausschluchten allenthalben tun muss. Zudem gleicht der schmale, lange Raum in etwa der Form Manhattans, so dass die Anordnung im Raum auch der realen Position der Projekte entspricht. Wenn sie denn real wären. Die Visionen reichen von städtebaulichen und verkehrstechnischen Entwürfen des 19. Jahrhunderts über Projekte des gesamten 20. Jahrhunderts bis in die jüngste Gegenwart, sodass selbst die Entwürfe für das neue World Trade Center schon wieder weit in der Vergangenheit zu liegen scheinen.
Eine Serviette aus dem Plaza Hotel zeigt eine Vision Frank Lloyd Wrights für Ellis Island, die er kurz vor seinem Tod 1959 gezeichnet hat. Das „Bridge of Houses“-Projekt von Steven Holl erinnert daran, was ebenfalls aus der High Line in Chelsea hätte werden können – und man freut sich, dass es dank Diller Scofidio + Renfro anders kam. Im Stil der Visionen Le Corbusiers für Paris oder Hilbersheimers für Berlin gab es auch für den Big Apple utopische Entwürfe: Wohnsilos in Haarlem, die an Kühltürme von Kernkraftwerken erinnern, einen Flughafen auf den Dächern von Chelsea oder die berühmte Glaskuppel von Buckminster Fuller. Letztere sollte mit einem Durchmesser von drei Kilometern Midtown Manhatten vom Hudson bis zum East River überspannen. Das Namensregister liest sich wie ein Who’s who der Architekturgeschichte. Viele der Entwürfe scheiterten denn auch weniger an ihrem utopischen Charakter als vielmehr an der schlichten Tatsache, dass nach Wettbewerben eben nur ein Entwurf gebaut werden kann. Oder es waren politische beziehungsweise wirtschaftliche Gründe, die die Planungen in den Bereich der Theorie verbannten.
Im dritten Teil der Ausstellung werden ausschließlich Projekte gezeigt, die für das Gelände der Weltausstellung geplant wurden; sie lassen sich in einer Hüpfburg leibhaftig erleben – es handelt sich hierbei um den Entwurf von Eliot Noyes für den Pavillon der Westinghouse Corporation. Besonders in der luftigen Präsentation dieser Abteilung kommt noch die Handschrift der Architekten zum Tragen, konstituiert sich die Ausstellung doch fast ausschließlich aus dem analogen Zeitalter.
„Never Built New York“ basiert auf dem gleichnamigen Buch von Sam Lubell und Greg Goldin und ist eine wahre Wunderkammer. Vielen der Entwürfe ist die Materialisierung glücklicherweise erspart geblieben – letztendlich ist auch jedes heute verhasste Stadtviertel und jeder architektonische Furunkel einer Stadt auf dem Zeichentisch eines Architekten entstanden und war zur Bauzeit, wenn auch nicht von allen geliebt, Stand
der Technik und hat den Weg durch Behörden und Gremien genommen. Aber es gibt auch viele Entwürfe, die man gerne realisiert sehen würde. Architektur ist nun einmal gebaut – alles andere ist Vision und Absichtserklärung, eben „Never built“.

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