Bauwelt

Jenseits von Arkadien

„Draußen“ heißt die aktuelle Ausstellung des Architekturmuseums der TU München: Das klingt im Kontext des Untertitels „Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain“ plausibel. Andererseits sorgt die Globalisierung dafür, dass dieses spezifische „Draußen“ der Landschaftsarchitektur längst zu einem ambivalenten „Drinnen“ geworden ist. Jene, die in Afrika, Asien und Südamerika mit mächtigen Strategen des „land grabbing“ zu tun haben, wissen das.

Text: Marquart, Christian, Stuttgart

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    Blick in die Ausstellung
    Foto: Laura Trumpp/A.M.

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    Der Fluss Ciliwung im Viertel Kampung Bukit Duri, Jakarta, Indonesien, 2011
    Foto: Jörg Rekittke

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    Der Fluss Ciliwung im Viertel Kampung Bukit Duri, Jakarta, Indonesien, 2011

    Foto: Jörg Rekittke

Jenseits von Arkadien

„Draußen“ heißt die aktuelle Ausstellung des Architekturmuseums der TU München: Das klingt im Kontext des Untertitels „Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain“ plausibel. Andererseits sorgt die Globalisierung dafür, dass dieses spezifische „Draußen“ der Landschaftsarchitektur längst zu einem ambivalenten „Drinnen“ geworden ist. Jene, die in Afrika, Asien und Südamerika mit mächtigen Strategen des „land grabbing“ zu tun haben, wissen das.

Text: Marquart, Christian, Stuttgart

Die Sonne macht ihre eigene Klimapolitik, diesmal im Verbund mit der von Menschen verschmutzten Chemie der Erdatmosphäre und der Gewässer. Das Universum schlägt zurück: Unser Planet wird zum Treibhaus, und das lässt eine syste­mische Trennung von Stadt und Land, von Architektur und Landschaftsarchitektur kaum noch zu. Beide Disziplinen und ihre Logiken greifen mittlerweile so eng ineinander wie nie zuvor.
Das hat Folgen. Welche genau oder vielleicht – dies illustriert die Ausstellung „Draußen“ in München anhand von zehn gemeinsam mit Studenten bearbeiteten Forschungsprojekten, denen die Botschaft gemeinsam ist, dass moderne Landschaftskonzepte nichts mehr zu tun haben mit arkadischen Idyllen, mit Flanerie in der Natur; vielmehr mit Katastrophenabwehr, Schadens­­-­be­grenzung und dem Kampf um minimale Hy­­­gi­e-nestandards im zivilen Wassermanagement.
Kurz, die alte Gartenkunst hat ausgedient. Es geht nun eher ums Überleben als um Ästhetik, und dafür gibt es bereits einen neuen Begriff: Der bislang weder theoretisch noch methodisch präzise gefasste Anglizismus „Rurbanism“ kennzeichnet die Verschmelzung von Freiraumplanung und klassischem Urbanismus, und das vorzugsweise im „Rapid Planning“-Modus – ein Euphemismus fürs Improvisieren, oft ohne zureichende Ressourcen und mitunter in einem von Korruption geprägten politischen Umfeld. Von letzterem schweigt die Ausstellung konsequent, man wollte wohl „diplomatisch“ sein.
Strategien des Rurbanismus handeln von Armut in wuchernden Megalopolen, von der manchmal zynischen Präferenz „kleinerer Übel“ und vom Dilemma als Regelfall: Probleme lassen sich nur lindern, verlagern oder aufschieben. Wer sich auf Rurbanism einlässt, spielt buchstäblich ein Scheißspiel zwischen den Regeln des Neokolonialismus und den Gesetzen der finanzindustriell getriebenen Globalisierung – immer kommen den Planern in der „Dritten Welt“ Naturkatastrophen, eine mangelhafte „Governance“ und ungeklärte Abwässer in die Quere.
Das Spiel handelt konkret von landwirtschaftlicher Produktion zwischen den ausfransenden Baufeldern afrikanischer Großstädte wie Casa­blanca oder Kigali, was trotz europäischer Billigimporte (z.B. verwurmter Stockfisch von den Inseln im Nordatlantik) rentabel sein muss; von Erdrutschen, ausgelöst durch Starkregen oder Erdbeben, die informelle Siedlungen von den Berghängen hinunterfegen und die man „bekämpft“ mit breiteren Fluchtwegen in den Favelas etwa in Medellín oder im Siedlungsgürtel von Port-au-Prince; von Fäkalien und Krankheitserregern in zweckentfremdeten Bewässerungskanälen, die unterhalb der Reisfelder dann auch Traumstrände verunreinigen (Bali); von oft und schnell absaufenden Metropolen, die quer über schwammige Flussdeltas hinweg errichtet wurden (Jakarta); und von launischen Wasserläufen, deren Kanalisierung sich mitunter als kontraproduktiv erwies und die nun, stinkend und noch lange nicht gesäubert, wieder stadtverträglich gemacht werden sollten (Sao Paolo).
Wo Wassermangel herrscht oder wo mörderische Fluten zum Feind werden: diese Szenarien ziehen sich als Roter Faden durch die Ausstellung. Ein Lösungsansatz ist die „Schwammstadt“; eine Stadt, deren Struktur gleichsam saugfähig gemacht wird wie etwa in Changde in China: Dort implantiert man „grüne“, optisch als Parks gestaltete Rückhaltesysteme, die im Idealfall durch Sickereffekte auch als Kläranlagen funktionieren.
In den Anden-Staaten Südamerikas, deren Gletscher auf dem Rückzug sind und deren Schmelzwasser doch regional die einzige (mitunter längst privatisierte!) Süßwasserressource darstellt, steht man vor der Aufgabe, kontaminierte Abwässer noch in den Bergregionen wieder in Nutzwasser zu verwandeln. Ein deutsch-peruanisches Projekt entwickelte dazu erste Ansätze einer innovativen, multidisziplinär „wasser­sensiblen“ Stadtentwicklung, in deren Fokus ein Flusspark-Projekt in Lima steht.
Analytisch-methodisch befindet sich dieser neue Rurbanismus der Landschaftsarchitekten noch auf der Suche. Das merkt man der ansprechend gestalteten Ausstellung nicht an, wohl aber dem Katalog. Viele Autoren sorgten ohne großen Erkenntnisgewinn für ein Revival des verblasenen Soziologen-Sprechs der „68er“; besonders lamentabel ist aber der Umgang mit Bild- und Kartenmaterialien – gerade die informativsten Dokumente sind im Briefmarkenformat wiedergegeben. Und so ersetzt die Kataloglektüre diesmal nicht den Ausstellungsbesuch.

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Bilder Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain

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