Bauwelt

Eine eigene Welt entsteht

Das Museum für Architekturzeichnung in Berlin feiert sein fünfjähres Bestehen. Ein Gespräch mit dem Gründer Sergei Tchoban

Text: Friedrich, Jan, Berlin

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    Lebbeus Woods, Geo­magnetic Flying Machines, AP 10, 1989
    Foto: © Nachlass Lebbeus Woods

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    Lebbeus Woods, Geo­magnetic Flying Machines, AP 10, 1989

    Foto: © Nachlass Lebbeus Woods

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    Sergei Tchoban
    Foto: © Philipp Meuser

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    Sergei Tchoban

    Foto: © Philipp Meuser

Eine eigene Welt entsteht

Das Museum für Architekturzeichnung in Berlin feiert sein fünfjähres Bestehen. Ein Gespräch mit dem Gründer Sergei Tchoban

Text: Friedrich, Jan, Berlin

Herr Tchoban, im Juni 2013 hat das von Ihnen initiierte Museum für Architekturzeichnung eröffnet. Die Erfahrung von fünf Jahren im Blick: Würden Sie das noch einmal tun, ein Museum gründen, bauen und betreiben?
Ja, auf jeden Fall. Für mich ist die Beschäftigung mit der Architekturzeichnung unglaublich wichtig, als Zeichner und auch als Sammler. Auf der einen Seite gibt die Architekturzeichnung die Gedanken eines Architekten wieder, auf der anderen Seite ist sie ein eigenständiges Stück Kunst. Den großen Museen fehlen oft die Räume, Grafik angemessen auszustellen, für Architekturzeichnungen gilt das erst recht. Ein wenig verändert sich das gerade – vielleicht auch ein bisschen durch unser Haus, das ja eine sehr kleine Institution ist. Das ist für mich die wesentliche Aufgabe dieses Museums: die Architekturzeichnung, als für meine Begriffe sehr bedeutende Kunstrichtung, ein wenig mehr ins Blickfeld zu rücken.
Das Haus bietet nicht nur Flächen für Wechselausstellungen, sondern archiviert auch eine eigene Sammlung. Ist es Ihnen für die Konzeption einer Ausstellung wichtig, dass es zu dem
Thema in Ihrer Sammlung bereits etwas gibt?

Nein, das ist überhaupt nicht wichtig. Das Konzept sah von vorne herein vor, dass das Museum eine eigene Sammlung hat, die es auch verleiht, und ebenso aus anderen Sammlungen ausleiht. Auf diese Weise ist inzwischen eine schöne Tradition des Austauschs mit anderen Museen entstanden. Im Sir John Soane’s Museum gab es Ausstellungen mit Werken aus unserer Sammlung, und das John Soane’s ist jetzt mit der Ausstellung „Visionen der Weltarchitektur“ (Bauwelt 8) bereits zum dritten Mal bei uns zu Gast.
Es gibt Ausstellungen, die nichts mit dem Bestand zu tun haben, und ab und an solche, die auf meiner Sammlung oder der Sammlung des Museums basieren. „American Perspectives“ zum Beispiel, die Ausstellung über amerikanische Architekturzeichnungen von Frank Lloyd Wright bis heute: Da waren Teile, etwa die Zeichnungen von Lebbeus Woods, aus dem eigenen Bestand und andere Arbeiten kamen von verschiedenen anderen Sammlungen. Wir hatten aber auch schon Ausstellungen, bei denen der Gastkurator eines Museums ein Konzept ausschließlich mit Werken aus der Sammlung seiner Institution entwickelte, wie beispielsweise die fantastische Ausstellung mit den Architekturzeichnungen aus der Wiener Albertina.
In den vergangenen fünf Jahren waren insgesamt vierzehn Ausstellungen in Ihrem Haus zu sehen. Gab es eine, die Ihnen ganz besonders wichtig war, wichtiger als die anderen?
Die erste Ausstellung mit den Werken von Piranesi! Die Originale in ihrem vollen Format zu sehen, das war spektakulär: Man kann jeden Strich nachvollziehen und quasi das Atmen dieses großartigen Künstlers spüren. Die Ausstellung über Lebbeus Woods war mir wahnsinnig wichtig, aber ebenso die über Alexander Brodsky – das sind großartige Zeichnungen eines Denkers aus Russland.
Ich hatte Sie gebeten, für unser Gespräch eine Ihrer Lieblingszeichnungen aus Ihrer Sammlung herauszusuchen. Jetzt liegt hier „Geomagnetic Flying Machines“ von Lebbeus Woods vor uns auf dem Tisch. Warum Lebbeus Woods? Warum diese Arbeit?
Auf Lebbeus Woods bin ich vor mehr als zwanzig Jahren aufmerksam geworden, und ich muss ganz ehrlich sagen: Woods ist für mich ein Paradebeispiel dafür, warum das Genre Architekturzeichnung niemals aussterben wird. Woods nutzt hier auf fantastische Weise das gegenständliche Können, um Gegenstände darzustellen, die es nicht gibt, und die man sich eigentlich auch gar nicht vorstellen kann. Abstraktion und Realität kommen zusammen zu einem völlig eigenständigen Werk.
In diese Zeichnung kannst du dich vertiefen, du kannst in sie eintauchen. Du kannst regelrecht ertrinken in dieser Fülle von Details, wie sie unglaublich spannend und geschmackvoll gemacht sind – mit der Hand. Ich kann mich in jeden Strich verlieben, wie dieser gemacht ist, wie er beginnt oder wie er aufhört. An welche Stelle der Schatten gelegt ist. Deshalb habe ich diese Zeichnung ausgewählt, weil sie von der Idee bis hin zur Signatur einfach hinreißend ist.
Es scheint mir gar keine reine Bleistiftzeichnung zu sein, die koloriert wurde, sondern ein Druck ...
... es ist teilweise ein Druck und teilweise gezeichnet. Das Schönste ist, dass man tatsächlich sieht, wie die mit der Hand auf den Druck gezeichneten Linien teilweise dem Zufall überlassen worden sind. Das ist aus dem Gefühl heraus entstanden, und dieses Gefühl ist exakt in diesen Minuten entstanden, als Woods das gezeichnet hat, und das kann man an der Zeichnung auch sehen. Ich kann mir keine andere Art, etwas darzustellen, vorstellen, die die gleichen Gefühle vermittelt. Wenn ich versuchen würde, diese seltsamen Flugobjekte im Computer zu simulieren, würde das im Vergleich mit dieser Zeichnung zu perfekt und irgendwie tot wirken.
Sie sind selbst ein versierter und bekannter Architekturzeichner, und Sie realisieren auch Architektur. Gibt es für Sie eine ganz klare Trennlinie zwischen diesen beiden Dingen?

Architekturzeichnung ist für mich eine komplett eigenständige Kunstrichtung, da können gewisse Ideen, die man in der Architektur später verwendet, auftauchen oder entwickelt werden, müssen aber nicht. Es können genauso Ideen sein, die nie irgendwo weiterverwendet werden. So entsteht die eigene Welt in der Zeichnung, und das Ergebnis dieser Weltdarstellung ist die Zeichnung selbst. Und eben kein Gebäude. Ein Gebäude ist das Ergebnis eines Entwurfsprozesses, und da interessiert es am Ende niemanden, was für eine Zeichnung zu Grunde lag.
Was planen Sie für die Zukunft Ihres Museums? Sind irgendwelche Veränderungen zu erwarten? Eine Erweiterung vielleicht?
Nein, wir wollen genau in dem Rahmen weitermachen, denn der passt uns, und wir passen gut in diesen Rahmen. Unser Ausstellungsprogramm ist bis 2021 komplett. Wir planen jetzt bereits für den Beginn des Jahres 2022. Ich kann eine kleine Vorschau geben. In der kommenden Ausstellung, „Gezeichnete Ideen“, zeigen wir die Skizzenbücher aus der Sammlung von Niall Hobhouse. Für den Herbst bereiten wir mit dem Museum der Technischen Universität Berlin eine Ausstellung über Hans Poelzig vor. Anfang 2019 gibt es eine Ausstellung mit Álvaro Siza. Wir haben wieder sehr unterschiedliche Ansätze und Themen. Ich denke, es wird interessant werden.

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