Bauwelt

Der Schalenbaumeister

Ulrich-Müther-Retrospektive in der Stuttgarter Weißenhofgalerie

Text: Baus, Ursula, Stuttgart

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Blick in die Müther-Ausstellung. Rechts im Bild die Rettungsstation in Binz
Thomas Fütterer

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Blick in die Müther-Ausstellung. Rechts im Bild die Rettungsstation in Binz

Thomas Fütterer


Der Schalenbaumeister

Ulrich-Müther-Retrospektive in der Stuttgarter Weißenhofgalerie

Text: Baus, Ursula, Stuttgart

Wer nicht ausgewiesener Schalenbau-Experte war, wusste bis in die späten 80er Jahre mit dem Namen Ulrich Müther wenig anzufangen. 1934 in Binz als Sohn eines Bauunternehmers geboren, erbte Müther – der sich später etwas kokett als „Landbaumeister aus Rügen“ bezeichnete – 1958 den väterlichen Betrieb.
Das Bauingenieurstudium konnte er erst 1963 nach Umwegen über Zimmermannslehre und Fernstudium abschließen. 1972 wurde das Bauunternehmen verstaatlicht, 1990 an Müther zurückgegeben. In der Nachwendezeit hatte der Landbaumeister jedoch kaum eine Chance, seinen bevorzugten Bautypus Schale wirtschaftlich zu realisieren; 1999 meldete er Konkurs an. 2007 ist Müther gestorben.
Zu dieser Zeit war die Einzigartigkeit seiner rund sechzig Schalenbauten allerdings bekannt, sie begeisterte nicht nur die Fachwelt und rief die Denkmalschützer auf den Plan. In der lausigen Geschichte vom Abriss des „Ahornblatts“ (2000), das Müther 1970–73 mit Gerhard Lehmann und Rüdiger Plaethe gebaut hatte, kristallisierte sich einerseits die damalige krude Berliner Abkehr von allem heraus, was nicht zur Idee des Planwerks Innenstadt passte. Andererseits verhalf sie Müther zu fast populärer Bekanntheit. Der versierte Schalenbauer war in eine Reihe gerückt mit Felix Candela – den bewunderte er sehr –, Heinz Isler, Jörg Schlaich und Frei Otto. Die Gaststätte „Inselparadies“ in Baabe (1966), der Hyparschalen-Versuchsbau in Binz (1967), der „Teepott“ in Warnemünde (1968), das Restaurant „Ostseeperle“ in Glowe, das noch heute genutzte Bad in Baabe (1977), die Rettungsstation in den Dünen von Binz, die Konzertmuschel in Sassnitz: Sie gehören zum Schönsten, was im Schalenbau möglich ist.
Müthers Nachlass ging 2006 an die Hochschule Wismar. Matthias Ludwig, seit 2012 Leiter des Müther-Archivs, hat die Stuttgarter Ausstellung kuratiert. Fotos, Modelle, Film und Pläne sind schlüssig zusammengeführt, um Person und Werk in Erinnerung zu rufen und zu erklären. In fast romantischen Fotografien aus den 90er Jahren von Wilfried Dechau zeigt sich die Eleganz der Schalenformen, in ihrem ungepflegten Zustand geradezu überhöht von der Vergänglichkeit des Schönen. Studenten haben die Bilder mit aktuellen Aufnahmen ergänzt und Modelle der Müther-Schalen gebaut – besser gesagt: gedruckt. Hier erweist sich die neue Herstellungstechnik allerdings als kontraproduktiv, denn das Eindrucksvollste einer Schalenkonstruktion, das unglaubliche dünne Flächentragwerk, verschwindet in plumpen Skulpturen mit schwarzen Klump-Füßen.
Für den Schwung sind Sie zuständig
Gezeigt wird außerdem ein Film von Margarete Fuchs, der 2003 den Dokumentarfilmpreis der Duisburger Filmwoche erhielt. Sein Titel: „Für den Schwung sind Sie zuständig.“ Ja, der faszinierende Schwung: Als Merkmal konstruktiver Schaleneleganz ist er in den letzten Jahren vom Unbeholfenen der verbeulten und verschachtelten Solitäre verdrängt worden, die aberwitzig aufwändig und materialverschlingend gebaut werden – man denke nur an das Porsche-Museum. Der Konstruktionstypus Schale taugt, auch das zeigt die Ausstellung, allerdings nicht für Raumprogramme und Verordnungen, denen er einfach nicht genügen kann. Müthers Schalen wünschen wir, dass sich verträgliche Nutzungen finden und dass sie haus- und energietechnisch nicht überfordert werden.
Fakten
Architekten Müther, Ulrich, (1934-2007)
aus Bauwelt 12.2014
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