Bauwelt

Investorenstadt statt Bürgerstadt

Wohnen in der Berliner Europacity

Text: Eichstädt-Bohlig, Franziska, Berlin

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1.Preis Teilbereich A: Arge Zanderroth Architekten / Zoomarchitekten 
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1.Preis Teilbereich B: Max Dudler Architekten
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1.Preis Teilbereich B: Max Dudler Architekten

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Investorenstadt statt Bürgerstadt

Wohnen in der Berliner Europacity

Text: Eichstädt-Bohlig, Franziska, Berlin

Die Europacity ist als größtes innerstädtisches Quartier Berlins angekündigt. Sechs- bis achtgeschossige Blöcke für über 3000 neue Wohnungen, für Büros, Gewerbe und einen Kunstcampus verspricht der Masterplan.
Erste Bürobauten in Bahnhofsnähe sind schon sichtbar. Nun zeigt ein Wettbewerbsergebnis, wie die ersten beiden Wohnblöcke im Teilbereich Stadthafenquartier Süd gestaltet werden sollen.

Das neue Stadtquartier entsteht auf einer 40 ha großen Bahnbrache im Norden des Berliner Hauptbahnhofs. Von Bahngleisen eingezwängt und der stark befahrenen Heidestraße zerschnitten, ist es mit den angrenzenden Stadtteilen nicht vernetzt. Allein der alte Schifffahrtskanal, der dem Quartier mit einem neuen Stadthafen eine Mitte geben soll, lässt qualitätvolle Räume vermuten. Bei den geplanten Wohnungsbauten kooperiert der Entwickler und Flächeneigentümer, die CA Immo, mit dem Projektentwickler Hamburg Team als Koinvestor.
Für den Bau der ersten beiden Wohnblöcke (Teilbereiche A und B) mit insgesamt 500 Wohnungen wurden nun die Ergebnisse des Realisierungswettbewerbs vorgestellt. Sie basieren auf den vor einem Jahr prämierten städtebaulichen Blockkonzepten des Büros André Poitiers aus Hamburg (Bauwelt 27–28.12). 21 Büros waren eingeladen. Unter Vorsitz von Roger Riewe aus Graz vergab die Jury für den Teilbereich A an das Team Zanderroth/Zoomarchitekten den ersten Preis. Baumschlager Hutter und Kleihues+Kleihues erhielten jeweils eine Anerkennung. Für den Teilbereich B wurde Max Dudler mit dem ersten Preis bedacht. Je einen dritten Preis bekamen Bieling und Lorenzen. Die Auslobung hatte detaillierte Vorgaben z.B. zu Wohnungsgröße und -anzahl, den jeweiligen Raumhöhen pro Kategorie und zur exemplarischen Möblierung gemacht und das Motto „Einheit in der Verschiedenheit“ vorgegeben. Doch die Aufgabe für die Teilnehmer lag eher darin, etwas Lebendigkeit in die Monotonie der vorgegebenen Wohnungstypen zu bringen.
Den prämierten Entwürfen ist eine relativ ruhige Blockgestaltung ohne aufdringliche Gestaltelemente gemein. Am überzeugendsten ist die Arbeit von Zanderroth/Zoomarchitekten, die den Block A in den oberen Geschossen mehrfach aufschlitzen und durch begrünte Dachterrassen über der Sockelzone gliedern. Die Qualität von Max Dudlers Vorschlag liegt in einer fein abgestimmten Fassadengestaltung und in einem ehrgeizigen Energie- und Wasserkonzept.
Dass die prämierten Entwürfe dennoch austauschbar wirken, ist nicht nur der aktuell bevorzugten Architektursprache geschuldet. Es liegt vor allem daran, dass die Bauherren auf rein renditeorientierten Wohnungsbau setzen. Die Wohnungen gliedern sie in: Miete I (kleine Wohnungen des preiswerteren Segments entlang der verlärmten Heidestraße (69,9 Dezibel!), Miete II (gehobenes Wohnen) und Eigentumswohnungen, denen „Sammler-Lofts“ für finanzstarke Kunstkenner und ein kleines Baugruppensegment (nicht Teil der Aufgabe) etwas Würze geben sollen.
Hier zeigt sich das erste Problem der Europacity. Angekündigt wird ein „lebendiges, urbanes und nachhaltiges Stadtquartier“. Doch der Planung fehlt ein Leitbild für die soziale und demografische Entwicklung und für neues urbanes Wohnen. Wie bei den Terraingesellschaften der Gründerzeit ist die Stadtteilentwicklung allein auf Immobilienvermarktung ausgerichtet. Vorgaben für die soziale Mischung, für die Grundstücksparzellierung und die Bauherrendifferenzierung gibt es im städtebaulichen Rahmenvertrag nicht, obwohl doch der Masterplan Aussagen zur Parzellierung enthält. Nimmt man „Verschiedenheit“ und „lebendig, urban und nachhaltig“ wirklich ernst, sollten städtische Gesellschaften, Genossenschaften, Baugruppen, Jugendwohn- und migrantische Selbsthilfeprojekte unbedingt beteiligt werden. Genügend Raum für die Investorenverwertung würde immer noch bleiben. Wenn urbanes Wohnen eine attraktive Alternative zum lange Zeit bevorzugten Haus auf der grünen Wiese sein soll, reicht es nicht, verschieden große Wohnungen auf- und nebenein­ander zu stapeln. Kleinteiligkeit, Eigentumsvielfalt, Familien- und Nachbarschaftsbezug mit viel Grün und Freiflächen sind hier gefordert. Auch mitten in Berlin!
Das zweite Problem liegt in der Verkehrsplanung. Ein Quartier, das die Wohnblöcke fast vollständig für Stellplätze unterkellert, ist überholt. In Berlins Innenstadt besitzt heute nur noch jeder vierte Bewohner ein Auto. Deutlich kleinere Tiefgaragen und ebenerdige Carsharingnischen sowie mehr Fahrradstellplätze wären also angesagt. Für ein zukunfts­fähiges Quartier muss nicht zuletzt die Planung der Heidestraße verändert werden. Anstatt den Fahrzeugverkehr durch einen Mittelstreifen zu beschleunigen, sollte die Erschließung des Stadtteils als „Begegnungszone“ gleichberechtigt für Autos, Fahrräder und Fußgänger gestaltet werden.
Senat und CA Immo/HamburgTeam sollten ihre Pläne für die Europacity und seine Teilbereiche noch einmal überprüfen, wenn sie den B-Plan-Entwurf überarbeiten.
Nicht offener einphasiger, hochbaulicher Wettbewerb
Teilbereich A
1. Preis Arge ECB – Zanderroth Architekten/Zoomarchitekten, Berlin
Anerkennung Baumschlager Hutter Partners, Dornbirn
Anerkennung Kleihues + Kleihues, Berlin
Teilbereich B
1. Preis Max Dudler Architekten, Berlin
ein 3. Preis Bieling Architekten, Hamburg/Kassel
ein 3. Preis Lorenzen Architekten, Berlin
Fakten
Architekten Dudler, Max, Berlin; Zanderroth Architekten, Berlin; Zoomarchitekten, Berlin
aus Bauwelt 16.2013
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