Europäische Schule in Frankfurt am Main
In Frankfurt-Niederrad musste alles sehr schnell gehen: Raum für vierhundert Schüler innerhalb von drei Monaten. Das Büro NKBAK entwickelte einen Modulbau, der architektonisch weit über eine Notversorgung hinausgeht
Text: Friedrich, Jan, Berlin
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Blick von Westen auf Eingang und Flur des Osttrakts. Rechts die Klassenzimmer; das Fenster mit der superdünnen Glasbrüstung ist ein zugelassenes System des Herstellers
Foto: Thomas Mayer
Blick von Westen auf Eingang und Flur des Osttrakts. Rechts die Klassenzimmer; das Fenster mit der superdünnen Glasbrüstung ist ein zugelassenes System des Herstellers
Foto: Thomas Mayer
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Auf dem rigiden Modulraster sind überraschend vielfältige Räume mit immer wieder unterschiedlichen Ausblicken und Belichtungsverhältnissen entstanden
Foto: Thomas Mayer
Auf dem rigiden Modulraster sind überraschend vielfältige Räume mit immer wieder unterschiedlichen Ausblicken und Belichtungsverhältnissen entstanden
Foto: Thomas Mayer
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Auch die Treppenhäuser sind vorgefertigte Raumelemente
Foto: Thomas Mayer
Auch die Treppenhäuser sind vorgefertigte Raumelemente
Foto: Thomas Mayer
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Der 12 Meter tiefe Bewegungsraum im Ergeschoss wurde mit Stahlrahmen überspannt
Foto: Thomas Mayer
Der 12 Meter tiefe Bewegungsraum im Ergeschoss wurde mit Stahlrahmen überspannt
Foto: Thomas Mayer
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Lasierte Fichte, Buche, graues Linoleum, Heraklitdecke: Die Klassenräume geben den (farbenfrohen) Aktivitäten der Kinder den angemessenen Rahmen
Foto: Thomas Mayer
Lasierte Fichte, Buche, graues Linoleum, Heraklitdecke: Die Klassenräume geben den (farbenfrohen) Aktivitäten der Kinder den angemessenen Rahmen
Foto: Thomas Mayer
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Das 3x9-Meter-Modul prägt die Proportionen des Hauses, ohne sich als Gliederungselement in den Vordergurnd zu spielen
Foto: Thomas Mayer
Das 3x9-Meter-Modul prägt die Proportionen des Hauses, ohne sich als Gliederungselement in den Vordergurnd zu spielen
Foto: Thomas Mayer
Seit 2002 gibt es in Frankfurt am Main eine Europäische Schule, die vor allem Kinder von Mitarbeitern der Europäischen Zentralbank aufnimmt. Länger schon hat die im Stadtteil Niederrad ge-legene Schule ein Platzproblem; spätestens aber seit die Politik den Währungshütern auch die Verantwortung für die neue Europäische Bankenaufsicht übertrug – was zu rund 1000 zusätzlichen Mitarbeitern bei der EZB führt – platzt sie aus allen Nähten. Eine Zeitlang stapelte man einfach Container als temporäre Klassenräume auf dem Schulgelände, doch eine dauerhaftere Lösung musste her – und das möglichst schnell.
Dieses „möglichst schnell“ erlaubte es Stadtschulamt (als Bauherr) und Hochbauamt (als Projektleiter), obwohl öffentliche Auftraggeber, die Architektenleistung direkt zu vergeben, ohne EU-weite Ausschreibung oder gar einen Wettbewerb. Die Wahl fiel auf das ortsansässige Büro NKBAK von Nicole Kerstin Berganski und Andreas Krawczyk, die beide einige Jahre bei Kazuyo Sejima+Ryue Nishizawa/SANAA in Tokio gearbeitet haben. Die Anfrage an NKBAK im Dezember 2013: „Können Sie uns bis zum Ende der Osterferien 2015, eine ‚Containerschule‘ für 400 Schüler planen und bauen?“
Die Architekten führten eine Machbarkeitsstudie durch und regten an, ein bisschen mehr zu tun, als wieder Container zu stapeln, nämlich doch ein richtiges Gebäude zu bauen, aus Fertigteilen – aus hölzernen Raummodulen. Im April 2014 stand der Entwurf. Das anschließende Vergabeverfahren für die Leistung des Generalunternehmers entschied Kaufmann Bausysteme aus Reuthe in Vorarlberg für sich. Die Firma ist ausgewiesene Vorreiterin im Holzmodulbau (
Bauwelt 41.2010) – ein für die Qualität des Gebäudes kaum zu unterschätzender Umstand.
So ist die Erweiterung der Europäischen Schule in Frankfurt zum überwiegenden Teil in einer Werkhalle in der Steiermark gebaut worden: 98 hölzerne Raummodule für 17 Klassenzimmer, für Sanitärräume und Treppenhäuser, fix und fertig, mit Wänden, Decken und Fenstern, Sanitärobjekten, Heizkörpern, Elektroverkabelung. Die 630 Kilometer an den Main legten die Module mit dem LKW zurück; das gab das Maß der maximalen Modulbreite vor: drei Meter (LKW-Transporte mit noch größerer Überbreite sind aufwendig und teuer). Als günstige Modulgröße ergaben sich 3x9 Meter: Jedes der rund 75 Quadratmeter großen, quadratischen Klassenzimmer besteht aus drei solcher Module: aus zwei Randelementen mit je einer Seitenlängswand aus Brettsperrholz und einem freitragenden Unterzug aus Baubuche sowie einem mittleren Element mit zwei Unterzügen ohne Wand. Nebenräume, Treppenhäuser und Sanitärbereiche sind jeweils nur ein Modul groß. Am Bauplatz in Frankfurt wurden die Module auf einer Beton-Bodenplatte nur noch neben- und aufeinandergestapelt. „Nur noch“ trifft die Sache allerdings nicht: Das Ganze ist eine logistische Meisterleistung, mussten die 98 LKW-Fuhren in den dreieinhalb Wochen, die die Montage dauerte, doch unbedingt in der richtigen Reihenfolge auf der Baustelle ankommen.
Wem beim Stichwort Modulbau die Experimente der 1970er Jahre in den Sinn kommen, wo man darum wetteiferte, die Vorfertigung auf die Spitze zu treiben – der bekommt eine falsche Vorstellung vom Holzmodulbau, wie er bei der Europäischen Schule zum Einsatz kam. Hier haben Architekten und Holzbaufirma stets abgewogen, an welcher Stelle die maximale Vorfertigung Sinn ergibt, wo es praktikabler ist, nur teilweise vorzufertigen, oder wo sogar eine „klassische“ Montage auf der Baustelle am sinnvollsten ist. Krite-rien von Wirtschaftlichkeit, Handhabbarkeit und nicht zuletzt Gestaltungsentscheidungen spielten dabei eine Rolle. So wurden etwa die Raummodule in der Werkhalle zwar bereits mit den Fenstern bestückt, die übrige Fassadenverkleidung – Dämmung, Alubleche – aber erst nach Stapelung der Module auf der Baustelle montiert. Ebenso wurde mit der Glasfassade vor den Fluren der Schule verfahren; und auch die Linoleumfußböden verlegte man erst auf der Baustelle, sie hätten sonst zum Schutz vor Beschädigung abgedeckt werden müssen. Für den Bewegungsraum im Erdgeschoss, der mit zwölf Metern noch einmal drei Meter tiefer ist als die Klassenräume, ist man – wegen der nötigen größeren Spannweite der Träger – sogar ganz vom Holzmodulbau abgerückt; der Raum wird nun von weiß lackierten Stahlträgern überspannt.
Dieser pragmatische Umgang mit der Holzmodul-Konstruktion hat aber keinesfalls zu einem unentschiedenen Gebäude geführt, im Gegenteil: Ihre hohe gestalterische Qualität verdankt die Schule nicht zuletzt dem unverkrampften, aber versierten Umgang der Architekten mit dem Modulbau. Erkennbar ist es ihnen um eine Schule mit gut proportionierten und belichteten Klassenräumen und Erschließungsflächen gegangen – und nicht darum, die Themen Vorfertigung und Holzbau als Gestaltungsprinzip auszureizen. An keiner Stelle ließen sie das Konstruktionsprinzip aufdringlich in den Vordergrund treten. So kann zum Beispiel, wer genau hinschaut, zwar sehen, dass die Klassenzimmer aus drei Modulen bestehen (deutlich an den je zwei nebeneinander liegenden Buchenholzträgern), doch insgesamt wirkt ein Klassenraum wie ein Raum – und eben nicht wie drei Räume, die zu einem zusammengesetzt wurden.
Die Erweiterung der Europäischen Schule Frankfurt von NKBAK ist ein Paradebeispiel dafür, wie vorteilhaft es für die Qualität eines Gebäudes sein kann, wenn weder Auftraggeber, noch Architekten den Bau inhaltlich in irgendeiner Weise überhöhen. Aus der beauftragten „Containerschule“ ist ein durch und durch überzeugendes „richtiges“ Gebäude geworden, dem der „Container“ nur mehr als Konstruktionsprinzip subtil eingeschrieben ist, das nur hier und da aufleuchtet. Ach ja: Pünktlich am 13. April konnten die Schüler das Haus beziehen, und günstig war es auch. Die 3200 Quadratmeter Nutzfläche haben 5,1 Millionen Euro (KG 300 und 400 brutto) gekostet.
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