Bauwelt

Guter Preis – fragwürdiges Reglement

Der Deutsche Architekturpreis 2017 wurde vergeben und obwohl die Gewinner, Ausgezeichneten und Anerkannten bei ihren Bauwerken alles richtig gemacht haben, ist das Ergebnis nicht vollständig.

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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Deutscher Architekturpreis 2017: Schmuttertal-Gym­nasium in Diedorf, Architekten: Hermann Kaufmann, Schwarzach/Österreich, in Arbeitsgemeinschaft mit Florian Nagler, München. 10 km weiter liegt die Molkerei Alois Müller.
Foto: Stefan Müller-Naumann

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Deutscher Architekturpreis 2017: Schmuttertal-Gym­nasium in Diedorf, Architekten: Hermann Kaufmann, Schwarzach/Österreich, in Arbeitsgemeinschaft mit Florian Nagler, München. 10 km weiter liegt die Molkerei Alois Müller.

Foto: Stefan Müller-Naumann


Guter Preis – fragwürdiges Reglement

Der Deutsche Architekturpreis 2017 wurde vergeben und obwohl die Gewinner, Ausgezeichneten und Anerkannten bei ihren Bauwerken alles richtig gemacht haben, ist das Ergebnis nicht vollständig.

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

In diesem Jahr hat die Arbeitsgemeinschaft Hermann Kaufmann und Flo­rian Nagler den Preis für den Neubau des Schmuttertal-Gymnasiums in Diedorf bei Augsburg bekommen. Das Gebäude sei klug und feinsinnig gestaltet und findet auf die wesentlichen ästhetischen, funktionalen und prozessualen Fragestellungen der Architektur durchweg überzeugende Antworten, so die Jury in der Begründung. Es ist ein Schulbau, also gesellschaftlich von höchster Relevanz. Es ist vorgefertigt und aus Holz hergestellt worden und daher preisgünstig und ein neues pädagogisches Konzept wird in offenen Lernlandschaften umgesetzt. Vorbildlich. Ein Plus­energiehaus ist es sowieso. So haben es die beiden Architekten Hermann Kaufmann und Florian Nagler in einem Interview mit Florian Aicher auch beschrieben (Bauwelt 7.2016). Das Gebäude ist unter allen Aspek­ten wirklich gut, es hat den Deutschen Architekturpreis verdient, bestimmt war es das Beste unter den 160 eingereichten. Und trotzdem fehlt noch was. Nicht dem Bauwerk, sondern dem Preis.
Auch die weiteren vom Preisgericht ausgezeichneten Bauwerke, das Ensemble „Altes Hafenamt“ in Hamburg von Bolles+Wilson, der Landtag von Baden-Württemberg von Staab Architekten, der Bremer Punkt von LIN Architekten und die Deutsche Schule Madrid von Grüntuch Ernst Architekten beantworten überzeugend alle Fragen, die wir uns hier in Deutschland so stellen. Die Frage nach der städtebaulichen Einbindung, der Mate­rialwahl, der architektonischen Ästhetik, der sozio-kulturellen Qualität und der gesellschaftlichen Relevanz, der Nachhaltigkeit von Wohnbauten und der energetischen Performance, sogar der nach dem Prozess der Planung und Erstellung werden so vorbildlich beantwortet, dass der Ergebnisband, der im August erscheinen wird, ein Lehrbuch für gewissenhaft richtige Architektur werden wird.
So war es auch in den Jahren zuvor. 2015 gewannen Sauerbruch Hutton den Preis für den Neubau der Immanuel Kirche und des Gemeindezen­trums der Evangelischen Brückenschlag-Gemeinde in Köln-Stammheim. 2013 gelang dies Lederer Ragnarsdóttir Oei für das Kunstmuseum Ravensburg. Auch hier haben die Architekturbüros alles richtig gemacht und die oben aufgeführten Fragen teils mehr kunstvoll, teils mehr technisch, auf jeden Fall vollkommen richtig beantwortet.
Aber welche Bauwerke beantworten die Fragen, die nicht gestellt wurden? Die Fragen nach der Vision für eine Stadt oder ein Quartier, die Frage nach einer neuen Formensprache, die Frage, welchen Weg die Architektur in Europa im 21. Jahrhundert einschlagen könnte?
Wenn nicht in Deutschland, dem Fürsprecher und Treiber für Europa, wo dann sonst sollten diese Fragen beantwortet werden? Diese Fragen beantwortet der mit 30.000 Euro hoch dotierte Deutscher Architekturpreis in diesem Jahr und in den Jahren zuvor eben nicht. Vielleicht deshalb fehlte dem Jury-Vorsitzenden Markus Allmann auch der Wagemut bei den eingereichten Arbeiten. Dabei ist der Preis der Bundesrepublik sogar ein Staatspreis, der wichtigste gar für die deutschen Architektinnen und Architekten, so Bundesministerin Barbara Hendricks und die Präsidentin der Architektenkammer Barbara Ettinger-Brinkmann unisono.
Nicht ausgezeichnet wurden in diesem Jahr die Elbphilharmonie in Hamburg von Herzog de Meuron oder die Europäische Zentralbank von Coop Himmelb(l)au und das liegt nicht nur daran, dass die Architekten diese Bauwerke gar nicht eingereicht haben. Auch die Bauherren hätten dies gedurft und gekonnt.
Das Problem ist die Auslobung des Preises. Denn es ist ein Preis, bei dem nur die eingereichten Arbeiten juriert werden. Es gibt keine Möglichkeit, Bauten zu nominieren. Damit der Deutsche Architekturpreis seiner Bedeutung als Staatspreis gerecht wird und den formulierten Anspruch erfüllen kann, muss sich dies ändern. Entweder kann das Preisgericht weitere Projekte nominieren oder gar alle Architektinnen und Architekten, die in Deutschland gebaut haben reichen ihre Bauwerke nicht nur ein, sondern nominieren auch andere. Denn schließlich ist die Bundesarchitektenkammer ebenso wie das Bundesbauministerium Auslober und könnte dieses Verfahren ins Leben rufen. Das Problem ist erkannt. Bundesbauministe­rium, das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung und die die Bundesarchitektenkammer wollen die Auslobung des kommenden Architekturpreises überarbeiten.
PS: Die am 11. Januar eröffnete Elbphilharmonie erhält eventuell eine zweite Chance. Der Zeitraum, in dem die Projekte für den diesjährigen Preis fer­-tig gestellt sein mussten reichte vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Januar 2017. Der nächste Deutsche Architekturpreis wird 2019 verliehen. Für die EZB ist das zu spät, sie wird niemals unter den Preisträgern oder bei den Auszeichnungen und Anerkennungen in der Historie des seit 1971 bestehenden Preis auftauchen.
Fakten
Architekten Kaufmann, Hermann, Schwarzach; Nagler, Florian, München
aus Bauwelt 15.2017
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Bilder Deutscher Architekturpreis 2017

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