Bauwelt

Erich Schneider-Wessling

1931–2017

Text: Escher, Gurdun, Xanten

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    Erich Schneider-Wessling ist am 28. September in Köln gestorben. Geboren wurde er am 22. Juni 1931 in Weßling im Landkreis Starnberg; den Namen ­sei­nes Geburtsorts fügte er später seinem Familiennamen bei.
    Foto: Inge Zimmermann

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    Erich Schneider-Wessling ist am 28. September in Köln gestorben. Geboren wurde er am 22. Juni 1931 in Weßling im Landkreis Starnberg; den Namen ­sei­nes Geburtsorts fügte er später seinem Familiennamen bei.

    Foto: Inge Zimmermann

Erich Schneider-Wessling

1931–2017

Text: Escher, Gurdun, Xanten

Drei Planschränke mit 25 Metern Planrollen, da­zu 100 Modelle und 108 Meter Akten im Bestand des Kölner Stadtarchivs aus seinem Nachlass werden nicht vor 2050 einsehbar sein. Der Einsturz des Archivgebäudes zwingt dazu, bis zur wissenschaftlichen Aufarbeitung seines Werks die Distanz einer ganzen Generation abzuwarten. Erich Schneider-Wessling ist am 28. September in Köln gestorben. Für viele seiner Zeitgenossen, Kollegen und Mitstreiter ist er noch ganz gegenwärtig. Christoph Parade, wie Schneider-Wessling aus Süddeutschland ins Rheinland gekommen, erinnert sich: „Mit Erich konnte ich immer lachen, es war nie langweilig, und manchmal beendeten wir ermüdende Fachkonferenzen mit der Sicherheit, uns zur Entspannung nachher zum Beispiel gemeinsam ­einen ,Zwetschgendatschi‘ zu leisten.“
Ich selbst bin ihm unerwartet auf der Immobilienmesse Expo Real in München begegnet. Wa­rum er sich das antue? Aus Neugierde, erwiderte er mit seinem verschmitzten Lächeln, um zuzuhören, hinzusehen und zu verstehen. Architektur war für ihn keine „zeitgebundene formale Mode, sondern der gesellschaftliche Auftrag, mit möglichst viel Information über das Befinden von Menschen in Räumen in unterschiedlichen Klimazonen, über Situationen, die die Beziehungen der Menschen fördern, und über die Verträglichkeit von künstlichen = baulichen Eingriffen in die Umwelt, Städte und Häuser herzustellen“.1 Möglichst viel Information schloss die ökonomischen Vorgänge selbstverständlich mit ein. Hellhörig in alle Richtungen, ahnte er bereits 1969 die Umwälzungen durch die Digitalisierung des Planens einerseits und die Migration von Menschen andererseits voraus.
Die Stationen der Ausbildung von München über die USA und Venezuela – ermöglicht durch ein Stipendium – belegen die Eindrücke, die Schneider-Wessling unter anderem als Hospitant in Talisien bei Frank Lloyd Wright sammeln konnte. Miguel Casas Armengol ermöglichte ihm in Maracaibo/Venezuela eine erste Mitarbeit am Bau einer Schule. Bauen für die Gemeinschaft von Menschen blieb der Grundakkord seiner Arbeit als Architekt, ob für Schulen und Kliniken, das Gästehaus der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, das Kommunikationszentrum der Bayer AG, oder Wohnhäuser im Umkreis von Kunst und Kultur für den Komponisten Karlheinz Stockhausen, den Verleger Reinhold Neven DuMont, den Galeristen Rudolf Zwirner oder die Familie von Dohnanyi.
Seine nie realisierte Idee aus den 70er Jahren für eine innerstädtische, gemeinschaftlich geplante und finanzierte Wohnanlage ist heute ­ak­tueller denn je – ebenso wie das Bespielen von Lücken in der existierenden Stadt, über Parkplätzen, in leeren Raumhüllen, selbst den Rhein querend als „liegendes Hochhaus“.
Als Erich Schneider-Wessling 1988 den Wettbewerb für den Neubau eines Rathauses in Kaarst bei Düsseldorf gewann, hatte er ein „Zentrum der kommunikativen Vielseitigkeit“ im Sinn. Diese Idee manifestiert sich im Grundstein, in den Einwohner der im Zuge der Gebietsreform zusammengewürfelten neuen Stadt selbst Mitgebrachtes niederlegten, bis heute sichtbar in einer Kiste unter Glas auf einem Treppenabsatz im Foyer. Trotz vieler Widerstände machte die Stadt Kaarst Ernst mit dem Bau ihres neuen ­­Rat- und Bürgerhauses in hellem Betonstein und Zinkblech – und nicht nur das.
Auch dem Geschäfts- und Bürozentrum gegenüber sowie den Wohnzeilen konnte Schneider-Wessling seine Handschrift aufprägen, obwohl das gar nicht „seine“ Projekte waren, sondern die eines Investors. Die kongeniale Planung des Umfelds durch den Landschaftsarchitek­ten Richard Bödeker bindet das Ensemble über den Distanzraum eines künstlichen Sees, der sich in einen hügeligen Park ergießt, mit Brücken, Stegen und Laubengängen zusammen. Ein noch während der Bauzeit 1993 erarbeitetes Konzept für Kunst am Bau mit zahlreichen Beteilig­ten tut ein Übriges zu Gunsten der bis heute lebendigen, heiteren, offenen Atmosphäre. Derzeit arbeitet die Stadt daran, wie diese Insel in einem gesichtslosen Kleinstadtmeer mit der älteren biederen Ladenzeile auf der anderen Straßenseite versöhnt werden könnte.
1Hornstein (Hg.): Erich Schneider-Wessling. "...und das nenne ich reale Architektur" (Begleitband zur Ausstellung in der Architekturgalerie München). Müller & Busmann, Wuppertal 1996, S. 5

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