Bauwelt

Kulturpalast der Konzerte

You can’t have your cake and eat it, too – sagt der Engländer. Man kann den Kuchen nicht behalten und gleichzeitig essen. Doch in Dresden ist das gelungen. Die Dresdner haben ihren „Kulturpalast“ behalten und zugleich einen neuen Konzertsaal bekommen.

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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Blick über den Altmarkt und die Wilsdruffer Straße auf den neuen Kulturpalast.
Foto: Christian Gahl

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Blick über den Altmarkt und die Wilsdruffer Straße auf den neuen Kulturpalast.

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Kulturpalast der Konzerte

You can’t have your cake and eat it, too – sagt der Engländer. Man kann den Kuchen nicht behalten und gleichzeitig essen. Doch in Dresden ist das gelungen. Die Dresdner haben ihren „Kulturpalast“ behalten und zugleich einen neuen Konzertsaal bekommen.

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Es war der Dresdner Stadtrat, der im Jahr 2010 mit seinem Beschluss eines neuen Nutzungskonzepts für den bereits unter Denkmalschutz gestell­ten Kulturpalast den Unmut zahlreicher Bürger besänftigte, die die Erhaltung des 1969 eingeweihten Kulturpalasts zu ihrer Herzensangelegenheit gemacht hatten, und zugleich dem jahrzehntealten Bedürfnis der Dresdner Philharmonie nach einem eigenen Konzertsaal Rechnung trug.
Den anschließenden Wettbewerb entschied das Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner (gmp) für sich. Anstelle des gewaltigen bis zu 2700 Plätze umfassenden Multi-Veranstaltungssaals galt es, einen mit 1700 Plätzen eher mittelgroßen Konzertsaal einzubauen und den frei werdenden Raum um den neuen, kleineren Saal herum für die Zentralbibliothek zu nutzen. Für das traditionsreiche Kabarett „Herkuleskeule“ sollte im Untergeschoss eine angemessene Spielstätte eingerichtet werden.
In den durchweg positiven bis milde euphorischen Berichten über die (Wieder-)Eröffnung des Hauses am 28. April ging zumeist unter, dass es eben nicht nur um den Konzertsaal geht, sondern um eine Mischnutzung, die überhaupt zum ersten Mal den Begriff „Kulturpalast“ rundum füllt. Denn das Haus ist keine reine Veranstaltungsstätte mehr. Es ist dank der Bibliothek ganztägig geöffnet, und der Betrieb geht abends unmerklich in die Veranstaltungen des Hauses über. Unterschiedliche Besucherströme gilt es also im Haus zu leiten, das dennoch ein einziges, zusammenhängendes Gebäude darstellt, in dem die übereinander liegenden Foyers des Erd- und ersten Obergeschosses beiden Nutzergruppen offen stehen.
Die Foyers und ihre quer zur Gebäudeachse angeordneten, einläufigen Treppen bilden, abgesehen von den Außenfassaden, den Kern des denkmalgeschützten Bestandes. An den bauzeittypischen Raumhöhen, die man zumal angesichts der enormen Breite des Hauses vielleicht als zu niedrig empfinden mag und die im oberen Foyer durch ein friesartiges Wandbild zwischen Saaltüren und Decke noch akzentuiert wird, ließ sich naturgemäß nichts ändern. Diese Decke ist verkleidet mit Platten der Sorte „Moki“, was – so erzählen Kenner der DDR-Bauteile – für „Moskauer Kino“ steht; gebildet aus kleinquadratischen Vertiefungen zur besseren Akustik. Nüchterne Vierkantpfeiler gliedern den weiten Raum, dem seitliche Wandtäfelungen aus dunklem Makassar-Ebenholz eine elegante Note geben. Die Saalzugänge also blieben, so dass es jetzt dahinter beim Parkettzugang einen kleinen Höhenversprung durch kurze Treppen zu bewältigen galt. Und da nun stoßen gewissermaßen zwei Welten aneinander.
Denn der Konzertsaal ist ein autonomes Gebilde, eingebaut in die äußere Hülle, doch ohne mit ihr mehr als durch die bloßen Zugänge zu Parkett und Rängen verbunden zu sein. Die Grundform des Saals bezeichnet gmp-Projektarchitekt Stephan Schütz als „Weinberg“, damit den Typus reklamierend, den Hans Scharoun mit seiner Berliner Philharmonie erstmals eingeführt hat. In Dresden ist eine gemäßigte Fassung zu finden: Streng symmetrisch ordnen sich die aus gegeneinander versetzten, schräg ansteigenden Sitzbereichen gebildeten Ränge längs des Parketts, in dem drei durch Gänge voneinander getrennte Sitzgruppen fächerförmig auf das Orchesterpodium zulaufen. Hinter dieser Bühne, die durch Hubpodien unterschiedlich gestaltet werden kann, staffeln sich noch ein paar schmale Ränge in die Höhe. Sie wurden am Eröffnungsabend von den Chören besetzt, und so richtig hinter dem Orchester, wie es dem Weinbergs-Prinzip entspräche, kommen in Dresden nicht allzu viele Hörer zu sitzen. Der polygonale, Sechs- und Achteck verschleifende Grundriss ist deutlich auf ein frontal erlebtes Orchester gerichtet. Das betont auch die mächtige, mittig und hoch droben über der Bühne installierte Orgel, die in Dresden wohl so selten genutzt werden wird wie in allen heutigen Konzertsälen, die sie eher als Emblem festlicher Orchestermusik vorzeigen denn als Instrument erklingen lassen. Man „hat“ halt eine Orgel.
In jedem Konzertsaal hat heute der Akustiker das letzte Wort – die Aufgabe des Architekten ist es, den Wünschen hinsichtlich Klang und Nachhallzeit Rechnung zu tragen. gmp hat das mit einer vielfach gefalteten oder gestuften Verkleidung von Decke und Seitenwänden bewerkstelligt. Die freundlich-warme Grundstimmung des Saals darf durchaus als optische Entsprechung des zur Eröffnung viel beschworenen „Dresdner Klangs“ verstanden werden, an dem – wie in allen neuerbauten Konzerthäusern – orchesterseitig wohl noch ein Weilchen gefeilt werden dürfte.
Für die Zentralbibliothek der Städtischen Bibliotheken stand nun eine Menge Platz zur Verfügung; andererseits sind 5500 Quadratmeter für eine solche Aufgabe doch nicht viel. Zudem legt sich die Bibliothek in den beiden Obergeschossen an drei Seiten um den Konzertsaal. Macht nichts – die Bibliothek ist in sechs Bereiche aufgeteilt, es gibt also für die meisten Besucher keine weiten Wege zurückzulegen.
In jeder Hinsicht ist das Haus transparenter geworden, von außen, da die braungold bedampften Wärmeschutzgläser der späten DDR durch wärmedämmendes Klarglas ersetzt worden sind, und im Inneren durch seine „Durchwegung“. Mit seinen mehrfachen Eingängen dient das Gebäude quasi als Passage zwischen Alt- und Neumarkt. Der städtebauliche Vorbehalt gegen den Kulturpalast bestand gerade in dessen Auftritt als Riegel zwischen den beiden Bereichen der Altstadt. 1969 war der Palast exakt an die mächtig aufgeweitete Wilsdruffer Straße gelegt worden; und noch heute, da der Neumarkt vor der Frauenkirche nach und nach historisierend aufgebaut wird, ragt die nordöstliche Ecke des Kulturpalasts kantig in das Altstadtquartier hinein. Die Schloßstraße wiederum, die historische Magistrale der Stadt, drückt sich an der Westfassade des Palasts entlang, der hier ein 30 Meter breites Wandbild in bestem SozRealismus vorzeigt, das Programmbild „Der Weg der Fahne“, in zeittypischer Modernitätssucht ausgeführt in Farbglas auf Betonplatten. Und mit sehr viel Rot.
Fakten
Architekten gmp, Hamburg
Adresse Schloßstraße 2, 01067 Dresden


aus Bauwelt 11.2017
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Bilder Kulturpalast Dresden

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