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Warnung vor dem Billig-Architekten

Brigitte Schultz ist gegen Wettbewerb um jeden Preis

Text: Schultz, Brigitte, Berlin

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Brigitte Schulz ist gegen Wettbewerb um jeden Preis


Warnung vor dem Billig-Architekten

Brigitte Schultz ist gegen Wettbewerb um jeden Preis

Text: Schultz, Brigitte, Berlin

Einer alten Freundin geht es an den Kragen: Die Europäische Kommission verklagt Deutschland wegen der HOAI vor dem Europäischen Gerichtshof. Den EU-Kommissaren sind die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze ein Dorn im neoliberalen Auge. Rechtlich stützen sie sich auf die Dienstleistungsrichtlinie aus dem Jahr 2006, die verbindliche Honorarsätze für freie Berufe generell auf den Prüfstand stellt. Argumentiert wird mit der Niederlassungsfreiheit: Gerade die Mindestsätze der HOAI könnten ausländische Architekten daran hindern, sich in Deutschland niederzulassen, da sie nicht durch niedrigere Honorare auf sich aufmerksam machen könnten. Das Argument bleibt wohlgemerkt im Konjunktiv: Die Massen europäischer Architekten, die sich dringend für Billiglöhne in die deutschen Bauvorschriften und Regelwerke einarbeiten wollen, lassen bisher auf sich warten. Auch in Ländern wie Italien und Belgien, die ihre Honorarordnungen unter dem politischen Druck abgeschafft haben, sind nicht mehr EU-Architekten als zuvor am Werk.
Dass es tatsächlich zur Klage kommt, kann fast schon als Erfolg gewertet werden, ist man doch nicht – wie in anderen Ländern und in Berufen wie den Steuerberatern – vorab eingeknickt. Die Überzeugungsarbeit der Bundesarchitektenkammer, die vor Preis- und Qualitätsdumping und dem Massensterben kleiner Büros warnt, konnte die zuständige EU-Kommissarin jedoch nicht umstimmen, die als „stur wie ein Panzer“ gilt. Nun in Auftrag gegebene Gutachten haben die harte Aufgabe, beweisen zu müssen, dass die Mindest- und Höchstpreise nicht nur niemanden diskriminieren, sondern im Allgemeininteresse „erforderlich“ und „verhältnismäßig“ sind – Deutschland muss also nachweisen, dass ein nach unten offener Preiskampf zu Lasten der Qualität geht. Mit gesundem Menschenverstand kommt man da nicht weit.
Für die Architektur wie für die Arbeitsbedingungen der hiesigen Architekten bleibt zu hoffen, dass es nicht bald neben Star-Architekten auch Billig-Architekten geben wird. Oder wie es ein norddeutscher Architekt formulierte: „Fragen Sie einen Arzt, ob er Ihre Herz-OP auch zum halben Preis machen kann?“

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