Bauwelt

Im Schatten der Großstädte

Eine Studie thematisiert was meist unbeachtet bleibt: Einfamilienhaussiedlungen vollziehen einen Generationswechsel – doch oft fehlt die nächste Generation. Lösungsvorschläge? Selbstinitiative.

Text: Schick, Rosa, Berlin

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Im Schatten der Großstädte: alternde Einfamilienhausgebiete in NRW
Foto: Sebastian Becker

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Im Schatten der Großstädte: alternde Einfamilienhausgebiete in NRW

Foto: Sebastian Becker


Im Schatten der Großstädte

Eine Studie thematisiert was meist unbeachtet bleibt: Einfamilienhaussiedlungen vollziehen einen Generationswechsel – doch oft fehlt die nächste Generation. Lösungsvorschläge? Selbstinitiative.

Text: Schick, Rosa, Berlin

In der Publikation mit dem Wortspiel im Titel „Hausaufgaben - Bürgerschaftliches Engagement in alternden Einfamilienhausgebieten“ der StadtBauKultur NRW wird eine Studie über vier Selbstinitiativen von Bürgerinnen und Bürgern aus Einfamilienhausgebieten in NRW veröffentlicht. Die Autorinnen und Autoren Yasemin Utku, Stephan Gudewer, Carolin Krüger-Willim und Torsten Bölting machen auf ein Phänomen aufmerksam, das im Schatten von Großstädten und Ballungsräumen oft unbeachtet bleibt: In den während der 1950er bis 1970er Jahren entstandenen Einfamilienhaussiedlungen vollzieht sich seit einigen Jahren ein Generationswechsel.
Die Eigentümerinnen und Eigentümer der Einfamilienhäuser bauten einst mit dem Traum vom Eigenheim, von der Kleinfamilie und einer Festanstellung. Sie wurden staatlich bezuschusst durch Eigenheimzulage und Pendlerpauschale. Mittlerweile sind die dort aufgewachsenen Kinder erwachsen und ausgezogen, der Altersdurchschnitt steigt, viele der großzügigen Eigenheime werden nur noch von einer Person bewohnt. Schulen und Kindergärten werden aufgrund mangelnder Nachfrage geschlossen, und jüngere Familien ziehen wegen fehlender Betreuungsangebote nicht nach. Ein Teufelskreis. Die Gebiete sind außerdem meist schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und somit auf Individualverkehr angewiesen. Ärztliche Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten, Veranstaltungsorte, Cafés etc. fehlen oder sind nur schwer erreichbar und nicht barrierefrei. Diese Umstände machen sich vor allem bei der alternden und oft ortsverbundenen Bewohnerschaft negativ bemerkbar.
In solchen Gebieten braucht es Strategien, die sowohl die Bestandsgebäude als auch die Bewohnerschaft in den Blick nehmen. Die Studie der StadtBauKulturNRW hat hierfür vier Fallbeispiele bürgerschaftlichen Engagements untersucht. Den Initiativen geht es vor allem um die Wiederbelebung der Quartiere, die Verbesserung der Lebensumstände für ältere Menschen und die Steigerung der Attraktivität für Jüngere. Die Hauptanliegen der Initiativen sind die Schaffung neuen Wohnraums – auch zur Miete –, bessere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, z.B. in Form von Begegnungsstätten oder Nachbarschaftscafés, Angebote zur Nahversorgung, sowie die Etablierung von Kulturangeboten – und das alles möglichst barrierearm. Die Verwaltung und die Politik stehen dem bürgerschaftlichen Engagement im Idealfall auf Augenhöhe mit fachlicher Expertise und finanziell unterstützend zur Seite.
Beispielhaft ist das Zusammenspiel aus bürgerschaftlichem Engagement und kommunaler Beratungs- und Vermittlungsfunktion bei der Initiative „Zukunft Marienviertel“ der Stadt Dorsten, 25 km nördlich von Bottrop (www.marienviertel.de). Anstoß zur Gründung der Initiative war die Schließung der Realschule, nachdem bereits einige Jahre zuvor das Freibad und die Grundschule geschlossen worden waren. Die zentral gelegene Realschule soll zum Begegnungszentrum „Neue Mitte“ umfunktioniert werden und in Zukunft als Ort des generationenübergreifenden Austauschs dienen. Zudem sollen seniorengerechte Wohnungen entstehen und damit einhergehend Hilfsangebote, um deren Umzug zu ermöglichen. Die Stadt Dorsten unterstützt die Initiative vor allem als Vermittlerin. Sie stellt Kontakte zu externen Fachleuten her, die sich mit der Finanzierung und der Planung solcher Projekte auskennen, und bietet bei Ideenwerkstätten frühzeitig Möglichkeiten für Austausch und Koordination, sodass die Projekte in Planungsverfahren integriert und realisiert werden können.
Ein ähnliches Konzept verfolgt eine Initiative in Wichlinghofen am südlichen Rand von Dortmund: Hier soll die noch bevorstehende Schließung der Grundschule durch die Gründung eines „Community Centers“ am Standort verhindert und der Stadtteil weiterentwickelt, nicht stillgelegt werden. In einer klaren und übersichtlichen Gestaltungssprache veröffentlicht die Studie auf 78 Seiten neben Texten leicht verständliche Grafiken, welche die Schwierigkeiten, die ökonomischen wie sozialen Entwicklungen, die zentralen Faktoren für die Weiterentwicklung und die Potenziale der alternden Siedlungen veranschaulichen. Die vier mit zahlreichen Fotos dokumentierten Fallbeispiele bürgerschaftlichen Engagements beweisen, dass diese Einfamilienhausgebiete durchaus über Entwicklungspotenzial verfügen. Dort, wo Kommune und Bewohner Hand in Hand arbeiten, können lebenswerte Quartiere entstehen.


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