Porträt

KINZO, Berlin

Autor: Michael Kasiske

Drei Freunde

  • Autor: Michael Kasiske
  • Fotos: Werner Huthmacher

Sind die Gründer des Büros Kinzo Hedonisten? Das Betreiben einer typisch Berliner Underground-Location legt das nahe. Doch als Karim El-Ishmawi, Martin Jacobs und Chris Middleton ihr Architekturdiplom erlangt hatten, waren Jobs so rar, dass sie den Kinzo-Club, den sie als Studenten gegründet hatten, erst einmal weiterführten. Die Lokalität war bereits ein Spielfeld für das, was sie interessierte: atmosphärisch und funktional stimmige Ausstattungen zu schaffen, die den Nutzern ganzheitlicher dient als sie erwarten.

Im Studium hatten sie sich dem Städtebau gewidmet, Innenarchitektur war laut El-Ishmawi seinerzeit ein Schimpfwort. Dass sie sich im Berufsleben dennoch der unmittelbaren räumlichen Gestaltung zuwandten, lag in ihrem Bestreben begründet, ein Projekt von Anfang bis zum Ende durchzuführen, einschließlich Selbstbau. Aufträge kamen zunächst von Freunden und Bekannten. Als Architekten, lediglich Jacobs hatte zuvor eine Tischlerausbildung absolviert, mussten sie sich ihre handwerklichen Kenntnisse autodidaktisch erschließen. Dazu mietete sich Kinzo in eine Werkstatt ein. Außerhalb der planerischen und ausführenden Praxis stehend, verfügten sie über einen unverstellten Blick,

Aufenthaltsqualität in der gemeinsamen Küche

der sie die Aufgaben mit Frische und gelegentlich auch Radikalität angehen ließ. So sammelten sich Referenzen an, die sie schließlich für Projekte in anderen Dimensionen empfahlen.

Kinzos erster großer Auftraggeber war die Axel Springer SE. Die Innenausstattung mit einem eigens entworfenen Tisch für eine kleinere Einheit des Konzerns begeisterte die Leitung derart, dass sie das junge Büro mit der Einrichtung der Bild-Redaktion beauftragte. Die nun futuristisch anmutenden, in informellem Weiß gehaltenen Räume der einst verschrienen Tageszeitung zeugen von einer neuen Identität. Darin sah Mathias Döpfner, selbst Sohn eines Architekten, einen Ausdruck des Wandels der Springer SE zu einem Medienkonzern der Zukunft.

Auch im eigenen Office werden die ganzheitlichen Arbeitskonzepte gelebt

Für Kinzo war die Bild-Redaktion die erste Gestaltung einer Arbeitswelt. Der nächste Auftrag, die Ausstattung der ADIDAS LACES, ging einen Schritt weiter. Nicht nur die Fläche war wesentlich größer, das Gebäude selbst hatte den Anspruch, ein unverwechselbarer Ort der Identifikation für die Ingenieure, Mediziner und Designer zu sein, die dort Innovationen und Moden erzeugen. Mit dem Möbelsystem WORKOUT übersetzte Kinzo die Architektur in multifunktionale Raummodule, die wie eine Klammer wirken, einzelne Räume aufspannen und gleichzeitig den Arbeitsbereich klar markieren.

"Der Kommentar eines Mitarbeiters der SoundCloud war 'Hier möchte ich lieber wohnen, nicht arbeiten'. Das bestätigte wieder einmal unsere Materialwahl."

Chris Middelton im Gespräch mit Michael Kasiske

Storage, Rückzug, Erfrischung: Das Multifunktional-Möbel in der SoundCloud

Großes Renommee gewann Kinzo durch den Ausbau des Hauptquartiers von SoundCloud. In den Mittelpunkt wurde die offene Arbeitsweise der Onlineplattform gestellt: Neben den Arbeitsplätzen gibt es Orte für informelle Treffen, zur Entspannung, sogar zum Schlafen als Gegenpole zur oft sehr langen Bildschirmarbeit. Dafür wurden Materialien gewählt, die sich unmittelbar erschließen, ähnlich denen in der Bürolandschaft für die Erste Bank in Wien. Beide Projekte zeugen von Kinzos Fähigkeit, wegweisende Arbeitskonzepte ganzheitlich und architektonisch anspruchsvoll umzusetzen.

"Wir wollten der Ersten Bank ein hoch individuelles Projekt quasi so auf den Leib schneidern, dass ihre eigene Identität davon befeuert wird."

Im Büro von Kinzo, einer ehemaligen Bank im Zentrum Berlins, sind die Spannbreiten von Konzentration, Kommunikation und Zerstreuung spürbar, die professionelles Arbeiten ausmachen. Dank Mitarbeitern mit unterschiedlicher Ausbildung entsteht eine Atmosphäre, die anregt und auch befeuert. Bis heute bildet ihre Freundschaft die Grundlage des gemeinsamen Schaffens, was El-Ishmawi, Jacobs und Middleton als ein großes Geschenk empfinden.

Wege, Treppen, Sitzecken, Podeste: überall gibt es Raum für Kommunikation



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