Spielerischer Ernst
Die Beiträge des Outstanding Artist Award
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
Spielerischer Ernst
Die Beiträge des Outstanding Artist Award
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
„Architektonisch anspruchsvoll und inhaltlich wagemutig“ sollen sie sein, die Projekte, mit denen sich junge Architekten und Gestalter für den Outstanding Artist Award bewerben, den Förderpreis des österreichischen Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur.
Florian Aicher hat sich im Vorarlberger Architekturinstitut (vai) umgesehen, wo im November die Preise vergeben wurden und die 50 eingereichten Arbeiten ausgestellt sind.
Outstanding – herrlich polyglott, die Habsburger! Doch mal im Ernst: Was da zu sehen ist im vai, überrascht ausgesprochen positiv. Das Unerwartete erwarten!, forderte Hugo Dworzak, zusammen mit Matthias Stocker, Andrea Hofmann und Wolfgang Tschapeller Juror beim Outstandig Artist Award, und legte gleich nach mit der Feststellung, die Keimzellen des Experiments seien die Schulen. Tatsächlich: Drei der vier prämierten Arbeiten gingen direkt aus Abschlussarbeiten an Hochschulen hervor. Drei Auszeichnungen, ein Preis: Was zuerst ins Auge springt, ist das hohe Niveau der Präsentation; keine grafischen Gags, sondern anschauliche Bewältigung der Dichte an Überlegungen. Ist es verwunderlich, dass alle Arbeiten um das Verhältnis von Natur zu Kultur kreisen, etwas, das offensichtlich mehr auf den Nägeln brennt als all die Wolken virtueller Welten?
Etwa die Methode einer Raum-Entfaltung, die zwischen Setzung und Automatismus oszilliert: Die Dynamik, die ein Netz, in fließendes Gewässer getaucht, erfährt, wird bis zu einem Gleichgewichtszustand verfolgt. Dann werden Eingriffe in die Netzstruktur vorgenommen, Veränderungen der Gestalt vorangetrieben, ein erneuter Eingriff – bis ein Gebilde in allen Dimensionen erreicht ist, das der Erwartung an einen Raum entspricht, „in dem wir uns bewegen, der sich anbietet bzw. aufzwingt. Architektur als Wahrnehmungsschärfer“. Naturkunde, präzise am Rechner erzeugt. Ein „verdammt schönes Ding“, so die Jury über die Raumplastik von Andreas Hörl.
Peter Jellitsch hat die Gestalt der Stadt auf das Bild hin befragt, das sie im Zeitalter elektronischer Medien annimmt. Nicht metaphorisch, sondern ganz konkret: Elektronik und Stadt, die Stadt als Strahlenphänomen. Radiowellen werden Lichtwellen werden Bild. Die Analyse ergibt einen neuen Stadtplan, konkret durchexerziert am Beispiel Wien. Der Plan veranschaulicht etwa die Verteilung des Elektrosmogs.
Ebenso weitgespannt, doch lebensnah: der Dachgarten des Integrationshauses Wien von Gregor Holzinger. Vertrautheit mit der Lebenswelt der Migranten ist grundlegend für einen solchen Ort des Rückzugs, der gleichzeitig Öffnung zur Stadt ist; ein Ort, der über die Dächer abhebt und zugleich an Boden, Natur, Garten anbindet.
Ein Spielort ist schließlich das mit dem „großen Förderpreis“ ausgezeichnete Projekt von Christian Tonko, Titusz Tarnai und Peter Jellitsch, hervorgegangen aus einem Wettbewerb für einen Pavillon der finnischen Stadt Turku, Kulturhauptstadt 2011. Der Fluss, Rückrat der Stadt, und das Wasser, verbindendes Element mit der Kultur-Schwesterstadt Tallinn, definieren die Gestalt. Der Versammlungsraum auf der schwimmenden Plattform wird überdacht durch eine transparente, ausgebeulte Decke, in deren Senken Flusswasser-Seen entstehen. Die Überdüngung der Agrarflächen im Einzugsgebiet des Flusses lässt Algenkulturen sprießen, was die Gebäudehülle permanent verändert – ein Vorgang, der flussabwärts als Ostseeveralgung Schrecken verbreitet. Natur wird vitaler Bestandteil der Architektur, sichtbarer Stoffwechsel auch zivilisatorischer Schattenseiten, keineswegs nur beschönigendes Kleid.
Gemessen an so manchem „Architekturdiskurs“ dieser Tage erstaunt die Blickrichtung dieser Arbeiten – und die Konzentration der Jungen. Ernst, möchte man sagen, aber eben kein Bierernst, kein Rechthaben, auch kein Zynismus, sondern: spielerischer Ernst in der Überzeugung, dass Wichtiges ansteht. Das zieht sich durch die 50 Einreichungen. Eine anstrengende Dichte, doch man geht mit dem starken Gefühl: Da tut sich was!
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