Projektreportage und Interview

Bürogebäude eucon, Münster
behet bondzio lin architekten

Das Wechselspiel der unterschiedlichen Fassaden zu den Straßen und zu den Höfen stellt den besonderen Reiz des Gebäudes dar.

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Rot, braun, grau und strahlend weiß

  • Interview: Michael Kasiske
  • Fotos: Frank Peterschröder, Michael Dedeke

Mit dem Neubau für eucon ist behet bondzio lin architekten eine moderne Interpretation typischer Gebäude in Münster gelungen. Der rote Stein von Röben trägt dazu bei. Doch wo einst in den Klinkerfassaden die Fensterlaibungen aus Sandstein waren, verwenden sie weiße Bleche als zeitgenössischen Werkstoff. Die Architekten zollen mit dem Klinker der geschichtsträchtigen Stadt schon bei der Stadteinfahrt Respekt.

Fährt man in Münster über den Albersloher Weg nach Süden stadtauswärts, hört die urbane Bebauung jenseits des Dortmund-Ems-Kanals auf. Hier trumpfen noch einige Solitäre auf wie die Feuerwache und der Gasometer. Jenseits der querenden Stadtautobahn B 51 leitet dann östlich der Ausfallstraße ein kleinteiliges Wohngebiet in die Landschaft über, westlich liegt der Gewerbepark „Loddenheide“. Hier fällt der Büroneubau der eucon GmbH sofort ins Auge.

„Diese Mischung vieler Töne beim Ziegel kontrastiert spannend mit den weißen Fenster- und Metallelementen.“

An der Ecke zum Martin-Luther-King-Weg strahlt das langgestreckte Gebäude eine eigentümliche Präsenz aus. Mit seinen vier Geschossen ist es nicht höher als die benachbarten Bauten, liegt zurückgesetzt von der Hauptstraße und ist überdies durch Einschnitte perforiert. Dennoch lässt die rote Ziegelhaut den Baukörper fast selbst wie einen Stein erscheinen, da sie stets nur zweidimensional und somit nicht als eigene Masse in Erscheinung tritt. Die Architekten ziehen das Bild eines Apfels zurate, aus dem Segmente herausgeschnitten sind.

Die Ziegelfassade schiebt sich als Haut vor das Gebäude.

Die Ziegelfassade schiebt sich als Haut vor das Gebäude.

Ein wenig erinnert das Haus an holländische Ziegelbauten, vor allem wegen der großen, weiß gerahmten Fenster, die in das Mauerwerk einschneiden, im Gegensatz zur gewohnten Ansicht einer Lochfassade. Der Eindruck wird durch die in jedem Geschoss verschobenen Fensteröffnungen noch unterstrichen. Für den Anschein einer langen geschlossenen Gebäudefront wurde die Wand im Erdgeschoss auch im Bereich der Höfe durchgehend auf vier Meter Höhe geschlossen und deren Wände durch die Verkleidung mit weißen Blechen visuell zurückgenommen. Wie viel Ziegelfassade es braucht, um den Baukörper als Ganzes und nicht etwa als Addition von Geschossen zu sehen, reizten die Architekten bis hin zu den niedrigen Fensterbrüstungen aus.

Roland Bondzio, zusammen mit Martin Behet und Michael Lin verantwortlich für den Gebäudeentwurf, ist diese Gegend von Münster vertraut. Im Büro Bolles+Wilson betreute er einst die Planung der Pumpstation für das Wasserbecken im benachbarten Friedenspark. Es war eines der ersten Gebäude in dem Konversionsgebiet, auf dem bis 1993 die britische Rheinarmee stationiert gewesen ist. Nach dem Freimachen des 66 Hektar großen Geländes erfolgte 2000 die erste Neuansiedlung. Von der früheren Nutzung zeugt nur noch die als Teil der Kaserne 1953 geweihte Friedenskapelle, die auch Anlass war, alle Straßen des Gebietes nach Friedensnobelpreisträgern zu benennen.

Das Wechselspiel der unterschiedlichen Fassaden zu den Straßen und zu den Höfen stellt den besonderen Reiz des Gebäudes dar.

Das Wechselspiel der unterschiedlichen Fassaden zu den Straßen und zu den Höfen stellt den besonderen Reiz des Gebäudes dar.

Die Assoziation zu den nahen Niederlanden kommt im Übrigen nicht von ungefähr. Die beiden Gründer der eucon GmbH, Maurice und Marcel Oosenbrugh, haben familiäre Wurzeln im Nachbarland, wenngleich beide geborene Münsteraner sind. Ihre 1997 gegründete Firma arbeitet weltweit als Dienstleister für die Automobilbranche, für die sie mittels spezieller Software die Märkte der Zulieferindustrie beobachtet. Außerdem arbeitet sie an der Automatisierung der Schadensprüfungen bei Versicherungen. Der Erfolg von eucon fußt nicht zuletzt auf einer egalitären Struktur unter den hochspezialisierten Mitarbeitern.

Das Unternehmen, in dem „Argumente mehr zählen als Hierarchiestufen“, spiegelten die Architekten in den Grundrissen wider, indem sie nur einen Raumtypus anbieten. Die stets exakt gleich großen und hohen Büros unterscheiden sich lediglich in der Platzierung der großen Fensteröffnungen, in den Himmelsrichtungen und den Ausblicken. Als Räume für die kurzzeitige Entspannung dienen die drei offenen Höfe, von denen einer als Sportplatz für Basketball, Badminton und Fußball ausgestattet ist, sowie der vierte überdachte Hof, in dem ein Kicker-Tisch und Spielkonsolen bereit stehen. Im Erdgeschoss werden die Sitzungsräume an den zur Straße gerichteten Seiten konzentriert. Eine Sondersituation ist das Foyer, räumlich durch seine Höhe über drei Geschosse, materiell durch die Ausstattung mit Holz. In den oberen Geschossen sind die Büros, bis auf den Bereich am Luftraum des Foyers, zweibündig angelegt. Alle Räume sind weiß, wie das „Fruchtfleisch des Apfels“.

Interview

Beim eucon-Bürogebäude in Münster verhält sich der rote Ziegel komplementär zur grünen Landschaft. Zusammen mit weißen Flächen leuchtet das Gebäude geradezu wie bei einem Aquarell, wo Weiß die Farben zum Leuchten bringt. Genau das haben behet bondzio lin architekten für bestimmte Lichtsituationen angestrebt und auch erreicht.

Roland Bondzio beim Interview im eigenen Büro, November 2014.

Roland Bondzio beim Interview im eigenen Büro, November 2014.

Herr Bondzio, wie kam es zu dem Auftrag für das Bürogebäude?

Die Inhaber kamen über meinen Büropartner Michael Lin zu uns und baten um Ideen für ihren zukünftigen Firmensitz. Mit unserem Vorschlag suchten sie einen Bauträger, der das Haus errichtet und ihnen dann vermietet. So haben wir zunächst für den Nutzer entworfen und dann für die Unternehmensgruppe Derwald als Bauherrn.

Im Gewerbepark Loddenheide fällt der Büroneubau sofort ins Auge

Im Gewerbepark Loddenheide fällt der Büroneubau sofort ins Auge

War der Standort am Albersloher Weg vorgegeben?

Wir hatten verschiedene Standorte erwogen, doch der Bauträger bot dieses Grundstück an, das sich als ausreichend groß und städtebaulich unkompliziert erwies. Bei der weiteren Bewertung ging es eucon vor allem um die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter: gute Erreichbarkeit mit dem Bus, relative Stadtnähe, ausreichendes Parkplatzangebot – und für das Gebäude selbst eine gute und gleiche Qualität aller Büros, schöne Ausblicke und attraktive informelle Treffpunkte.

Es ging also weniger um eine repräsentative Erscheinung?

Ja, unsere Aufgabe war es, ein hohes und egalitäres Niveau der Arbeitsplätze zu erreichen, um die Akquisition und Motivation qualifizierter Mitarbeiter zu fördern. Wir haben deshalb nur einen Büroraumtyp entwickelt: 5 mal 5 Meter groß und 3,10 Meter hoch mit großen Fenstern, die reizvolle Ausblicke in die Höfe oder in den Grünbereich bieten. Auch der Eingang ist nach Faktoren gestaltet, wie die Mitarbeiter empfangen werden und wie sie sich von dort durch das Gebäude bewegen. Besucher gibt es ohnehin kaum.

Welche Funktionen haben dabei die Höfe?

Der Hof am Eingang ist ein überdachter Innenraum, zwei weitere sind landschaftlich gestaltet, einer ist ein Spielfeld. Alle dienen der Erholung. Wichtig sind sie jedoch auch für das architektonische Konzept: Wir betrachten das Gebäude wie einen Quader, aus dem die Höfe gleichsam subtrahiert werden. Dabei ließen wir uns vom Bild eines Apfels leiten: Man sieht außen die „Schale“ und innen sein helles „Fruchtfleisch“. Anders als die konventionelle Sicht einer Steinwand mit einer bestimmten Stärke treffen an den Schnittkanten weiße Blechelemente rechtwinklig auf die roten Ziegel.

Roland Bondzio beim Interview im eigenen Büro, November 2014.

Detail der Ziegelfassade mit dem kontrastierenden Farbenspiel

Wird der Ziegel so nicht wie eine Art Tapete verwandt?

Wir lesen die Ziegelwand als Haut und haben das Bild auch konsequent in der Detaillierung der Ecken und Kanten verfolgt, wodurch das ganze Gebäudevolumen begreifbar wird. Um die homogene Wirkung zu erzielen, erhielten die Höfe im Erdgeschoss vier Meter hohe Außenwände. Sichtbare Gebäudefugen werden vermieden.

Schema der Gebäudegliederung mit den vier Höfen.

Schema der Gebäudegliederung mit den vier Höfen.

Wie haben Sie die Fensteröffnungen gestalterisch gelöst?

Durch das Konzept der Haut machten wir an diesem Punkt einen unkonventionellen Umgang mit dem Stein zum Thema. Der Ziegel, der stets als Masse wahrgenommen wird, erscheint hier ausschließlich zweidimensional. Die Fenstereinschnitte werden durch umlaufend weiße Laibungsbleche markiert. Auch an den ausgeschnittenen Höfen treffen die weiße Metallverkleidung und der Ziegel aufeinander. Dort haben wir sogar Positiv- und Negativ-Ecken sowie Fenster, die über die Ecken in die Höfe laufen. Diese Kanten fallen besonders ins Auge, denn das Fenster liegt genau auf der gleichen Ebene wie die Oberkante der Hofwände, so dass das Laibungsblech in das Abdeckblech übergeht.

Wenn alle Büroräume gleich sind, wodurch ergibt sich dann die Verschiebung der Fensteröffnungen von Geschoss zu Geschoss?

Wir haben sehr große Fenster, die wir nicht als Lochfassade strukturieren wollten. Ihre Maße sind etwa 2,50 mal 2,50 Meter, teilweise über die Ecke gezogen, und ihre Lage und Ausformung unterscheidet die einzelnen Büros. Die Fenster haben eine sehr niedrige Brüstungshöhe, denn auf bodentiefe Verglasungen wurde verzichtet, um äußerlich ausreichend „Fleisch“ für die Erscheinung als homogenes Gebäudevolumen zu bewahren.

„Am Ende zählte auch die Bereitschaft zu kurzfristiger Produktion, denn die Entscheidung fiel erst im letzten Moment.“
Auf welche Weise haben Sie den Ziegel ausgewählt?

Der Stein ist das Ergebnis einer sehr intensiven Bemusterung zusammen mit eucon und Derwald. Nutzer, Bauherr und wir als Architekten wollten uns mit dem Gebäude identifizieren. Der schließlich gewählte Stein hat zum einen Rotanteile, zum anderen erscheint er in unterschiedlichen Farbtönen. Bei verschiedenen Witterungen aufgenommene Fotos zeigen den Wandel: Im warmen Licht morgens früh oder spät abends geht der Stein in Braun über, bei kaltem Tageslicht dominiert Graurot.

Grundriss Erdgeschoss mit Eingangshalle, Besprechungsräumen und Büros.

Grundriss Erdgeschoss mit Eingangshalle, Besprechungsräumen und Büros.

Können Sie die Relevanz der Tönung des Steins genauer beschreiben?

Der Stein erscheint von Nahem ganz anders als von Weitem. Wenn man herantritt und die einzelnen Farben betrachtet, wird man angesichts der grauen und grünen Einsprengsel unsicher, ob es sich tatsächlich um einen roten Stein handelt. Diese Mischung vieler Töne beim Ziegel kontrastiert spannend mit den weißen Fenster- und Metallelementen.

Welche Rolle spielte die Oberfläche des Steins?

Die Haptik des Steins ist wichtig, wenn man ihn sich genauer anschaut. Ansonsten stellt sich bei einem Gebäude dieser Größenordnung vor allem die Frage, was die Oberfläche mit dem Licht macht. 99 Prozent derjenigen, die das Gebäude sehen, fahren mit 70 Stundenkilometern an ihm vorbei.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit Röben?

Bei jedem Brand gibt es leichte Nuancierungen und ein Stein wirkt an einem Einfamilienhaus anders als auf einer ein Quadratmeter großen Musterplatte oder hier bei unserem Bürogebäude. Am Ende zählte auch die Bereitschaft zu kurzfristiger Produktion, denn die Entscheidung fiel erst im letzten Moment.

Warum sollte der Ziegel eigentlich rot sein?

Der Bebauungsplan forderte an dieser Stelle die Verwendung eines roten Steins, der charakteristisch für Münster ist und somit eine gute Entscheidung für die südliche Stadteinfahrt darstellt. Abgesehen von dem regionalen Bezug hat der rote Ziegel den Vorteil, dass er sehr gut altert.
In Münster wurden früher die Gebäude nicht nur aus Ziegel, sondern auch aus Sandstein errichtet. Wobei man sagen muss, dass der Baumberger Sandstein einen fast rot-orangen Ton hat, der in den Übergangszeiten und in den Abendstunden ein unglaublich warmes Licht reflektiert. Beide Materialien sind aber in einem Punkt nah beieinander: Die qualitätsvollen Oberflächen schaffen eine angenehme Atmosphäre um sich herum.

Vielen Dank für das Interview.

eucon Gebäude in Münster

Architekten

behet bondzio lin architekten, Münster
www.2bxl.com

Büroprofil

behet bondzio lin architekten
Nach Stationen in verschiedenen Architekturbüros im In- und Ausland gründeten Martin Behet (geb. 1965), Roland Bondzio (geb. 1966) und Michael Yu-Han Lin (geb. 1967) im Jahr 2000 ihr gemeinsames Architekturbüro in Münster. Martin Behet absolvierte ein Architekturstudium an der TU Braunschweig und an der ETH Zürich, Roland Bondzio ebenfalls an der TU Braunschweig und an der ETSA Barcelona, Michael Yu-Han Lin an der Universität Tunghai, Taizhong, Taiwan, und an der Harvard Graduate School of Design, Cambridge, USA. Die Arbeits- und Entwurfsprozesse des Büros werden bestimmt vom Dialog mit den Bauherren und innerhalb des Teams. Grundlage sind die Analyse der Orte und der Aufgabenstellungen in Verbindung mit intensiven Recherchen. Ziel ist es, auch für komplexe Bauaufgaben zu eigenständigen und scheinbar selbstverständlichen Lösungen mit einem hohen Maß an Identität und Sinnlichkeit zu kommen. Die bisher wichtigsten Bauten sind die Mensa am Park, ein Institutsgebäude sowie der Umbau eines Hörsaalgebäudes mit Bibliothek und eines Seminargebäudes der Universität Leipzig. Das Büro ist auch mit Standorten in Leipzig und in Taichung, Taiwan, vertreten.

Projekte (Auswahl)

2013 Umbau Kirche zum Kolumbarium, Rheine
2010 Bürogebäude Hafenweg, Münster
2010 Haus Ginkgo, Koblenz
2005/2009 Haus Peng und Haus Flora, Taichung, Taiwan
2001 Neu- und Umgestaltung des Universitätscampus, Leipzig

Produktinformationen

Der rotbrennende Lauenburger Ton erhält durch ein spezielles Nass-Pressverfahren, bei dem der Ton durch stumpfkantige Stahlrahmen gedrückt wird, eine besonders detailreiche, raue Struktur. Zugaben, wie z.B. Schamotte und Kohle, sorgen dafür, dass unter einer Brennführung von etwa 1.100 °C ein beeindruckendes, reich nuanciertes und überaus kontrastreiches Farbenspiel von weiß-roten Brand- und Schmauchspuren entsteht.

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