Großzügig wohnen, verdichtet parken
- Autor: Michael Kasiske
- Fotos: Otto Wöhr GmbH, Gaelle le Bouliqout
Das gehobene Wohnen findet zunehmend in die Innenstädte zurück. Neben dem Neubau spielt die Aneignung aufgegebener, einst öffentlicher Gebäudekomplexe eine wichtige Rolle. Bei der Transformation eines historischen Krankenhauses zur „Kameha Residence Düsseldorf“ gingen die Forderungen des Denkmalschutzes weit über den Erhalt der Fassade hinaus. Die scheinbaren Beschränkungen erwiesen sich freilich als Impulse für zahlreiche gestalterische und funktionale Charakteristika dieser Anlage, von der Grundrissstruktur über die Dachform bis hin zum Autoparksystem.
Die nördliche Altstadt der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens lag seit längerem im Abseits. Ruhige Anliegerstraßen und die kleinteilige Bebauung mit wenigen Geschäften stehen im Kontrast zum quirligen Kneipenviertel im Zentrum. Doch der Umbruch ist sichtbar. Derzeit wird das ehemalige Gebäude des Landgerichts umgebaut und soll, ergänzt durch einen Neubaublock, als „Andreas Quartier“ reüssieren. Ein Vorreiter dieser Entwicklung ist die Kameha Residence, die unmittelbar am Rheinufer liegt.
„Der Bedarf nach dem klassischen großbürgerlichen Haushalt mit Serviceleistungen ist vorhanden.”
Der Ort gegenüber der Kirche St. Lambertus ist prominent, denn dort war einst das Theresienhospital beheimatet. Über ein Jahrhundert lang hatte sich die Ordensgemeinschaft der Töchter vom Heiligen Kreuz den Hilfebedürftigen der Großstadt zugewandt. 1977 schloss das Krankenhaus, nur die Josephskapelle an der Spitze der dreieckigen Liegenschaft, am nach der ersten Oberin benannten Emilie-Schneider-Platz, zeugt von der Vergangenheit. Für die dreiflügelige Anlage fand sich erst über ein Vierteljahrhundert später eine tragfähige Lösung.
Vier Jahre benötigten Bauherr und Architekten, um ein Konzept für hochwertiges Wohnen am Schlossufer zu entwickeln und zu vermarkten. Neben der Ruhe sprechen die unverbaubare Lage am Rhein, die Nähe zu den Kulturinstitutionen, zum Boulevard Königsallee sowie zum Hofgarten für den Standort. Aus den Fenstern sieht man Wahrzeichen der Stadt wie die eindrucksvollen Rheinbrücken und den 240 Meter hohen Rheinturm.
Die imposante Eingangshalle ist denkmalgerecht und aufwändig saniert.
Auf einer Bruttogeschossfläche von rund 13.000 Quadratmetern entstanden 59 Lifestyle-Wohnungen, die zwischen 30 und 293 Quadratmetern messen. Sie wurden in den vier sich selbst erklärenden Designvarianten pop modern, metropolitan, land-art und pure angeboten. Doch abseits der Ausstattung: Was bedeutet hochwertiges Wohnen heute? Der Bedarf nach dem klassischen großbürgerlichen Haushalt ist vorhanden, doch möchte der Mieter gegenwärtig nur Nutzer des Komforts, aber nicht mehr Betreiber sein. Neben dem Service, ein Markenzeichen der Kameha-Konzepte, werden im Untergeschoss gemeinschaftlich nutzbare Einrichtungen wie ein kleines Kino und ein Spa-Bereich angeboten.
Im historischen Gemäuer kontrastieren klare, großzügige Grundrisse und moderne Möblierung.
Die Wohnungen selbst gewinnen in den Normalgeschossen durch die außergewöhnliche Deckenhöhe und die alten Einbauten. Die Auflage der Denkmalpflege, die Mittelgänge entsprechend der einstigen Krankenhausstruktur zu erhalten, erforderte von den Architekten einiges Geschick. Der Aufwand, um dennoch großzügige Raumeinheiten zu schaffen, war ungleich größer als für den Neubau mit seinen 13 Wohneinheiten, der östlich des Hofes an der Ritterstraße liegt.
Die neun Dachwohnungen hingegen sind durchwegs zu zwei Seiten orientierte Maisonettes. Anstelle des ursprünglichen Satteldaches wurde ein geräumiges Tonnendach aufgesetzt, das wie ein „steinernes Daches“ anmuten sollte. Um die großen Fenster der Schieferdeckung visuell möglichst nahe kommen zu lassen, erhielten sie dunkle Rahmen und wurden flächenbündig eingesetzt. Der Aufwand steckt im Detail: Für die schweren, dreifach verglasten Fenster sind zum Öffnen Elektromotoren erforderlich, für die Notausstiege solche, die an ein Notstromaggregat angeschlossen sind.
Längsschnitt: oben das Tonnendach, unten die Parklösung
Zum Komfort gehört zweifelsohne der gute Anschluss an das Individualverkehrsnetz. Neben der Besonderheit, dass die Rheinuferpromenade vor der Verlagerung der Uferstraße in den Tunnel die Bundesstraße 1 gewesen ist, liegt die nächste Autobahn nur wenige Fahrminuten entfernt, der Flughafen ist in etwa einer Viertelstunde zu erreichen. Deshalb gingen die Architekten von einer Zielgruppe aus, die mindestens ein Auto besitzt und entsprechende Einstellplätze benötigt.
Wer wäre zu einer eigens konzipierten Unterbringung der Autos geeigneter gewesen als tecARCHITECTURE? Der Wahlspruch des Büros stammt von dem italienischen Karosseriedesigner Sergio Scaglietti: „Es geht nicht nur um die Funktion einer Form, sondern um die Begehrlichkeit, die man mit ihr auslöst.“
links Heiko Ostmann, rechts Sebastian Knorr, tecARCHITECTURE
Die Kameha Residence forderte uns auf mehreren Ebenen. Mit einem maßgeschneiderten Entwurf für hochwertiges Wohnen an diesem besonderen Ort mussten wir zunächst den Investor, später die Kaufinteressenten überzeugen; die zahlreichen Präsentationen mit ihren positiven Resonanzen bleiben uns lebhaft in Erinnerung. Im nächsten Schritt loteten wir die gestalterischen Möglichkeiten aus, die wir angesichts der Auflagen des Denkmalschutzes und der Stadtplanung hatten. Wie so oft in der Architektur kommt man dabei zu ungewöhnlichen Lösungen, wie etwa das Bewahren der Erschließungsstruktur des früheren Hospitals spannende Raumdispositionen ergab. Oder die Forderung, den Individualverkehr vom öffentlichen Straßenland zu separieren, die zum Einbau eines innovativen Parksystems führte, das aus unserer Sicht Vorreiter für zukünftiges innerstädtisches Parkieren ist. Abschließend gelang es uns auch, auf der Benutzeroberfläche die hohen Ansprüche an das Material und seine Verarbeitung zu erfüllen. Sebastian Knorr, Düsseldorf
Äußerlich erscheint die Parkanlage lediglich als unauffälliger Flachbau an der Hofmauer mit zwei Ein- und Ausfahrten, zwischen denen die Fahrradständer liegen. Darin befinden sich jeweils zwei runde Drehteller mit aufgesetzten Parkpaletten. Nach dem Verlassen des Fahrzeugs wird dieses in ein unterirdisches, dreigeschossiges Regallagersystem verbracht. Auf Anforderung kommt das Auto den gleichen Weg zurück und wird aufgrund des Drehtellers in Richtung der Ausfahrt bereitgestellt.
Komfort wie in der eigene Garage: Der Concierge-Dienst lässt den Wagen aus dem unterirdischen Parksystem holen.
Von diesem vollautomatisch gesteuerten Parksystem mussten die Wohnungsinteressenten, die bislang ihre meist hochwertigen Karossen konventionell in Garagen hinterlassen hatten, erst überzeugt werden. So hatten einige unbestimmte Ängste, dass sie ihr Gefährt nicht mehr aus dem Regal zurückbekommen. Aber auch ganz konkret bewegten die potentiellen Käufer Fragen wie: Was passiert, wenn man etwas im Kofferraum vergessen hat, wo Schnee oder Öl bleiben oder ob das Warten auf das Auto nicht zu lange dauert.
Die Wartezeit von rund drei Minuten konnte schnell entkräftet werden, denn um mit dem Auto aus einer gewöhnlichen Tiefgarage herauszufahren, wird kaum weniger Zeit benötigt; um jedoch nicht untätig herumzustehen, lassen manche Bewohner inzwischen beim Verlassen der Wohnung ihren Wagen vom Concierge- Dienst anfordern. Dieser überwacht auch den Hof, so dass kein leerer und unübersichtlicher Raum betreten werden muss. Die Sicherheit gilt auch für das Fahrzeug selbst: Das Regallager kann nicht „geknackt“ werden, ohne Alarm auszulösen.
98 Stellplätze wurden elegant auf engstem Raum untergebracht.
Durch zwei Aufzüge ist gewährleistet, dass Autos parallel herausgeholt werden können und auch mindestens ein Aufzug immer als Ersatz zur Verfügung steht. Alle Flüssigkeiten, die das Fahrzeug verliert, werden über die Parkpalette sicher abgeleitet. Die Parkfächer sind für Normalfahrzeuge 1,60 Meter und für Geländewagen 2,00 Meter hoch; bei tief liegenden Sportwagen wird ein spezielles Inlay eingelegt, um ein Aufsetzen zu vermeiden.
Für den Bauherrn argumentierten die Architekten weitergehend: Eine Tiefgarage hätte mit etwa 60 Stellplätzen rund ein Drittel weniger Parkplätze geboten als die jetzt vorhandenen 98. Von Seiten der Stadt Düsseldorf war zudem gefordert worden, dass die Einfahrt innerhalb der Liegenschaft liegen müsse, um Rückstau in den öffentlichen Bereich zu unterbinden. Aufgrund des begrenzten Innenhofs wäre ohnehin nur eine unkomfortable einläufige Rampe möglich gewesen.
Durch den Verzicht auf den Einschnitt konnte der Hof gestalterisch in drei Bereiche gegliedert werden: die repräsentative Vorfahrt, die von Basalt und Blütenstauden geprägt wird; der Lichthof des unterirdischen Spa-Bereichs, in dem Schwarzer Bambus wächst, und der durch hohe Gräser und Stauden von den angrenzenden Terrassen separiert wird; als Endpunkt der Sichtachse im Osten ein Sitzplatz für alle Bewohner.
Für das gestalterisch und auch funktional diskrete Autoparksystem lagen die Kosten um etwa ein Drittel höher als die für eine Tiefgarage. Dazu kommen die Unterhaltskosten. Doch je öfter ein solches System zum Einsatz kommt, desto geläufiger werden Wartung und Überprüfung. In diesem Fall führt eine höhere Technisierung zweifelsfrei zu mehr Komfort für Bewohner und für Flaneure im öffentlichen Raum, und steht auch dem stadtgeschichtlich bedeutenden Gebäude gut zu Gesicht.
Die Autos werden von Drehtellern aus in den Wöhr Multiparker 740 gefahren.