Bauwelt

Community für ein glückliches Vierteljahrhundert

Ausstellung in Berlin über das Black Mountain College

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Fotografieunterricht mit Josef Albers, Lake Eden Campus, um 1944
    Foto: © Courtesy of Western Regional Archives, States Archives of North Carolina

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    Fotografieunterricht mit Josef Albers, Lake Eden Campus, um 1944

    Foto: © Courtesy of Western Regional Archives, States Archives of North Carolina

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    Blick in die Ausstellung
    Foto: Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, SMB/Thomas Bruns

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    Blick in die Ausstellung

    Foto: Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof, SMB/Thomas Bruns

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    Buckminster Fuller Class 1949 
    Foto: Masato Nakagawa

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    Buckminster Fuller Class 1949 

    Foto: Masato Nakagawa

Community für ein glückliches Vierteljahrhundert

Ausstellung in Berlin über das Black Mountain College

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Größen der Kunst, der Musik und des Tanzes, wie Willem de Kooning, Franz Kline, Merce Cunningham oder John Cage haben am Black Mountain College teils gelehrt, teils studiert. Auch Walter Gropius schaute vorbei, ehe er in Harvard seine Festanstellung fand. 1933 aus Protest gegen allzu rigide Verhaltensregeln des tradierten Bildungsbetriebes gegründet und mehr per Zufall in das abgelegene Örtchen in North Carolina gekommen, entwickelte sich das Black Mountain College dank der aus Europa herüberströmenden Emigranten, allen voran Josef und Anni Albers sowie Xanti Schawinsky vom gerade geschlossenen Bauhaus, zu einem Zentrum experimenteller Kultur.
Die gedankliche Leitlinie indes war ganz und gar amerikanisch. Der Philosoph des Pragmatismus John Dewey hatte mit seiner fundierten Kritik am herkömmlichen Bildungssystem den Weg gewiesen. Die Methode sollte über das Wissen, der Diskurs über das Ergebnis gehen und die Entwicklung der Persönlichkeit das entscheidende Ziel sein. „Kunst ist eine Art der Voraussage, wie sie nicht in Tabellen und Statistiken anzutreffen ist“, hatte Dewey in seinem Hauptwerk „Kunst als Erfahrung“ von 1934 geschrieben, „und sie gibt Möglichkeiten menschlicher Beziehungen zu verstehen, die nicht in Regel und Vorschrift, Ermahnung und Verwaltung anzutreffen sind.“
Das war die Leitlinie des Instituts, die sich nicht nur in den Bildern an den Wänden, sondern auch in der wilden Mischung von Büchern spiegelt, die jetzt im Hamburger Bahnhof in Berlin in den Vitrinen liegt: John Deweys „Art as Expe­rience“ neben einer Einführung in die Relativitätstheorie und einem in Leipzig veröffentlichten Bildband über „Buddhistische Plastik in Japan“. Sie werden in einer Ausstellungsarchitektur gezeigt, die das Berliner Büro raumlabor für die sogenannte Kleihues-Halle des Museums entworfen hat. In ein rechtwinkliges, diagonal in die hohe Halle gestelltes Gestänge aus schwarz gestrichenen Vierkanthölzern sind Vitrinen und Leseinseln eingelassen, die die Kargheit des gezeigten Materials angenehm auffangen. Die Geschichte des Black Mountain College – benannt nach einem kleinen Ort am See – ist in Deutschland noch nie gezeigt worden, und auch in den USA gibt es bis auf
eine allerdings magistrale Veröffentlichung 1988 nichts wirklich Greifbares. Erst im Oktober, nach der Berliner Ausstellung mit dem Titel „Black Mountain. Ein interdisziplinäres Experiment“, wird man sich in Boston dem Thema in vergleichbarer Breite widmen.
Diese Mischung aus Kunst,Wissenschaft und Selbsterfahrung spiegelt ein Experiment, das
zu den schönsten im Bereich der universitären Ausbildung zählt. Das Black Mountain College, eine Mini-Universität irgendwo im Mittleren Westen, mit nicht mehr als 1200 Studenten in seiner gesamten Existenz, hat über ein knappes Vierteljahrhundert versucht, die unterschiedlichen Wissensgebiete zusammenzuführen, zu einer künstlerisch-intellektuellen Ausbildung, wie sie offenbar nur in Sternstunden der Bildungsgeschichte möglich war. Zwar ist das College letztendlich gescheitert, am fehlenden Geld, an den Widrigkeiten des Alltags, aber es hat eine leuchtende Spur hinterlassen, ähnlich dem Bauhaus oder dem Moskauer Institut WChUTEMAS. Sich gegen die partikularen Interessen der einzelnen Kunst- und Wissenschaftszweige durchzusetzen, scheint eine der größten und letztlich unlösbaren Herausforderungen des Bildungsbetriebs gewesen zu sein.
Erstaunlich viel konnten die Kuratoren, Egon Blume und Gabriele Knapstein vom Hamburger Bahnhof, in Berliner Sammlungen ausfindig machen, vor allem in der Sammlung von Erich Marx, die im Hamburger Bahnhof zu Hause ist. Gewiss, ein Schlüsselbild wie de Koonings „Ashville“, benannt nach dem ersten Sitz des Colleges, ist nicht darunter, aber auch so wird deutlich, dass die Freiheit der unmittelbaren Nachkriegszeit, die gemeinhin mit der wilden Malerei der „New Yorker Schule“ assoziiert wird, eben auch in der beschaulichen Provinz gedeihen konnte.
Anfangs arbeitete das College in gemieteten Räumen des YMCA und musste im Sommer regelmäßig den Platz für dessen Camp räumen. Die Situation wurde unerträglich, weswegen man sich nach einem eigenen Baugelände umsah. Das fand man drei Meilen entfernt an einem kleinen See mit dem poetischen Namen Lake Eden. Auf Xanti Schawinskys Vorschlag hin wurde Gropius eingeladen, zusammen mit seinem dama­ligen Büropartner Marcel Breuer ein Gebäude zu entwerfen. Ein bisschen Bauhaus kam dabei heraus, aber bereits in der transitorischen Form zum International Style, mit seinen zwei getrennten, nicht exakt aufeinander bezogenen Gebäuden, dem einem geknickten Baukörper und der differenzierten Höhenentwicklung. 1939 lag der Entwurf vor und wurde sogar im Museum of Modern Art ausgestellt. Mit einer halben Million Dollar waren die Baukosten veranschlagt, doch gelang es nicht, die Summe aufzutreiben. Das College musste sich auf einen schlichteren Entwurf einstellen, vor allem einen, der unter Anleitung eines erfahrenen Bauleiters von den Studenten selbst ausgeführt werden konnte.
Warum dafür nicht erneut Gropius und Breuer zu Rate gezogen wurden, ist bis heute nicht klar. Vermutlich lag es daran, dass der nun beauftragte Architekt A. Lawrence Kocher, Herausgeber der Zeitschrift „Architectural Record“, anders als Gropius bereit war, zumindest für die Dauer der Bauzeit am College zu unterrichten. Architektur wurde zum Lehrfach, Anataole Kopp und Howard Dearstyne unterrichteten ebenfalls, bis mit Kochers Weggang 1944 das Fach verwaiste. Bis 1941 entstand ein langgestrecktes Gebäude, das Stu­diengebäude für 80 Studenten und 20 Dozenten, mit zwei Obergeschossen und endlos langen Fen­sterbändern, teils auf scheibenartige Stützen gestellt; Le Corbusier lässt grüßen. Später kamen kleinere Gebäude hinzu, wie das „Minimum House“ für 1000 Dollar, dann eine Mensa, die die universitäre Theatertruppe als Theater nutzte.
In den fünfziger Jahren wurde die wirtschaftliche Situation des College zunehmend schwierig. 1957 musste es schließen. Letztlich war das Institut zu klein, und der Idealismus der anfäng­lichen Macher wurde zu sehr strapaziert, um auf Dauer existieren zu können. Die Großfotos, die die Installation von raumlabor begleiten, mit dem Ehepaar Albers und Walter Gropius am See, zeigen jedenfalls eine wirkliche „community“, eine Gemeinschaft, die sich für ein glückliches Vierteljahrhundert halten konnte und ihre Fortwirkung nicht zuletzt daraus bezieht, dass sich Zeitzeugen ihrer gerne erinnern, um so lieber, je weiter ihre Geschichte zurückliegt.

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