Bauwelt

3 Die europäische Stadt ist keine kompakte Stadt. Sie ist bis heute ein räumliches Hybrid, das das soziale Gefüge in den Vordergrund stellt

Text: Bonnet, Frédéric

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    Park von Ereta über der Altstadt von Alicante: Frédéric Bonnet, Obras, 1993–2003

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    Park von Ereta über der Altstadt von Alicante: Frédéric Bonnet, Obras, 1993–2003

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    Unabhängig von der Größe der vorgeschlagenen Restrukturierung machen die Zeichnungen gemeinsame Entwurfsprinzipien deutlich ...
    Zeichnungen von Projekten für Nanterre, Saint-Amand-les-Eaux, Orly, Ors, Ruminghem, Raisemes, Wavrans-sur-l’Aa, Eppe-Sauvage u.a.: Büro Obras, Paris, Lyon

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    Unabhängig von der Größe der vorgeschlagenen Restrukturierung machen die Zeichnungen gemeinsame Entwurfsprinzipien deutlich ...

    Zeichnungen von Projekten für Nanterre, Saint-Amand-les-Eaux, Orly, Ors, Ruminghem, Raisemes, Wavrans-sur-l’Aa, Eppe-Sauvage u.a.: Büro Obras, Paris, Lyon

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    ... direkter Kontakt zum Boden, ...

    Zeichnungen von Projekten für Nanterre, Saint-Amand-les-Eaux, Orly, Ors, Ruminghem, Raisemes, Wavrans-sur-l’Aa, Eppe-Sauvage u.a.: Büro Obras, Paris, Lyon

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    Zeichnungen von Projekten für Nanterre, Saint-Amand-les-Eaux, Orly, Ors, Ruminghem, Raisemes, Wavrans-sur-l’Aa, Eppe-Sauvage u.a.: Büro Obras, Paris, Lyon

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    ... Berücksichtigung des Grünraums und der Infrastruktur, ...
    Zeichnungen von Projekten für Nanterre, Saint-Amand-les-Eaux, Orly, Ors, Ruminghem, Raisemes, Wavrans-sur-l’Aa, Eppe-Sauvage u.a.: Büro Obras, Paris, Lyon

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    ... Berücksichtigung des Grünraums und der Infrastruktur, ...

    Zeichnungen von Projekten für Nanterre, Saint-Amand-les-Eaux, Orly, Ors, Ruminghem, Raisemes, Wavrans-sur-l’Aa, Eppe-Sauvage u.a.: Büro Obras, Paris, Lyon

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    ...Integration der bestehenden Bauten.
    Zeichnungen von Projekten für Nanterre, Saint-Amand-les-Eaux, Orly, Ors, Ruminghem, Raisemes, Wavrans-sur-l’Aa, Eppe-Sauvage u.a.: Büro Obras, Paris, Lyon

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    ...Integration der bestehenden Bauten.

    Zeichnungen von Projekten für Nanterre, Saint-Amand-les-Eaux, Orly, Ors, Ruminghem, Raisemes, Wavrans-sur-l’Aa, Eppe-Sauvage u.a.: Büro Obras, Paris, Lyon

3 Die europäische Stadt ist keine kompakte Stadt. Sie ist bis heute ein räumliches Hybrid, das das soziale Gefüge in den Vordergrund stellt

Text: Bonnet, Frédéric

Gibt es das Konzept „Europäischen Stadt“ mit gemeinsamen Eigenschaften als solches überhaupt? Man kann mit einer einfachen Frage beginnen: Was haben Lissabon und Stockholm gemeinsam – zwei Hafenstädte, die sich auf den ersten Blick von Grund auf unterscheiden? Eine unbestrittene Gemeinsamkeit ist zunächst die weit zurückreichende Vergangenheit. Das Palimpsest der historischen Spuren ist eindeutiges Kennzeichen der Städte Europas, auch wenn bei genauerem Hinsehen rasch deutlich wird, dass die Urbanisierungen in Amerika oder Asien keinesfalls als aus dem Nichts hervorgebrachte Städte der kolonialen Ära zu sehen sind, sondern, wie etwa Beijing, Teheran oder Mexiko-Stadt, häufig auf eine eigenständige, jahrhundertealte Geschichte zurückblicken. Die fraglos spezifischste europäische Eigenheit der europäischen Städte ist wohl ihre eher bescheidene Größe – dazu gehört ihre Eigenschaft, Knotenpunkte eines Netzes zu sein, das sie sowohl untereinander verbindet, als auch mit ihrem jeweiligen historischen „Hinterland“ in einer besonderen Beziehung verknüpft.
Auch wenn man zunächst das Gegenteil annehmen könnte, da die historischen und kulturellen Bezügen in vielen Abhandlungen und Kommentaren den Akzent zuerst auf die Altstadt-Kerne legen: Die europäische Stadt ist keine kompakte Stadt. Zum einen liegt das an ihrer Form als in die umgebende Landschaft expandierende Stadt – man könnte auch sagen, an ihrer Eigenschaft als „diffuse Stadt“. Dies ist ein Hauptmerkmal der städtebaulichen Entwicklung seit dem Wirtschaftswachstum zwischen 1970 und 2000. Zugestanden sei hier, dass uns der Urban Sprawl nicht mit derselben Wucht getroffen hat wie etwa New Jersey. Ein weiterer Grund, der auch mit der Theorie der hiesigen Stadtgestalt zusammenhängt, liegt darin, dass die gleichmäßig sich ausbreitende „Park-Stadt“, also eine Stadt der Einzelbauten in einer landschaftlichen Fassung – im Gegensatz zu einer Stadtstruktur, die auf dem urbanen Raster bzw. räumlichen Infrastruktur basiert – unsere urbanen Lebensräume in Europa kaum wirklich geprägt hat.
Die Reiselust der Architekten sorgte immer für hybride Formen – Schinkels Konzepte hatten Auswirkungen auf die Städte des Nordens
Lange vor der Ära von akademischen Erasmus-Austauschprogrammen und Billigflügen brachte die Reiselust der Architekten – und der Architektur – hybride Formen hervor: So hatte Schinkels Vision von Berlin deutliche Auswirkungen auf die „Produktion“ von Städten in Nordeuropa. Auch diese basieren nicht nur auf einem regelmäßigen Grundraster, sondern eben auch auf einer Art inhärent mitgedachtem, intelligentem Chaos, wo Natur und die offene Horizontlinie erlebbar bleiben. Das Eingreifen italienischer Architekten an den Küsten des Mare Balticum (etwa in St. Petersburg) wandelte das Modell der Stadtvilla ab und interpretierte das Modell von Park und Garten unter den klimatischen Bedingungen des Nordens neu. In jüngerer Zeit formten die Städte im Süden ihre großen städtischen Grünräume dann nach dem Vorbild ihrer nordischen Schwestern. Lissabon steht einerseits sicher für die Gässchen der Alfama und die Restaurants des Barrio Alto, aber eben auch für den grandiosen Park am Ufer des Tejo und den weiten Horizont des Flusses bei Niedrigwasser. Daraus wird ersichtlich: Europäische Urbanität ist gemacht. Trotz der vielen Varianten bleibt sie eine Assemblage aus gegenwärtigen, immer wieder aktualisierten Versatzstücken, die solide in der Geschichte verankert sind und sich doch immer wieder austauschen.
Der öffentliche Raum der Städte wie auch deren städtebauliche Struktur umfasst heute grundsätzlich drei Ziele. Zum einen den Wunsch nach einem ebenso lebendigen wie kompakten Lebensraum, in dem die unterschiedlichen Verkehrsflüsse heute im Sinne einer „sanften Mobilität“ um-gestaltet werden. Ein zweiter wichtiger Punkt liegt in der Nähe von städtischen Einrichtungen und Services, wobei heute die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein zentrales Kriterium geworden ist. Und als Drittes ist die Erreichbarkeit von ausgedehnten Naturräumen für die Bewohner von grundlegender Bedeutung. Dank der eher maßvollen Ausdehnung unserer Städte sind diese gut eingebunden, teilweise reichen sie ja sogar bis in die Innenstädte der Hauptstädte hinein. Ich halte dies wirklich für eine hervorstechende Qualität der europäischen Stadt, dass man von jedem Punkt aus innerhalb einer Viertelstunde sowohl Natur und Freizeitaktivitäten „unter freiem Himmel“ erreichen kann; wobei diese schnelle Erreichbarkeit sehr häufig auch für die Universität, das Innenstadt-Shopping, den Bahnhof oder die Oper gilt.
Ein Contrat Social prägt die europäische Stadt
Diese Durchmischung führte zu ganz eigenen charakteristischen Stadtstrukturen, egal ob man Bologna, Malmö oder Stuttgart vor Augen hat. Heute erfolgt die Transformation der europäischen Städte einerseits über Großprojekte mit entsprechender Strahlkraft oder aber über ein sukzessives Updating städtischer Quartiere in bescheidenerem Rahmen. Im besten Fall, wie etwa in Barcelona, werden beide Strategien gleichzeitig angewandt. Vorbildliche Ergebnisse zeigt diese städtische Erneuerung dort, wo ein starker politischer Wille im Sinne der Öffentlichkeit zu handeln bereit ist. Voraussetzung ist, dass private Interessen und die Energie von Investoren, selbst wenn diese bei der Ausführung federführend bleiben, von einer klaren Idee, wie sich die Stadt entwickeln kann, in die Pflicht genommen und auf eine langfristige Perspektive ausgerichtet werden.
Dies gilt gerade auch für den ganz eigenen Contrat Social, der die europäische Stadt prägt: Die Gestalt der Stadt sollte deutlich ablesbar machen, was die Bewohner vereint und was sie miteinander teilen – und weniger das, was sie voneinander trennt. In den vergangenen dreißig Jahren haben eine ganze Reihe von Städten eine identitätsstiftende und attraktive Gestalt in der postindustriellen Ära auf der Basis eines solchen politisch definierten Selbstentwurfs neu ausgehandelt: darunter etwa Helsinki, Antwerpen, Genua und Bordeaux.
Dies geht nur mit einem bewusst justierten Gleichgewicht zwischen öffentlichen und privaten Investitionen, das dieses Ziel eines „erneuerten Gründungsgedankens“ der Stadt in den Vordergrund rückt. Motor für einen solchen Umbau können lokale politische und wirtschaftliche Kräfte sein; in vielen Fällen ging dieser Anstoß aber auch von den Förderungen der Europäischen Gemeinschaft aus (EU-Regionalfonds). Dies hat in den vergangenen drei Jahrzehnten auch eine Art Schicksalsgemeinschaft der Städte entstehen lassen – im Sinne eines kooperierenden Europas, geprägt von einer länderübergreifenden Solidarität und einem Lastenausgleich, der nicht selbstverständlich ist, sondern auf politischen Entscheidungen beruht.
Globaler Anpassungsdruck und heutige Stadtstruktur
Eine solche Stadtentwicklungspolitik hat auf lokaler Ebene dazu beigetragen, die sozio-ökonomischen Effekte der Globalisierung teilweise abzufedern, die sich in einem immer stärkeren Aufklaffen der Einkommensschere niederschlagen. Die auf Vermischung und Offenheit beruhende Struktur der europäischen Städte macht es möglich, dass mit öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen ein gewisser Ausgleich zwischen den jeweils wohlhabendsten Stadteilen und den Vierteln mit der geringsten Wirtschaftskraft geschaffen wird. Im globalen Vergleich ist die europäische Stadt nach wie vor eine hybride Stadt, die die soziale Solidarität in den Vordergrund rückt. Das ist Stadtentwurf von großer Kraft! Der augenblickliche Rückzug der öffentlichen Investitionen, der indirekt auch auf die immer höher werdende Konzentration ökonomischer Macht zurückzuführen ist, lässt für die Zukunft viele Fragen offen. Ob die besondere Idee der Stadt, wie wir sie in Europa kennen, Bestand haben wird, ist ungewiss.

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