Küchen/Möbel
Eine Kulturgeschichte des Kochens im Wiener Hofmobiliendepot
Text: Paul, Jochen, München
Küchen/Möbel
Eine Kulturgeschichte des Kochens im Wiener Hofmobiliendepot
Text: Paul, Jochen, München
Das Wiener Hofmobiliendepot erzählt die Kulturgeschichte des Kochens entlang zweier Handlungsstränge, die nicht immer synchron verliefen: dem technischen Fortschritt und dem Rollenbild der Frau. Eine offenen Feuerstelle steht am Beginn der Ausstellung „Küchen/Möbel“. Jahrtausendelang tat sich in der Entwicklung des Kochens und Heizens erstaunlich wenig: Zwar wanderte die Feuerstelle ins Innere des Hauses und vom Boden auf Stehhöhe, aber bis Anfang des 19. Jahrhunderts war die multifunktionale „Rauchküche“ auch in Stadtwohnungen Standard. Das änderte sich erst mit der Entwicklung und Serienfertigung geschlossener Kochherde – zunächst für Holz- und Kohlebetrieb, nach Einführung der kommunalen Infrastruktur auch für Gas- und Strombetrieb.
Um 1900 weckte die nunmehr rauch- und rußfreie Küche das gestalterische Interesse von Architekten: In der Ausstellung zu sehen sind Josef Hoffmanns Küchenmöbel für die Wohnung von Dr. Hugo Koller und die von Peter Behrens nach dem Vorbild seines Hauses auf der Darmstädter Mathildenhöhe gestaltete Kücheneinrichtung für die Nürnberger Unternehmerfamilie Reif.
Während in der Küche, die Margarete Schütte-Lihotzky für das Wiener Siedlungsamt entwarf (1923), noch gekocht, gegessen und gewohnt werden sollte, plante sie ihre weitaus berühmter gewordene „Frankfurter Küche“ (1927) als monofunktionalen Arbeitsraum: Die Erkenntnisse des Taylorismus sollten der berufstätigen Frau möglichst rationale, zeit- und kraftsparende Abläufe ermöglichen.
Nach 1945 setzte die mit elektrischen Kühlschränken und Küchenmaschinen ausgestattete Einbauküche nach amerikanischem Vorbild ihren Siegeszug fort, das Rollenverständnis hatte sich aber gegenüber den 20er Jahren radikal geändert: Für die Frau bedeutete die Rückkehr der aus dem Krieg heimkommenden Männer in die Wiederaufbaugesellschaft das Zurück an den Herd. Sie hatte nun vor allem wieder Hausfrau und Mutter zu sein, die ihren ganzen Stolz in einer modernen Küche sah.
Gegen die Einbauküche als „Rollengefängnis“ der Hausfrau wandte sich Otl Aicher mit seiner 1982 für Bulthaup entwickelten Studie „Die Küche zum Kochen. Das Ende einer Architekturdoktrin“. Wichtigstes Element seines Küchenprogramms „system b“ war ein großer Arbeitstisch. Damit wurde die Küche wieder zum zentralen Raum der Wohnung, gleichzeitig aber auch zum gesellschaftlichen Statussymbol. Heute, im Zeitalter des „convenience food“, ist je nach sozioökonomischer Zugehörigkeit die Mikrowelle oder der Kombinations-Dampfgarer das wichtigste Gerät.
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