Bauwelt

Renaissance der Großsiedlung?

Im Herbst lud der Berliner Architekturpreis zur Diskussion über Großsiedlungen. Zwei der beliebtesten Streitfragen: Erfordert der Wohnungsmarkt den Bau neuer Siedlungen? Und: Dürfen wir die alten nachverdichten?

Text: Hildebrand Machleidt, Reiner Nagel, Stefanie Frensch, Bernd Hunger, Ursula Flecken, Regula Lüscher

Renaissance der Großsiedlung?

Im Herbst lud der Berliner Architekturpreis zur Diskussion über Großsiedlungen. Zwei der beliebtesten Streitfragen: Erfordert der Wohnungsmarkt den Bau neuer Siedlungen? Und: Dürfen wir die alten nachverdichten?

Text: Hildebrand Machleidt, Reiner Nagel, Stefanie Frensch, Bernd Hunger, Ursula Flecken, Regula Lüscher

Wir haben das Problem, dass Nachverdichtung in der Stadt für viele Anwohner ein Tabu ist. Wenn wir deswegen aber an die Peripherie gehen, haben wir die Erbsünde wieder auf dem Tisch. Schlafstädte, die wir raus aufs Land hauen, mit teurer, endloser Infrastruktur.
Hildebrand Machleidt
Können wir Großwohnsiedlungen wirklich kostengünstiger errichten, wenn wir an die Vollkosten denken, an Nachbesserungen der Gebäude und des Freiraums?
Reiner Nagel
Mein Ansatz ist, dafür zu sorgen, dass auch Menschen mit einem mittleren bis gehobenen Einkommen gerne in die Großsiedlung ziehen, damit wir eine soziale Mischung erreichen. Wir müssen die Großsiedlungen auch für diese Klientel attraktiv machen.
Stefanie Frensch
Manche Siedlungen sind entworfen wie ein Gesamtkunstwerk. Das Märkische Viertel ist das beste Beispiel: eine Gebirgslandschaft, eine große Skulptur, von drei der besten Berliner Architekten. Diese Städte können nicht weiterwachsen. Wenn wir es versuchen, dann merken wir, wie schwer es ist, Raumgefüge weiterzuentwickeln.
Hildebrand Machleidt
Was soll die Aufregung? Die Dinger sind da, und die Stadt besteht nun mal aus unterschiedlichen Milieus und Wohnformen!
Bernd Hunger
Wir haben in Berlin-Hohenschönhausen über 30.000 Wohnungen. Da kann man nicht davon reden, dass Urbanität dort nichts verloren hat. Das ist eine Stadt. Da ist Zentralität und Funktionsmischung essentiell!
Stefanie Frensch
Die Großsiedlung ist kein Modell für die Zukunft. Industrielle Vorfertigung der Bauteile schon.
Reiner Nagel
Sozialer und preiswerter Wohnungsbau ist in Großsiedlungen nun mal einfacher möglich als in der kleinen Parzelle der Innenstadt.
Ursula Flecken
Die Großsiedlung ist da – und wir müssen mit ihr arbeiten. Unsere Großsiedlungen haben einen Leerstand von 0,7 Prozent, die Wartelisten werden länger. Daraus zu schließen, die Großsiedlung sei eine Bauform für die Zukunft, halte ich für fragwürdig.
Stefanie Frensch
Wir Planer und Architekten hatten in den 90er Jahren noch naive Vorstellungen vom Funktionsmischen. Heute haben wir erkannt: Wir hatten Träume, die zu diesem Typus, zu dieser freien Landschaft der Großwohnsiedlungen einfach nicht passen.
Bernd Hunger
Wir brauchen eine Mischung der Typologien und eine Mischung der Bauakteure. Eine monofunktionale Bauherrschaft produziert schließlich monofunktionale Siedlungen.
Regula Lüscher

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