Schotten dicht
Benedikt Crone sehnt sich vom heimeligen Schreibtisch einmal um die Welt – und zurück
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Schotten dicht
Benedikt Crone sehnt sich vom heimeligen Schreibtisch einmal um die Welt – und zurück
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Da sind wir nun, dümpeln im Homeoffice, machen die Schotten dicht und warten, dass der Sturm sich legt. Statt ins Bullauge starren wir auf den Laptop und verfolgen den Strom an E-Mails auf wichtige Flaschenpost. Tröpfchenweise dringen noch Spam-Nachrichten zu uns durch. Aber auch sie sind weniger geworden. In diesen außergewöhnlichen Tagen feiert die Welt wieder die schützende Funktion des Schließens. Türen zu, Handschuh über, Mundschutz auf, Jalousien runter, Läden dicht. Alles Offene und Grenzenlose scheint dubios. Bürolandschaften wirken wie geräumte Minenfelder. Fahrstühle, Treppenhäuser, Bahnhöfe und andere halböffentliche Räume – verdächtig still. Architektur zeigt sich nun von ihrer archaischen und unromantischen Seite, die Architekten selten in ihrer Projektprosa besingen: Sie bietet Schutz, erzwingt Abstand, sie exkludiert. Bitte bleiben Sie zuhause.
Als sich der Mensch in den aufrechten Gang aufraffte, um seinen Blick über die Savanne schweifen zu lassen, muss er einen kräftigen Adrenalinschub erlebt haben. Sicher lockten ihn die Verheißungen der Weite – gleichzeitig ängstigte ihn das Grenzenlose. Er suchte Schutz, sprang auf den nächsten Baum, verkroch sich in Höhlen, rollte sich in Tierfell, Moos und Laubdecken. Als das nichts half, umzäunte er sich mit Mauerwerk und Betonwänden, legte noch eine Schicht Wärmedämmverbundsystem drauf und gönnte sich dreifachverglaste Fenster, durch die er Feinde zu erkennen hoffte. In diesem Konstrukt sitzen wir nun – und wähnen uns in Sicherheit.
Wenn jedoch längere Zeit wieder keine E-Mail vorbeigezogen ist, kein Anruf uns erreicht, keine Menschenseele mit uns spricht, lassen wir unseren Blick durchs Bullauge in die Ferne schweifen, in der Hoffnung es sei Land in Sicht. Ein Land, in dem noch ungeahnte Abenteuer auf uns warten, und in das wir vollen Mutes aufbrechen werden. Zumindest bis der nächste Sturm aufzieht.
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