Wie sah Palladio aus?
Im Palladio-Museum in Vicenza kann man sich auf eine spannende Suche nach dem Gesicht des Architekten begeben
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Wie sah Palladio aus?
Im Palladio-Museum in Vicenza kann man sich auf eine spannende Suche nach dem Gesicht des Architekten begeben
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Man kennt die Architekten der Renaissance. Tizian hat 1537 Giulio Romano gemalt, Piero di Cosimo bereits ein halbes Jahrhundert früher Guiliano da Sangallo. Gegen Ende der Renaissance hat Paolo Veronese Vincenzo Scamozzi dargestellt, der ein Kapitell in Händen hält und der die Rocca Pisani entworfen hat, eine Villa nach dem Vorbild der Villa Rotonda von Andrea Palladio.
Palladio? Ausgerechnet von ihm, dem berühmtesten Architekten der Renaissance, geboren 1508 in Padua und gestorben 1580 in Vicenza, besitzen wir kein gültiges Konterfei. Alle bekannten Bildnisse sind spätere Erfindungen. Man brauchte ja ein Bild, um sich ein Bild machen zu können von dem bewunderten Meister, der in wiederkehrenden Wellen rezipiert und zum Vorbild erkoren wurde. Von ihm ist insbesondere kein Selbstbildnis bekannt, was die sicherste Quelle wäre; nichts als seine linke Hand hat er einmal gezeichnet, auf einer undatierbaren Entwurfszeichnung für das Rathaus in Brescia.
Als kostbare Leihgabe aus dem Londoner RIBA ist das Blatt derzeit in Vicenza zu sehen, wo das Palladio-Museum die Ausstellung „Andrea Palladio. Das Geheimnis des Gesichts“ zeigt, eine spannende und bisweilen erheiternde, jedenfalls kriminalistische Suche nach Palladios Antlitz. Das klingt nach einem Randthema – haben die in Vicenza nichts mehr zu seinen Bauten zu forschen? Es erweist sich aber tatsächlich als eine Architekturgeschichte eigener Art. Denn die wunderbaren Bücher, die hier in Vitrinen aufgeschlagen liegen, und die Bildnisse, die die Wän-de zieren, weisen einen Weg bis in die Gegenwart. Erst 2014 nämlich tauchte ein kleinformatiges Gemälde bei einem Antiquitätenhändler in den USA auf, das nun, nach aller forensischen Untersuchung, tatsächlich das gesuchte wahre Bildnis des Baumeisters sein dürfte. Der stammte aus einfachen Verhältnissen und gelangte nie zu jenem sozialen Status, bei dem Porträtgemälde zum guten Ton gehörten. Doch der Reihe nach.
Da liegt die Erstausgabe 1570 seiner „Quattro Libri dell’Architettura“, dem folgenreichsten Lehrbuch der Baukunst, weil es Bauten und Entwürfe erstmals als Bauanleitung beschreibt. Normalerweise wäre einem solch anspruchsvollen Buch ein Bildnis des Autors beigegeben worden, aber das fehlt hier; nur der Name des Verlegers ist vermerkt. Doch Giorgio Vasari, dessen Künstlerviten die wichtigste Quelle für die Biografien der Maler, Bildhauer und Architekten der italienischen Renaissance bilden, erwähnt in der zweiten Auflage von 1568 ein Porträt Palladios von einem Orlando Flacco, mit dem dieser in der Tat zusammengearbeitet hat. Aufregender noch ist das Nachlassinventar des deutschen, 1603 in Rom verstorbenen Juweliers Hans Jacob König, das ein Bildnis Palladios von keinem Geringeren als Jacopo Tintoretto aufführt. Von dem Gemälde hat sich indes nicht die kleinste Spur erhalten.
Erst in England, wo Palladio durch Inigo Jones seine eigene Renaissance erlebt, werden seine „Quattro Libri“ mit einem Frontispiz versehen: Da trägt der vermeintliche Palladio ein Barett und keinen Bart. Das Bild, genauer der verwendete Stich stammt von Sebastiano Ricci – und wirkte seinerseits schulbildend. So hat das Museum erst vor wenigen Jahren ein anonymes Gemälde aus dem Auktionshandel erwerben können, das auf den Ricci-Stich zurückgeht. So setzt sich das fort. Der Mangel an einem authentischen Por-trät treibt Blüten. Ein Bildnis von Bernardino Licino kommt ins Spiel, eines mit Pelzmantel und teurem Fingerring als Angehörigen der Oberschicht ausgewiesenen Mannes, der zugleich Attribute des Architektenberufs in der Hand hält, datiert aufs Jahr 1541 mit der Altersangabe von 23 Jahren – nur war der reale Palladio da bereits 33. Und die Aufschrift „Andreas Paladio“ erweist sich – schon bei genauem Hinschauen – als nachträglich.
So geht das durch die Jahrhunderte. Die wah-re Überraschung kommt erst: In einem Buch über das „Teatro Olimpico“ aus Padua 1733 findet sich ein Stich, Palladio darstellend und so bezeichnet. Der Stich wiederum folgt einem Gemälde, das sich im Besitz der Familie Capra befand, deren Ahnherr Mario Capra der Bauherr eben der berühmten Villa Rotonda war. Irgendwann nach 1923 gelangte das Gemälde in den Besitz eines der vehementesten Neo-Palladianer überhaupt, Iwan Scholtowski. Der Absolvent der Petersburger Akademie war bekanntlich der Wegbereiter des Stalin-Neoklassizismus, man denke an sein mit kolossaler Säulenordnung versehenes Haus in Moskau von 1934. Zwei Jahre darauf veröffentlichte Scholtowski die „Quattro Libri“ in eigener Übersetzung auf Russisch. Scholtowski, dessen Atelier sich in einer von den Bolschewiki geschlossenen Kirche befand, bau-
te sich mit besagtem Gemälde eine Art „Palladio-Altar“, von dem ein Foto zeugt. Aus einer ungenannten Moskauer Privatsammlung kehrt das Gemälde nun in seinen Ursprungsort zurück.
te sich mit besagtem Gemälde eine Art „Palladio-Altar“, von dem ein Foto zeugt. Aus einer ungenannten Moskauer Privatsammlung kehrt das Gemälde nun in seinen Ursprungsort zurück.
So ist die Vicentiner Ausstellung ein großes intellektuelles Vergnügen, begleitet von einem wie stets im Hause klugen und erkenntnisreichen Katalog. Scamozzi, der architektonisch das Erbe Palladios antrat, hat seinem eigenen Lehrbuch, „L’Idea della Architettura Universale“, 1615 selbstverständlich ein eigenes Bildnis beigegeben.
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