Bauwelt

Zukunft Einfamilienhaus

Keine neuen Einfamilienhaus-Siedlungen mehr zu bauen, wäre sinnvoll. Realistisch ist es derzeit nicht. Eine Gruppe Schweizer Architekten hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Unvermeidliche zumindest besser zu machen. Die folgenden Seiten zeigen eine Auswahl ihrer Vorschläge für das „nachhaltige“ Einfamilienhaus der Zukunft. Dieses kann im Cluster liegen, auf der Industriebrache – oder auch mal in der Anflugschneise.

Text: Bosshard, Max; Kurath, Stefan; Luchsinger, Christoph; Primas, Urs; Weiss, Tom

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    Zeichnung: "Zukunft Einfamilienhaus?"

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    Zeichnung: "Zukunft Einfamilienhaus?"

Zukunft Einfamilienhaus

Keine neuen Einfamilienhaus-Siedlungen mehr zu bauen, wäre sinnvoll. Realistisch ist es derzeit nicht. Eine Gruppe Schweizer Architekten hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Unvermeidliche zumindest besser zu machen. Die folgenden Seiten zeigen eine Auswahl ihrer Vorschläge für das „nachhaltige“ Einfamilienhaus der Zukunft. Dieses kann im Cluster liegen, auf der Industriebrache – oder auch mal in der Anflugschneise.

Text: Bosshard, Max; Kurath, Stefan; Luchsinger, Christoph; Primas, Urs; Weiss, Tom

„Man kann der schlichten Meinung sein, dass die Dinge sich eben entwickeln, wie sie sich halt entwickeln müssen, und dass, wenn das Schicksal es eben will, die Schweiz sich mit einem Pelz von Kleinhaus-Siedlungen gänzlich überziehen muss. Dieser Meinung sind wir nicht.“ Dies schrieben Lucius Burckhardt, Max Frisch und Markus Kutter 1955 in achtung: die Schweiz. 50 Jahre später wiederholt Benedikt Loderer die Diagnose: „Die Schweiz leidet an der Hüslipest.“ Die Medikamente der Planer scheinen gegen die Zersiedelung und damit gegen das Einfamilienhaus, das nach wie vor als deren Motor angesehen wird, nicht zu wirken.
Der Begriff „Zersiedelung“ verweist bereits auf die Sichtweise: Planer, Naturwissenschaftler, Landwirte und Landschaftsschützer monieren mit ihm, dass die Grenzen von Stadt und Land verwischen, Boden und naturnahe Lebensräume verloren gehen, die Biodiversität gefährdet ist und Kulturlandschaften banalisiert werden. Ihre Kritik an dieser Entwicklung suggeriert zugleich, dass sie eingedämmt werden könnte, indem man ihre vermeintlichen Triebfedern stoppt. Die Bodenpreise, die kommunale Planungshoheit, die Konsum- und Freizeitgewohnheiten, der Pendlerverkehr, der zunehmende Wohnflächenbedarf, der Wunsch nach Mobilität oder Wohnen im Grünen müssten substanziell infrage gestellt werden – nur so könne das Problem gelöst werden. Doch gibt es wirklich diesen vermeintlich einfachen Ausweg? Wahrscheinlicher ist, dass die Mehrheit der Menschen spätestens dann keine Diskussion mehr führen will, wenn grundlegende gesellschaftliche Errungenschaften und gleichzeitig persönliche Grundrechte tangiert werden.
Heutige Stadtlandschaften sind das Resultat von Aushandlungsprozessen zwischen unterschiedlichsten Akteuren und Akteursnetzwerken. So sind Einfamilienhaus-Siedlungen nicht eine Folge von Wohlstand, Wohnvorstellungen oder zunehmender Mobilität, sondern Resultat einer Vielzahl von Interessensverknüpfungen zwischen Bauinteressierten, Grundbesitzern, Banken, Staat, Politikern und Verwaltung, Planern und Architekten, Bauindustrie, Automobilwirtschaft etc. Will Planung in diesem Kontext etwas verändern, muss sie sich der Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Raumentwicklung bewusst werden – und damit auch die vorherrschenden, von gesellschaftlichen Realitäten losgelösten Stadtvorstellungen kritisch beleuchten. Nur so wird es möglich sein, dem Phänomen Einfamilienhaus-Siedlung mit Handlungstheorien zu begegnen, die nicht an Unterkomplexität leiden.
Dieser Ansatz, mit dem wir uns in den letzten Jahren dem großen, ungelösten städtebaulichen Problem Einfamilienhaus annehmen, garantiert uns fortlaufend hitzige Debatten mit Fachkollegen. Sich ernsthaft mit dem Einfamilienhaus auseinanderzusetzen heißt jedoch nicht, dem Umstand fehlender Nachhaltigkeit keine Rechnung zu tragen. Im Gegenteil: Es ist unser ausdrückliches Ziel, Strategien zur nachhaltigeren Entwicklung von Einfamilienhaus-Siedlungen und deren Qualifizierung aufzuzeigen. Klipp und klar: Wir wollen nicht die Diagnose korrigieren, sondern die Vorgehensweise infrage stellen. Da wir davon ausgehen, dass das Einfamilienhaus innerhalb gesellschaftlicher Rahmenbedingungen weit tiefer verankert ist als an­genommen, stellen wir hier nicht die Frage: Einfamilienhaus – ja oder nein?, sondern: Welches ist die „nachhaltigere“ Zukunft des Einfamilienhauses?
Die folgenden Szenarien zeigen, wie sich eine nachhaltige Entwicklung von Einfamilienhaus-Siedlungen räumlich-qualifizierend abzeichnen könnte. Sie sind alle in einer konkreten räumlichen und gesellschaftlichen Situation verortet und thematisieren verschiedene Potenziale von Einfamilienhaus-Siedlungen, die heute noch nicht ausgeschöpft werden. Sie zeigen auf, wie es einem strategisch ausgerichteten Städtebau gelingen kann, die Diskrepanz zwischen normativen Zielvorstellungen der Disziplin Architektur und Städtebau und der Alltagsrealität zu reduzieren. Ihre Bild- und Planwelten möglicher Zukünfte sollen in erster Linie zum Nachdenken anregen. Nicht alle Szenarien werden die richtigen Antworten für die Stadt von morgen liefern. Sie helfen aber, die richtigen Fragen danach zu stellen.

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