Bauwelt

Die Welt zeichnen

Leonardo da Vincis Kosmos in Mailand

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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    Frauenkopf (ca. 1490), 179 x 168 mm, Musée du Louvre Paris

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    Madonna mit Kind, die heilige Anna und ein Engel (ca. 1500), 122 x 100 mm, Galleria dell’Accademia,
    Venedig

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    Madonna mit Kind, die heilige Anna und ein Engel (ca. 1500), 122 x 100 mm, Galleria dell’Accademia,
    Venedig

Die Welt zeichnen

Leonardo da Vincis Kosmos in Mailand

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Leonardo da Vinci – in die Welt dieses genialen Künstlers, der sich auch der Wissenschaft verschrieben hatte, lässt sich aktuell in Mailand eintauchen, in der gedämpften Atmosphäre des Palazzo Reale, wo zum Schutz der Zeichnungen die Leuchten gedimmt sind und das Licht jenseits der Bilder von den in mattem Blau gestrichenen Wänden absorbiert wird. Selbst das Mobiliar ist aus transparentem Kunststoff, nichts soll von dem Werk des Universalgenies ablenken. In den dämmrig diffusen Räumen treten nur die Zeichnungen und Bilder hervor.
Die Ausstellung ist in zwölf Abschnitte gegliedert, wobei der erste die konzeptionelle Basis bildet: Zeichnen als Grundstock. Die nunmehr um die 500 Jahre alten Grafiken wechseln zwischen Skizzen, auf denen mehrere Themen unvermittelt nebeneinander stehen, und Studien, hier vor allem die Aufzeichnungen der anato-mischen Untersuchungen. Das Trägermaterial strahlt eine eigene, zerbrechliche Schönheit des Alterns aus.
Der vitruvianische Mensch, die am häufigsten publizierte Zeichnung Leonardos, steht im Mittelpunkt des Abschnitts „Im Dialog mit der Antike“. In der Vergrößerung offenbart sich die gleichzeitige Einschreibung des Menschen in Kreis und Quadrat, wie sie von Vitruv beschrieben worden war, erneut als eine elegante Interpretation. Anders als seine Zeitgenossen, die sich ebenfalls mit der Proportionslehre des antiken Architekten beschäftigten, ging Leonardo nicht von einem gemeinsamen Mittelpunkt der beiden geometrischen Figuren aus; seinen an jungen Männern ermittelten anatomischen Kenntnissen folgend, legte er nur den Mittelpunkt des Kreises auf den Nabel, den des Quadrats jedoch in den Schritt.
Unentwegter Forscher
In der Renaissance galt Gelehrsamkeit als ein hohes Gut. Auch Leonardo meinte, „dass Malerei mit Naturphilosophie zu tun hat, dass sie wirklich eine Wissenschaft ist“. Er vertrat die Ansicht, dass ein Maler zunächst ernsthaft forschen müsse, um auf diesen Ergebnissen sein Handwerk zu gründen. Er selbst führte stets verschiedene, „Codex“ genannte Notizbücher, von denen Blätter, aus dem Codex Atlanticus (Biblioteca Ambrosiana, Mailand) oder dem Codex Arundel (British Library, London), präsentiert werden.
Neben anatomischen Studien konstruierte Leonardo uns heute grobschlächtig erscheinende Apparate, um verschiedene mechanische Getriebe zu untersuchen. In jüngerer Zeit wurden einige dieser „Maschinen“ nachgebaut; im Abschnitt „Erfindung und Mechanik“ sind zwei zu sehen, ein selbstangetriebener Karren und eine Maschine zur mechanischen Goldgewinnung. In „Realität und Utopie“ werden architektonische Studien zum Festungsbau und zur Stadtanlage gezeigt.
Das Faszinierende an Leonardos Arbeiten ist der unerschöpfliche Wille, der aus ihnen spricht, sich mittels Zeichnens ein Verständnis der Welt zu erarbeiten. Obwohl er schon früh als Künstler und Wissenschaftler gefeiert wurde, über entsprechende Bezüge verfügte und viele Schüler hatte, betrieb er unentwegt sachliche Forschung. Insofern ist die Würdigung dieses Universalgelehrten ein kongenialer Auftakt für die diesjährige EXPO in Mailand, auch als Mahnung, sich in der heutigen bilderreichen Welt weiterhin dem wortwörtlichen Begreifen zu widmen.
Fakten
Architekten da Vinci, Leonardo (1452-1519)
aus Bauwelt 19.2015
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