Real Surreal
Fotografie zwischen Neuem Sehen und Surrealismus im Kunstmuseum Wolfsburg
Text: Brosowsky. Bettina Maria, Braunschweig
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Genia Rubin: Lisa Fonssagrives. Robe: Alix (Madame Grès), 1937 (Silbergelatinepapier, 30,3 x 21,5 cm)
Foto: Christian P. Schmieder / Sammlung Siegert, München; © Sheherazade Ter-Abramoff, Paris
Genia Rubin: Lisa Fonssagrives. Robe: Alix (Madame Grès), 1937 (Silbergelatinepapier, 30,3 x 21,5 cm)
Foto: Christian P. Schmieder / Sammlung Siegert, München; © Sheherazade Ter-Abramoff, Paris
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Atelier Manassé: Mein Vogerl, um 1928 (Silbergelatinepapier, 21 x 16 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © IMAGNO/Austrian Archives
Atelier Manassé: Mein Vogerl, um 1928 (Silbergelatinepapier, 21 x 16 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © IMAGNO/Austrian Archives
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Herbert Bayer: Selbstporträt,1932 (Fotomontage, Silbergelatinepapier, 35,3 x 27,9 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Herbert Bayer: Selbstporträt,1932 (Fotomontage, Silbergelatinepapier, 35,3 x 27,9 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
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Herbert Bayer: Einsamer Großstädter, 1932/1969 (Fotomontage, Silbergelatinepapier, 35,3 x 28 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Herbert Bayer: Einsamer Großstädter, 1932/1969 (Fotomontage, Silbergelatinepapier, 35,3 x 28 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
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Hans Bellmer: Die Puppe, 1935 (Silbergelatinepapier, 17,4 x 17,9 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Hans Bellmer: Die Puppe, 1935 (Silbergelatinepapier, 17,4 x 17,9 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
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Brassaï: Gelegenheitsmagie (Keimende Kartoffel), 1931 (Silbergelatinepapier, 28,8 x 23 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © ESTATE BRASSAÏ – RMN
Brassaï: Gelegenheitsmagie (Keimende Kartoffel), 1931 (Silbergelatinepapier, 28,8 x 23 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © ESTATE BRASSAÏ – RMN
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František Drtikol: Kreissegment [Bogen], 1928 (Pigmentdruck, 21,3 x 28,7 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © František Drtikol - heirs, 2014
František Drtikol: Kreissegment [Bogen], 1928 (Pigmentdruck, 21,3 x 28,7 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © František Drtikol - heirs, 2014
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Florence Henri: Porträtkomposition (Erica Brausen), 1931 (Silbergelatinepapier, 39,9 x 29 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Galleria Martini & Ronchetti, Genova, Italy
Florence Henri: Porträtkomposition (Erica Brausen), 1931 (Silbergelatinepapier, 39,9 x 29 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Galleria Martini & Ronchetti, Genova, Italy
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Man Ray: Elektrizität, 1931 (Fotogravur, 26 x 20,6 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Man Ray Trust, Paris/ VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Man Ray: Elektrizität, 1931 (Fotogravur, 26 x 20,6 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Man Ray Trust, Paris/ VG Bild-Kunst, Bonn 2014
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Man Ray: Rayographie (Spirale), 1923 (Fotogramm, Silbergelatinepapier, 26,6 x 21,4 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Man Ray Trust, Paris/ VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Man Ray: Rayographie (Spirale), 1923 (Fotogramm, Silbergelatinepapier, 26,6 x 21,4 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Man Ray Trust, Paris/ VG Bild-Kunst, Bonn 2014
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Grete Stern: Das Ewige Auge, um 1950 (Fotomontage, Silbergelatinepapier, 39,5 x 39,5 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Estate of Grete Stern Courtesy Galería Jorge Mara − La Ruche, Buenos Aires, 2014
Grete Stern: Das Ewige Auge, um 1950 (Fotomontage, Silbergelatinepapier, 39,5 x 39,5 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Estate of Grete Stern Courtesy Galería Jorge Mara − La Ruche, Buenos Aires, 2014
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Josef Sudek: Gipskopf, um 1947 (Silbergelatinepapier, 23,5 x 17,5 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Estate of Josef Sudek
Josef Sudek: Gipskopf, um 1947 (Silbergelatinepapier, 23,5 x 17,5 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Estate of Josef Sudek
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Albert Renger-Patzsch: Selbstporträt,1926/27 (Silbergelatinepapier, 16,9 × 22,8 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann und Jürgen Wilde / VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Albert Renger-Patzsch: Selbstporträt,1926/27 (Silbergelatinepapier, 16,9 × 22,8 cm)
Foto: Christian P. Schmieder, München; © Albert Renger-Patzsch Archiv / Ann und Jürgen Wilde / VG Bild-Kunst, Bonn 2014
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Eine ausführliche Besprechung von "RealSurreal. Meisterwerke der Avantgarde-Fotografie. Das Neue Sehen 1920 – 1950. Sammlung Siegert" erscheint in Heft 7. Die Ausstellung ist bis zum 6. April im Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen.
Foto: Marek Kruszewski
Eine ausführliche Besprechung von "RealSurreal. Meisterwerke der Avantgarde-Fotografie. Das Neue Sehen 1920 – 1950. Sammlung Siegert" erscheint in
Heft 7. Die Ausstellung ist bis zum 6. April im Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen.
Foto: Marek Kruszewski
Real Surreal
Fotografie zwischen Neuem Sehen und Surrealismus im Kunstmuseum Wolfsburg
Text: Brosowsky. Bettina Maria, Braunschweig
Der 19. August 1839 gilt als Geburtstag der Fotografie. Damals stellte der französische Maler Louis Jaques Mandé Daguerre sein Bildgebungssystem vor, das aus einer Kamera, einer lichtempfindlichen Platte und einem chemischen Verfahren bestand, das die Platte in ein fotografisches Positiv verwandelte. Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt aus Anlass des 175. Jubiläums in einem sorgfältig komponierten Parcours rund 200 fotografische Meisterwerke aus der Sammlung Dietmar Siegert. Sie konzentrieren sich auf den Zeitraum nach dem Ersten Weltkrieg bis 1950. Ihre Autoren fühlten sich alle einer neuartigen, interpretierenden Sichtweise zwischen dem technisch forcierten Bildergebnis und der surrealen Übersteigerung verpflichtet.
Im Prolog erinnert die Ausstellung mit zehn raren Abzügen an die Wurzeln in der frühen Fotografie im 19. Jahrhundert. Dokumentierten David Octavius Hill und Robert Adamson um 1844 die eingerüstete Baustelle des Scott-Monuments in Edinburgh in naturalistischer Neutralität, so hauchte Eugène Atget um 1900 seinen Fotos bereits eine übernatürliche Magie ein: Leere Straßen und Parks im alten Paris wirken im Morgengrauen wie Schauplätze aus Kriminalromanen, einzelne, sich rasch bewegende Personen verschwimmen darin zu geisterhaftem Nebel. Atget wurde so, wohl gegen seine eigene Auffassung, zum Urvater des Surrealismus; er bildet die ästhetische Klammer in der Ausstellung.
Die Schau teilt sich in drei Kapitel. Das erste widmet sich dem „Neuen Sehen“ in Deutschland. Die Milieustudien und Porträts von August Sander (1876–1964) zählen dazu, die gewerbliche Modefotografie von Yva aus Berlin (Else Ernestine Neuländer-Simon, 1900–1942), aber auch die Collagen, wie sie am Bauhaus Lázló Moholy-Nagy (1895–1946) oder Herbert Bayer (1900–1985) pflegten. Alle vertrauten auf den Fotoapparat, der die Wahrnehmung des Auges vervollständigt, der, so Moholy-Nagy, das „rein optische Bild“ liefere – mitsamt seinen Verzerrungen und Verkürzungen. Bemerkenswert ist die Zahl der weiblichen Autoren: Für Aenne Biermann, Lotte Jacobi, Florence Henri oder Germaine Krull war das nicht mit einer langen Bildtradition belastete Medium das zeittypische Betätigungsfeld einer aufstrebenden Künstlerinnengeneration.
Das zweite Kapitel umfasst die surrealistische Fotografie in Paris. Dort suchte man im Abbild das Traumhafte, Mystische, Widersprüchliche unter der Oberfläche der Dinge. Brassaï (Gyula Halász, 1899–1984) erkundete das nächtliche Paris. Sein eingerüsteter Turm von Saint-Jacques ist motivisch dem Scott-Monument von Hill & Adamson verwandt, aber in monumentalisierender Perspektive vor tiefschwarzem Himmel freigestellt. „Nichts ist surrealer als die Realität“, so Brassaï. Die reflektierenden Großstadt-Schaufenster von Atget finden sich in einem Foto von Maya Deren (1917–1961) wieder, nur spiegelt sich nun André Breton, der Chef-Theoretiker der surrealistischen Bewegung, in einer Auslagengestaltung von Marcel Duchamp.
Das dritte Kapitel ist eine echte Entdeckung des Sammlers Siegert: die tschechische Avantgarde. Mit der staatlichen Unabhängigkeit 1918 fiel den Künstlern die nationale Verortung innerhalb der europäischen Kultur zu. Man orientierte sich international, pflegte aber rund um den Theoretiker, Kritiker und Künstler Karel Teige (1900–1951) und die Künstlergruppe Devětsil auch einen spezifisch tschechischen Mystizismus auf psychoanalytischer Basis. Die ars combinatoria des Surrealismus fiel in der Gestaltung von Publikationen und der komplexen Foto-Collage, dem „Bildgedicht“ unbekannter Autoren, auf fruchtbaren Boden. Gleichberechtigt praktizierte Jaromír Funke (1896–1945) die Architekturfotografie in wesentlich radikalerem dynamischem Bildaufbau als zeitgleich das Bauhaus.
Die Ausstellung wird ergänzt durch Filmbeispiele (Jean Cocteau, Moholy-Nagy) sowie aktuelle Fotografie aus der Sammlung des Kunstmuseums. Dem Haus gelingt ein pointiertes Schlaglicht auf das technische Medium und die vergleichsweise junge künstlerische Sparte, die das Bildnis aus dem akademischen Kontext befreite und eine demokratische Kunstform ermöglichte.
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