Walter, Gunter und Martin
Walter Henn baute in den 60er Jahren das Osram-Verwaltungsgebäude in München. Es wurde im Juli abgerissen, um Platz zu schaffen für das Wohnprojekt de luxe „Living Isar“. Gunter Henn baute 2004 das Projekthaus für BMW mit einem Glashaus im Atrium. Martin Henn realisierte in diesem Jahr das Merck Innovation Center in Darmstadt als Multispace für Projektgruppen. Drei Konzepte der flexiblen Öffnung im Bürobau.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Walter, Gunter und Martin
Walter Henn baute in den 60er Jahren das Osram-Verwaltungsgebäude in München. Es wurde im Juli abgerissen, um Platz zu schaffen für das Wohnprojekt de luxe „Living Isar“. Gunter Henn baute 2004 das Projekthaus für BMW mit einem Glashaus im Atrium. Martin Henn realisierte in diesem Jahr das Merck Innovation Center in Darmstadt als Multispace für Projektgruppen. Drei Konzepte der flexiblen Öffnung im Bürobau.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Bürohaustypologien erleben einen stetigen Wandel. Blickt man zurück in die 60er Jahre, so ist das Osram-Verwaltungsgebäude nahe der Isar-Auen in München-Untergiesing eines der für die damalige Zeit wegweisenden Gebäude einer neuen Orientierung. Walter Henn (1912–2006) setzte als einer der Ersten konsequent das Großraumbüro um. Der vollklimatisierte Verwaltungsbau auf quadratischem Grundriss erstaunt zudem durch eine auffallend frei gestaltete Möblierung nicht nur auf dem Foto, sondern bereits auf dem Grundriss. Er scheint eine Einrichtung, die schnelle Anpassungen an neue Gegebenheiten sicherstellen sollte, regelrecht zu zelebrieren. Die Büroleiter saßen in ihren Einzelräumen am Rand, seitlich der Aufzüge und Sanitäranlagen. Allein die Chefetage war gegliedert in einzelne Büroräume und Sitzungssäle mit viel Holztäfelung. Es ist ein Glück, dass das Gebäude des Leuchtmittelherstellers nach Fertigstellung von Heinrich Heidersberger fotografiert wurde. Der Fotograf siedelte zu der Zeit nach Wolfsburg um und hatte Verbindungen zur TU Braunschweig, an der Walter Henn von 1953 bis 1980 den Lehrstuhl für Baukonstruktion innehatte.
Henn stammte aus Reichenberg in Sachsen, studierte in den 30er Jahren an der TH Dresden Architektur und Bauingenieurwesen, wo er auch kurz nach dem Krieg lehrte, bis er zur TU Braunschweig wechselte. Mit den von ihm berufenen dort ebenfalls lehrenden Friedrich Wilhelm Kraemer und Dieter Oesterlen entstand in den 50er Jahren die Braunschweiger Schule, bei der das Neue Bauen bis in die frühen 80er Jahre werkbezogen und baukonstruktiv mit klarer Linie unterrichtet wurde. Für Walter Henn war immer auch die Forschung wichtig und er veröffentlichte ein zweibändiges Standardwerk zum Industriebau.
Noch immer fasziniert dieser silbrige Osram-Solitär von 1965 als Stahlskelettbau mit vorgehängter Leichtmetallfassade und bandartig durchlaufender Isolier-Festverglasung. Doch seine Zeit ist zu Ende. Das Gebäude wurde 2014 verkauft und hat unter Druck der neuen Eigentümer, der ABG mbH und der Objekt Hellabrunn KG, seinen Denkmalschutz verloren, da u.a. die Originalfassade nicht zu erhalten gewesen wäre. Im Sommer wurde es abgerissen, um Platz zu schaffen für ein weiteres Münchner Wohnquartier de luxe, das als „Living Isar“ vermarktet wird. Die Bauträger offerieren mit Ortner & Ortner Baukunst und Topotek 1 eine aufgelockerte Struktur von Einzelblöcken mit 423 Wohnungen, etwas Gewerbe und zwei Kitas. Beim Wettbewerb war zwar auch eine Variante mit Erhalt und Integration des Osram-Gebäudes gefordert gewesen, die aber kaum Beachtung fand.
Der Abriss des Gebäudes wurde versucht zu verhindern. Auch Sohn Gunter Henn setzte sich ein. Er wäre bereit gewesen, das Haus zu erwerben und für Wohnzwecke umzubauen. Die neu-en Eigentümer hatten jedoch andere Ziele und saßen am längeren Hebel.
Zuletzt wurde das Gebäude als Flüchtlingsunterkunft genutzt und war mit bis zu 800 Menschen eines der größten Gemeinschaftsunterkünfte in München. Für die Unterbringung wurden die offenen Flächen durch Trennwände in Wohn- und Schlafbereiche untergliedert.
Projekthaus München
Walters Sohn Gunter Henn, heute 71 Jahre alt, hat das Büro seines Vaters neu gegründet und zu einem rasant wachsenden Unternehmen mit 350 Mitarbeitern in München, Berlin und einem wichtigen Standbein in Peking ausgebaut. In China entstehen Großprojekte wie der CBD Z8 OfficeTower, der Taiyuan Tower oder der Haikou Tower South, dessen Spitze von der Form einer Lotusblüte inspiriert sein soll. Die Fotos und Visualisierungen zeigen eine Architektur, die keine eige-ne Handschrift deutlich werden lässt und sich daher reduziert auf den üblichen Standard asiatischer Büroturmlandschaften rasend schnell wachsender Städte. In Deutschland ist es anders. Hier hat Gunter Henn, der an der ETH Zürich, Berlin und München Bauingenieurwesen und Architektur studierte und in Dresden und am MIT in Cambridge lehrte, mit seiner für ihn charakteristischen leichten Stahlglasarchitektur eine Vielzahl von Bürobauten planen und bauen können, insbesondere für Volkswagen, Audi und BMW. Beachtung fanden die Gläserne Manufaktur in Dresden (Bauwelt 8.2002) und die Autostadt mit zwei Autotürmen in Wolfsburg (Bauwelt 17–18. 1998), beide für Volkswagen.
Mit dem Projekthaus im Forschungs- und Innovationszentrum FIZ von BMW hat Gunter Henn 2004 einen eigenen Weg in der Bürohaustypologie beschritten, der auf die Anforderungen des Forschungsbereichs eines großen Unternehmens zugeschnitten ist. Das Konzept ermöglicht durch seine räumliche Organisation im großem Maßstab eine neue Form der Zusammenarbeit im Entstehungsprozess eines Produkts, in diesem Fall eines neuen Fahrzeugs. Im zentralen kreisrunden Atrium steht ein „Werkstattgebäude“. Die Projekte in realen Modellen sind dort im gläsernen Haus von den umliegenden Arbeitsräumen einsehbar. Jeder Mitarbeiter, der am Projekt beteiligt ist, kann zwischen seiner Arbeit am Büroplatz und dem realen Objekt, an dem zurzeit gearbei-tet wird, pendeln. Die vier Geschosse des 100 x 100 Meter großen Projekthauses bestehen aus
je vier Quadranten mit bis zu 120 Arbeitsplätzen. Zwei Ebenen sind jeweils mit einer Wendeltrep-pe verbunden. So kann auch ein größeres Team zusammengestellt werden. Die hohen und hellen Räume mit „Loftcharakter“ ermöglichen dabei eine freie Organisation der Arbeitsabläufe durch das Team. Gunter Henn plant weiter für BMW. Das nächste Projekt nennt sich „FIZ Future“ im Zusammenhang mit der Entwicklung desMasterplans zum weiteren Ausbau des Firmensitzes. Vorgesehen ist eine neue gläserne Eingangshalle und eine Umstrukturierung der Gesamtanlage mit einer zentralen Magistrale, die auch durch das Projekthaus führen wird.
je vier Quadranten mit bis zu 120 Arbeitsplätzen. Zwei Ebenen sind jeweils mit einer Wendeltrep-pe verbunden. So kann auch ein größeres Team zusammengestellt werden. Die hohen und hellen Räume mit „Loftcharakter“ ermöglichen dabei eine freie Organisation der Arbeitsabläufe durch das Team. Gunter Henn plant weiter für BMW. Das nächste Projekt nennt sich „FIZ Future“ im Zusammenhang mit der Entwicklung desMasterplans zum weiteren Ausbau des Firmensitzes. Vorgesehen ist eine neue gläserne Eingangshalle und eine Umstrukturierung der Gesamtanlage mit einer zentralen Magistrale, die auch durch das Projekthaus führen wird.
Innovation Center Darmstadt
Eine offene, mit vielen neuen Ideen durchdrungene Bürohausplanung wird im Büro Henn entsprechend der immer schneller sich ändernden Arbeitsbedingungen auch unter Gunters Sohn Martin Henn weiterentwickelt. Er studierte an der Universität Stuttgart, an der ETH Zürich und an der Columbia University New York und arbeitete vor dem Einstieg im Büro Henn 2008 u.a. bei Zaha Hadid Architects in London.
Wenn man sich die heutigen Bürohaustypologien näher betrachtet, so wird größte Flexibili-tät nicht nur am Arbeitsplatz, sondern insgesamt in der Nutzung des Gebäudes gefordert. Dabei spielen gestalterische Faktoren eine große Rolle wie Farbkonzepte, neuartige Sitzlandschaften und ganz allgemein die Tendenz, ein Büro nicht mehr als Büro aussehen zu lassen, sondern als Open Space mit vielfältigen Angeboten, in dem man sich ungezwungen bewegt und nach seinen Vorstellungen arbeitet. Das Büro fungiert sogar als offene Lounge, bei der Wohnraumstrukturen hinzugemengt werden und jede Form eines hierarchischen Aufbaus vermieden wird. Thema ist das Ausbrechen aus alten Bürostrukturen, wie sie sich bei den für diesen Beitrag ausgewählten Bauten von Walter Henn 1965 noch bescheiden und von Gunter Henn 2004 schon deutlicher abzeichnen.
Diese rasante Entwicklung in der Arbeitswelt zeigt sich auch deutlich bei Martin Henns Innovation Center für den Pharma- und Chemiekonzern Merck in Darmstadt. Im Neubau wird Team-working an aktuellen Projekten, interdisziplinär und auf Zeit, mit externen Firmen, oft Start-ups, organisiert, „um synergetische Potenziale und Perspektiven aufzuspüren“. Jede Arbeitsfläche ist für eine Projektgruppe vorgesehen.
Mit dem Neubau wird zudem stadträumlich die gewünschte Öffnung des Merck-Stammsit-zes mit 6000 Mitarbeitern umgesetzt. Er steht zurückgesetzt an der Frankfurter Straße und wirkt einladend transparent zwischen den
Altbauten, besonders dem Pützerturm, der ein Wahrzeichen des Unternehmens darstellt (benannt nach dem Architekten Friedrich Pützer), und dem historischen Verwaltungsbau. Ganz bewusst ist keine Barriere erkennbar. Absperrungen rechts und links des Neubaus wurden gläsern ausgeführt. Erst im Foyer sind die Einlassschleusen. Ist man drinnen, blickt der Besucher voller Neugier in die Höhe und erlebt staunend ein Raumgebilde, das von einzelnen Bändern durchzogen wird, konkav geschwungene Brüstungen aus hellem Beton, die zu schweben scheinen. Henn wollte die Mitte nicht als große leere Halle offenhalten, sondern besetzen.
Atrien in denen nichts passiert, sind für ihn passé. Der zentrale Bereich wird so zum „Netzwerk der Wegebeziehungen“ mit kreuzenden Brücken, die die Mitte verdichten. Dabei wird die Raumhöhe von 6,10 Metern über den Arbeitsplätzen auf drei Metern reduziert. Die Brücken sind mehr als eine Erschließung, sondern offe-ne Orte der Begegnung. Auf jeder Ebene befinden sich zwei Arbeitsflächen, die sich diagonal gegenüberliegen. Die Flächen sind als Plattformen für Projektgruppen mit circa 25 Leuten ausgelegt. Man kann das Konzept dieser unterschiedlichen Überlagerungen als ein geometrisches Gebilde lesen, das an ein Doppelhelix erinnert und ein kontinuierlich fließendes Raumgefüge entfaltet, in dem sich Arbeitsflächen und Rampen in die Höhe schrauben. Die vier Rundstützen im Raum und 16 vor den Fassaden erhielten eine polierte Edelstahlhülle. Gläserne Meetingräume sind entlang der Fassade und auf Mezzaninen angeordnet. Die leicht wirkende Fassade besteht aus offenen, vertikalen Außenlamellen aus Glas in unterschiedlichen Winkelstellungen. Ursprünglich sollten die Lamellen beweglich sein.
Altbauten, besonders dem Pützerturm, der ein Wahrzeichen des Unternehmens darstellt (benannt nach dem Architekten Friedrich Pützer), und dem historischen Verwaltungsbau. Ganz bewusst ist keine Barriere erkennbar. Absperrungen rechts und links des Neubaus wurden gläsern ausgeführt. Erst im Foyer sind die Einlassschleusen. Ist man drinnen, blickt der Besucher voller Neugier in die Höhe und erlebt staunend ein Raumgebilde, das von einzelnen Bändern durchzogen wird, konkav geschwungene Brüstungen aus hellem Beton, die zu schweben scheinen. Henn wollte die Mitte nicht als große leere Halle offenhalten, sondern besetzen.
Atrien in denen nichts passiert, sind für ihn passé. Der zentrale Bereich wird so zum „Netzwerk der Wegebeziehungen“ mit kreuzenden Brücken, die die Mitte verdichten. Dabei wird die Raumhöhe von 6,10 Metern über den Arbeitsplätzen auf drei Metern reduziert. Die Brücken sind mehr als eine Erschließung, sondern offe-ne Orte der Begegnung. Auf jeder Ebene befinden sich zwei Arbeitsflächen, die sich diagonal gegenüberliegen. Die Flächen sind als Plattformen für Projektgruppen mit circa 25 Leuten ausgelegt. Man kann das Konzept dieser unterschiedlichen Überlagerungen als ein geometrisches Gebilde lesen, das an ein Doppelhelix erinnert und ein kontinuierlich fließendes Raumgefüge entfaltet, in dem sich Arbeitsflächen und Rampen in die Höhe schrauben. Die vier Rundstützen im Raum und 16 vor den Fassaden erhielten eine polierte Edelstahlhülle. Gläserne Meetingräume sind entlang der Fassade und auf Mezzaninen angeordnet. Die leicht wirkende Fassade besteht aus offenen, vertikalen Außenlamellen aus Glas in unterschiedlichen Winkelstellungen. Ursprünglich sollten die Lamellen beweglich sein.
Schon vor drei Jahren ist für Merck ein weiteres, deutlich kleineres Gebäude von Henn entstanden. Da der Konzern sehr schnell ein Innovation Center eröffnen wollte, entschied er sich in Zusammenarbeit mit dem Hersteller ADK Modulraum zunächst für ein Gebäudekonzept in Modulbauweise. Es steht vis-à-vis vom jetzigen Neubau an der Frankfurter Straße. Nach Eröffnung des Innovation Centers wurde der Bau zum Besucherzentrum umgenutzt.
Ob die Ablenkung, das viele Schauen auf Andere, während der Arbeit im Multispace des Innovation Centers stimulierend wirkt und die Leistung stärkt, wurde erforscht. Interessanter ist jedoch eine andere Frage: Steht bei diesem Gebäude nicht vielmehr die Symbolik im Vordergrund? Verkörpert es den Druck auf das Unternehmen, einer jungen Generation etwas bieten zu müssen, sich ihr zu öffnen mit Frische und Einfallsreichtum, besonders hinsichtlich des immer härter werdenden Wettbewerbs um neue Fachkräfte? Verkörpert Architektur „Zukunftsfähigkeit“ um mithalten zu können? Schon viele Unternehmen hatten den Wunsch, mit neuer, oft auch experimenteller Architektur präsent zu sein, um jeden Verdacht zu zerstreuen, dass man den Anschluss verpasst. Interdisziplinäres Teamworking könnte aber statt auf Präsentiertellern im offenen Raum eines Glashauses sicherlich auch in alten, technisch hergerichteten Werkhallen, erfolgreich gelingen.
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