An-, um- und weiterbauen
Editorial
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin; Crone, Benedikt, Berlin; Flagner, Beatrix, Berlin
An-, um- und weiterbauen
Editorial
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin; Crone, Benedikt, Berlin; Flagner, Beatrix, Berlin
Weiterbau ist eine gängige Aufgabe für Architekten; wenn es nicht gerade um ein bislang unbebautes Randgebiet einer Stadt geht, spielt die Vorgeschichte des Ortes zwangsläufig eine Rolle für den Entwurf. Nicht immer drängt das Vorgefundene dabei in den Vordergrund. Manchmal aber ist die Situation so gestaltmächtig, dass der neue Eingriff nicht umhin kommt, sich dazu explizit zu verhalten. Schloss Wittenberg ist solch ein Ort: in Jahrhunderten geworden und zweimal überformt – erst zur kurfürstlichen Residenz, dann zur preußischen Kaserne. Bruno Fioretti Marquez hatten hier Ausstellungsräume, eine Bibliothek und ein Predigerseminar unterzubringen, dabei selbstverständlich eine barrierefreie Erschließung der gesamten Anlage zu schaffen und sämtliche Anforderungen zu beachten, die sich aus den Arbeitsstättenrichtlinien und der Energieeinsparverordnung ergeben, kurz: Neubaustandard zu erreichen. Das ist so, als müsste ein restaurierter 300er „Adenauer-Mercedes“ heutige Crash-Tests bestehen und Abgaswerte erreichen. Dass trotzdem ein sehenswertes Stück Gegenwartsarchitektur entstanden ist, macht den Aberwitz der ausufernden Regelungswut nicht kleiner. Bernhard Hirche hatte es da insofern besser, als der neue Dachreiter der Klosterkirche Amelungsborn selbst für eine Genehmigungsbehörde eher kein Arbeitsplatz ist und auch keine Wärmedämmung braucht. Der gestalterische Schritt weg vom demontierten barocken Turm hin zu einer Annäherung an zisterzienser-gotische Entwurfsprinzipien trägt dennoch aktuellen Funktionsanforderungen Rechnung, Stichwort: Schallausbreitung des Geläuts. Schließlich noch ein Blick über die Grenze nach Belgien: Auf einem Klinikcampus bei Gent ist ein Abbruchhaus zum Begegnungsort geworden, dessen weiteren Verfall die Architekten gestalterisch begleiten.
Gartenzwerge
Die Architekten der Bauten im zweiten Thementeil haben im weitesten Sinne ebenfalls weitergebaut, Genehmigungen und Regelungen spielten jedoch keine große Rolle. Im Gegenteil, sie hatten die Freiheit die Architektur in den Mittelpunkt zu stellen: Hinter einem Museum in Porto, einen Abhang hinab, versinkt ein dunkelverglaster Pavillon in einem See. Andernorts, in dem Garten eines Einfamilienhauses, glänzt im Sonnenlicht ein bizarres Gestell – ein Zierbau von rätselhaftem Nutzen. Und in den Niederlanden, in einem Park des 19. Jahrhunderts, schlängelt sich ein Glasbau durch die Landschaft. Mal temporäre, mal funktionslose Schmuckstücke: Ab Seite 42 finden Sie kleine – mysteriöse – aber feine Architekturen im Grünen, die einen großen Hauptbau ergänzen.
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