Bauwelt

Ankunft in Borgholzhausen

Text: Hoffmann-Axthelm, Dieter, Berlin

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    Produktive Ankunftsstadt: In Borgholzhausen fand der Autor diese schlichte, aber ungewöhnliche Mischnutzung aus Gewerbeeinheiten und Wohnhäusern für Flüchtlinge.
    Foto: Dieter Hoffmann-Axthelm

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    Produktive Ankunftsstadt: In Borgholzhausen fand der Autor diese schlichte, aber ungewöhnliche Mischnutzung aus Gewerbeeinheiten und Wohnhäusern für Flüchtlinge.

    Foto: Dieter Hoffmann-Axthelm

Ankunft in Borgholzhausen

Text: Hoffmann-Axthelm, Dieter, Berlin

Von einer kleinen Entdeckung ist zu berichten. Bernhard Strecker lotste uns kürzlich durch das nordostwestfälische Städtchen Borgholzhausen, und plötzlich, schon in der Peripherie des ur­alten Wigbolds, eine Baustelle der anderen Art, wie vom Himmel gefallen. Ein schockhaftes Déjà-vu: Da stand es, unwahrscheinlich genug, was ich mir in den 90er Jahren vorgestellt und beschrieben hatte – die Rückkehr des Containers, und damit des Fremden, in die Stadt. Es war da, es war angekommen.
Déjà-vu: das geht auf die 90er Jahre zurück. Damals erregte einen der merkantile Aufbruch im wilden Osten. Etwa der Polenmarkt in Berlin, dort, wo heute die Langweiler des Potsdamer-Platz-Hypes stehen. In Kroatien sah ich während des Balkankriegs die wilden Straßenmärkte aus Containern und Kiosken: Neubeginn einer Ökonomie von unten aus Wurzeln, die der Planungssozialismus nicht hatte ausreißen können.
Dann lud mich Pietro Derossi zu einem Beitrag für die Mailänder Triennale 1994 ein. Gefordert war neben einem Katalogtext ein erzählendes Objekt. Sofort war klar: Das konnte nur der serielle Kasten sein, als Übergangsobjekt vom Pro­visorischen zur geregelten Stadt, von Einwanderung zu Integration. Maß nahm ich für mein Objekt an den endlosen Zellenreihen des Basars, die ich im indischen Hyderabad gesehen hatte, in Beton gefertigte Kästen, jeder einzelne eine eigene wirtschaftliche Einheit, gerade groß genug, um einen Händler und seine Ware aufzunehmen – Existenzgrundlage einer Familie.
Zurück nach Borgholzhausen, Mai 2016: eine provisorische Asphaltstraße, angrenzend ein gerade eben vom Räumwerkzeug glatt gemachter Erdboden, draufgesetzt, in baurechtlich gefordertem 6-Meter-Abstand, eine Flucht von zehn in Beton errichteten Garagen, darüber, noch nicht ganz zu Ende gebracht, auf jeder Garage ein eingeschossiges Reihenhaus in Leichtbauweise. Jedes, soweit schon fertig, in einer anderen Farbe, die ersten – eine flüchtige Kontaktaufnahme bewies es – schon von Flüchtlingen bewohnt. So einfach, so mutig und komplex, so unwahrscheinlich.
Unvermeidlich kam sofort die Frage auf: Wer hat sich das ausgedacht? Etwa ein Architekt? Mitnichten. Es war die Zimmerei Dübber, welche die Idee hatte und sie umsetzt: ein lokaler Meisterbetrieb, der seit über 50 Jahren in Borgholzhausen tätig ist. Anders ginge es wohl auch nicht, d.h., anders wäre es wohl kaum zu den benannten Qualitäten gekommen.
Einfach: Es ist alles erfüllt, was derzeit gefordert ist – keine langen Entwurfs- und Bauzeiten, sondern das, was sofort und umstandslos machbar ist, sich schrittweise fertigstellen lässt und, was die Wohnungen angeht, sofort auch gemäß Fertigstellung in Nutzung genommen werden kann. Mutig: Wer traut sich schon, so einfach zusammenzusetzen, was anscheinend nicht zusammengehört. Komplex: Unten Gewerbe, oben Wohnen – funktionale Mischung. Und nicht Wohnen als Sammelunterkunft, sondern eigene Häuser für die Neuankommenden, in ­denen sie wieder zu sich finden können. Mithin: unwahrscheinlich – Behälter des Neuen.

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