Bauwelt

Auf Achtungsabstand

Der Wettbewerb zum Exilmuseum Berlin ist ein Lehrstück für Denkmalpfleger. Wie das verbliebene, geschichsträchtige Portal des Anhalter Bahnhof in den Neubau integriert werden könnte, spaltete die Gemüter: Als Spolie oder Brosche?

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

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    1. Preis Dorte Mandrup attestierten die Preisrichter eine „große Sorgfalt“ bei der Einbettung ihres Entwurfs in den Kontext und „respektvolle Zurückhaltung“. Den Abstand zum Portal wahre der Vorschlag durch einen „eleganten Schwung“.
    Abb.: Dorte Mandrup

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    1. Preis Dorte Mandrup attestierten die Preisrichter eine „große Sorgfalt“ bei der Einbettung ihres Entwurfs in den Kontext und „respektvolle Zurückhaltung“. Den Abstand zum Portal wahre der Vorschlag durch einen „eleganten Schwung“.

    Abb.: Dorte Mandrup

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    2. Preis Diller Scofidio + Renfros Beitrag setzt großflächig auf Glas als vermeintlichen optischen Abstandshalter zum Portal. Dies hielten die Juroren für eine Lösung, die „die Portalruine sinnvoll integriert.“
    Abb.: Diller Scofidio + Renfro

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    2. Preis Diller Scofidio + Renfros Beitrag setzt großflächig auf Glas als vermeintlichen optischen Abstandshalter zum Portal. Dies hielten die Juroren für eine Lösung, die „die Portalruine sinnvoll integriert.“

    Abb.: Diller Scofidio + Renfro

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    3. Preis Bruno Fioretti Marquez docken nahtlos ans Portal an. Eine „architektonische Haltung“, die „lebhaft und kontrovers in der Jury diskutiert“, jedoch –vorgeblich aufgrund einer Verunklarung der Bauepochen – letztlich nicht mutig honoriert wurde.
    Abb.: Bruno Fioretti Marquez

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    3. Preis Bruno Fioretti Marquez docken nahtlos ans Portal an. Eine „architektonische Haltung“, die „lebhaft und kontrovers in der Jury diskutiert“, jedoch –vorgeblich aufgrund einer Verunklarung der Bauepochen – letztlich nicht mutig honoriert wurde.

    Abb.: Bruno Fioretti Marquez

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    Anerkennung Nieto Sobejanos Museum bilde einen „ruhigen Hintergrund“ für das Portal. Allerdings wirke das Zusammenspiel „kraftlos“. Auch kritisiert die Jury die Innenräume als zu „konventionell“ und zugleich das Tragwerk als „überzogen“ für die subtile Geste.
    Abb.: Nieto Sobejano

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    Anerkennung Nieto Sobejanos Museum bilde einen „ruhigen Hintergrund“ für das Portal. Allerdings wirke das Zusammenspiel „kraftlos“. Auch kritisiert die Jury die Innenräume als zu „konventionell“ und zugleich das Tragwerk als „überzogen“ für die subtile Geste.

    Abb.: Nieto Sobejano

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    Anerkennung SANAA legen die Ausstellung im Untergeschoss an. Hinter das Portal tritt ein gläserner Pavillon. Die Jury hielt sich vage: trotz Lobs für die „Symbolwirkung“ eines so freien Raumes, erachtete sie den Vorschlag in „vielerlei Hinsicht als unpassend.“
    Abb.: SANAA

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    Anerkennung SANAA legen die Ausstellung im Untergeschoss an. Hinter das Portal tritt ein gläserner Pavillon. Die Jury hielt sich vage: trotz Lobs für die „Symbolwirkung“ eines so freien Raumes, erachtete sie den Vorschlag in „vielerlei Hinsicht als unpassend.“

    Abb.: SANAA

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    TeilnehmerKéré Archi­tec­ture bieten eine „spek­ta­kuläre“ Figur zum Askanischen Platz an, obenauf eine Dachterrasse. Laut Protokoll wurde der Entwurf „als ungeordnet und zu kompliziert“ aussortiert.
    Abb.: Kéré Archi­tec­ture

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    TeilnehmerKéré Archi­tec­ture bieten eine „spek­ta­kuläre“ Figur zum Askanischen Platz an, obenauf eine Dachterrasse. Laut Protokoll wurde der Entwurf „als ungeordnet und zu kompliziert“ aussortiert.

    Abb.: Kéré Archi­tec­ture

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    Teilnehmer Sauerbruch Hutton sehen hinter dem Portal einen zentralen „Fluchtraum“ zu Beginn der Ausstellung vor. Auch dieser sei „spektakulär“, jedoch gäbe es Mängel in der Planung von Barrierefreiheit und Anschluss des Neubaus an den Bestand.
    Abb.: Sauerbruch Hutton

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    Teilnehmer Sauerbruch Hutton sehen hinter dem Portal einen zentralen „Fluchtraum“ zu Beginn der Ausstellung vor. Auch dieser sei „spektakulär“, jedoch gäbe es Mängel in der Planung von Barrierefreiheit und Anschluss des Neubaus an den Bestand.

    Abb.: Sauerbruch Hutton

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    Teilnehmer Staab Architekten dachten sich einen halböffentlichen „Transitraum“ hinter dem Portal. „Die Innenseite der historischen Portalruine [wird] gekonnt in das Konzept eingebunden.“, schreibt die Jury. Die Gesamterscheinung sei zu nüchtern und schwach.
    Abb.: Staab Architekten

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    Teilnehmer Staab Architekten dachten sich einen halböffentlichen „Transitraum“ hinter dem Portal. „Die Innenseite der historischen Portalruine [wird] gekonnt in das Konzept eingebunden.“, schreibt die Jury. Die Gesamterscheinung sei zu nüchtern und schwach.

    Abb.: Staab Architekten

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    TeilnehmerZAO/standardarchitecture verblüfften die Jury mit einer „hermetisch geschlossenen Skulptur“. Das Innere sei labyrinthisch und spannungsvoll gestaltet. Dennoch bemängelten die Preisrichter unzureichende Sensibilität für die Aufgabe.
    Abb.: ZAO/standardarchitecture

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    TeilnehmerZAO/standardarchitecture verblüfften die Jury mit einer „hermetisch geschlossenen Skulptur“. Das Innere sei labyrinthisch und spannungsvoll gestaltet. Dennoch bemängelten die Preisrichter unzureichende Sensibilität für die Aufgabe.

    Abb.: ZAO/standardarchitecture

Auf Achtungsabstand

Der Wettbewerb zum Exilmuseum Berlin ist ein Lehrstück für Denkmalpfleger. Wie das verbliebene, geschichsträchtige Portal des Anhalter Bahnhof in den Neubau integriert werden könnte, spaltete die Gemüter: Als Spolie oder Brosche?

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

Es gibt nicht mehr viele Ruinen, die aus sich selbst heraus an die Schrecken des Krieges erinnern. Bis zu ihrem Wiederaufbau war die Dresdner Frauenkirche ein solcher Gedenkort par excellence, in Köln wurden die Trümmer­reste von St. Alban zu einem theatralischen Kriegs­opfer-Memorial hergerichtet. In Berlin hat es die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, ergänzt um Egon Eiermanns Anbauten, zur Ikone gebracht. Und dann ist da noch jenes etwas abseits gelegene Portalrelikt, das als verschämte Geste an eine zweifelhafte Nachkriegsentscheidung er-innert – an den 1959 erfolgten Abriss des An­halter Bahnhofs. Der war eine jener grandiosen Kathedralen des Schienenverkehrs gewesen, die die Metropole Berlin mit allen Enden des Kontinents verknüpften. Seine Gleise führten in den Süden, in Richtung Prag und Wien, Balkan und Italien, weshalb er in den 1930er Jahren zum letzten Rettungstor wurde für abertausende Menschen, die das Land fluchtartig verlassen mussten. Genauso steht er für das Schicksal all jener, denen die rettende Flucht nicht mehr gelang: Auch vom Anhalter Bahnhof fuhren ab 1941 Deportationszüge ab. Nach dem Krieg, im verkehrlich isolierten Westberlin, verfielen die riesigen Bahnsteighallen alsbald in Nutzlosigkeit.
Der stehengebliebene Mauerrest am Askanischen Platz ist eines jener stillen, dabei würdigen Monumente, die Vergangenes im normalen Berliner Alltag sichtbar machen, ohne sich vordergründig als Memorial auszustellen. Mit solch dezenter Beiläufigkeit wird es vorbei sein, wenn die 2018 gegründete private Stiftung „Exilmuseum Berlin“ ihre Pläne verwirklichen sollte. Auf Initia­tive einiger Kulturbürger um die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller, den Kunsthändler Bernd Schultz und den Museumsmann Christoph Stölzl soll auf dem vorderen Teil des beräumten Bahnhofsareals ein Museum zum Andenken an jene Menschen entstehen, die „aus Deutschland vertrieben und über die ganze Welt verstreut wurden”. Um sich nicht uferlos in sämtlichen Facetten des Exils als immerwährende Menschheitserfahrung zu verlieren, will man „exemplarisch“ vor allem „jene Menschen in den Blick nehmen, die sich vor den Nationalsozialisten […] im Ausland in Sicherheit bringen konnten“. Illus­triert werden soll die vieltausendfache Erfahrung anhand von Einzelbiografien, um „die verschlungenen, tragischen und überraschenden Lebenswege der Exilanten“ nachfühlbar zu erzählen. Mangels noch erreichbarer Artefakte will man weniger Objekte ausstellen, dafür „mehr medial und szenografisch arbeiten“. Mehr Details zum Ausstellungskonzept waren anlässlich der Vorstellung der Museumsentwürfe nicht zu erfahren, inhaltlich scheint noch vieles unscharf und im Fluss zu sein.
Für Baukosten haben die Stiftungsgründer 27 Millionen Euro veranschlagt, von den bislang verfügbaren sechs Millionen wurden im Wesent­lichen eine Geschäftsstelle etabliert, ein kuratorisches Team verpflichtet sowie nun der Realisierungswettbewerb finanziert. Zu diesem wurden zehn internationale Büros „mit Erfahrungen im Museumsbau“ eingeladen. Als Programm waren 3500 Quadratmeter Flächen für Dauer- und Sonderausstellungen, Gastronomie und Vermittlungsarbeit vorgegeben. Ein separater Raum soll sich speziell der Geschichte des Bahnhofs widmen, zusätzlich sollen 700 Quadratmeter dem Stadtbezirk für Freizeitzwecke (Umkleiden für einen vorhandenen Ballspielplatz etc.) zur Verfügung stehen – letzteres als Gegenleistung für die 99 Jahre Erbbaurecht, die der Stiftung auf landeseigener Fläche gewährt wurden.
Die Beschränkung des Baufeldes auf einen schmalen Streifen parallel zur einstigen Bahnhofshauptfassade, aber auch die erst vagen Vorstellungen der Museumskuratoren führten die Mehrzahl der Teilnehmer (mit Ausnahme von SANAA und Francis Kéré) zu annähernd gleichen Baukörper-Konstellationen, die sich allenfalls durch ihre Fassadencharaktere unterschieden. Durch diese „Eintracht“ im groben Umriss avancierte ein formales Element zum wichtigen Entscheidungskriterium: Welches Verhältnis soll der Neubau zur Portalruine eingehen – soll diese frei stehen, sich anlehnen oder fluchtbündiger Teil der neuen Fassade werden? Die drei Preisträger führen dieses Spektrum der Möglichkeiten vor, alle übrigen Arbeiten variieren nur die Unausweichlichkeit der drei Optionen: Dorte Mandrup (1. Preis) überhöht den Ruinenrest zum freistehenden „Denkmal“, der Museumsbau dahinter gerät so zur effektüberladenen Kulisse. Diller, Scofidio + Renfro (2. Preis) versuchen, mittels eines befremdlichen Glasüberwurfs das Bahnhofsrelikt freizustellen und trotzdem noch irgendwie mit dem Museumskubus zu verbandeln. Bei Bruno Fioretti Marquez (3. Preis) gehen die unregelmäßigen Abrisskanten des alten Portals fugenlos in die asketisch kahle Ziegelwand des Museums über und erinnern damit an die Alt-Neu-Vexierspiele von Hans Döllgast in München (Alte Pinakothek) oder Diener & Diener in Berlin (Naturkunde-Museum).
Die wohl naheliegende Neigung vieler Architekten – nicht zuletzt in der Jury – für den jetzt drittplatzierten Entwurf wurde schroff ausgebremst vom Einspruch der Denkmalpflege, die für jeden schutzwürdigen Gebäuderest bei der Begegnung mit Neubausubstanz auf einem „Achtungsabstand“ besteht, um die Aura des Denkmals zu wahren. Diese generell geltende Konvention denkmalpflegerischer Praxis lässt sich am Wettbewerb zum Berliner Exilmuseum nun ausgiebig diskutieren, werden da doch Distanzgesten unterschiedlichster Dimension durchgespielt, von Null bis mehr als zehn Meter. Wenn es um die schlichte architektonische
Würde des übriggebliebenen Portals geht, überrascht der schmale Grat, den es hier abzuwägen gilt – damit aus der historisch ehrbaren Spolie nicht die eitle Brosche einer aufgedonnerten Eventarchitektur wird.
So gesehen ist es umso bedauerlicher, dass der hinreißende Entwurf von Nieto Sobejano an einer Platzierung vorbeischrammte. Nicht nur beweist er das sicherste Gespür für eine überzeugende Achtungsfuge. Insgesamt findet er für die Darstellung von Lebensschicksalen einen maßvollen Rahmen ziviler Bescheidenheit.
Alle Wettbewerbsbeiträge sind bis 17. Oktober in der Staatsbibliothek Berlin, Potsdamer Straße, ausgestellt.
Realisierungswettbewerb
1. Preis
(30.000 Euro) Dorte Mandrup Arkitekter, Kopen­hagen
2. Preis (20.000 Euro) Diller Scofidio + Renfro, New York
3. Preis (10.000 Euro) Bruno Fioretti Marquez, Berlin
Anerkennungen
(je 7500 Euro) SANAA, Tokio; Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin
Teilnehmer
Kéré Architecture, Berlin; Sauerbruch Hutton, Berlin; Staab, Berlin; ZAO/standardarchitecture, Beijing
Jury
Armand Grüntuch, Francine Houben, Petra Kahlfeldt,
Jórunn Ragnarsdóttir (Vorsitz), Verena von Beckerath, Kristin Feireiss, Clara Herrmann, Regula Lüscher,
Andre Schmitz, Bernd Schulz
Ausloberin
Stiftung Exilmuseum Berlin (in Abstimmung mit Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Berlin)

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