Bauwelt

Bravourös verpufft

Maxim-Gorki-Theater Berlin „Linkerhand“

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Bravourös verpufft

Maxim-Gorki-Theater Berlin „Linkerhand“

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Fünfzig Jahre nach dem Tod von Brigitte Reimann bleibt ihr unvollendeter Roman „Franziska Linkerhand“ der in Deutschland wohl bekannteste literarische Beitrag zum Bauen: eine talentierte Architektin, die im industriellen Wohnungsbau der DDR weder das Verlangen nach städtischen noch nach gemeinsamen Leben befrieden kann. Überzeugend verfilmt, auch schon oft dramatisiert, war die Neugier auf das im Berliner Maxim-Gorki-Theater von Sebastian Baumgarten in Szene gesetzte Streben und Scheitern groß. Die Hauptfigur wandeln sich abwechselnd Katja Riemann, Maria Simon und Alexandra Sinelnikova an, die Botschaften ins Publikum bellen, ohne dass die Wut und schließlich Verlassenheit Linkerhands ankommt. Die Dispute mit dem väterlichen Professor, dem vorgesetzten Stadtarchitekten, dem unterlegenen Ex-Mann und anderen Herren, die von Aleksandar Radenković, Falilou Seck und Till Wonka verkörpert werden, bleiben holzschnittartig und entbehren dem, was Reimann ihrer Protagonistin in der Architektur und im individuellen Handeln umzusetzen aufgab: der Sinnlichkeit.
Das Stück plätschert vor sich hin, lautstark, gespickt mit Fremdtexten, deren Bezug zur Vorlage vage bleibt. Das Ensemble soll den Gegenwartsbezug eingebracht haben, doch wie auch die überbordenden, teilweise KI-animierten Projektionen von den „16 Grundsätzen des Städtebaus“ bis hin zu einem lästernden Oscar Niemeyer werden zu viele Aspekte angerissen, anstatt die im Roman ausbuchstabierten Themen auszuschöpfen. Das schlägt sich auch im Bühnenbild von Sam Chermayeff nieder: Plattenwände, die hoch und runter schweben, ein den Brunnen auf dem Strausberger Platz zitierendes Formelement aus Kupfer, das die kritisierte Nüchternheit konterkariert, und ein irritierender Dreibock mit eingehängtem Edelstahlkessel, der dann kurz als Sammelpunkt dient. „Irgendwo auf der Welt musses Städte geben und den Widerschein ihrer Lichter am Himmel und Trottoirs und Menschengedränge, in das du dich wie ein Schwimmer wirfst ...“. Auf der Bühne kam Linkerhands Sehnsucht leider nicht ins Strömen, auch die Städtebaukritik sprang zu kurz. Ein Wermutstropfen für die zweifelsfrei bravourösen Leistungen der Schauspielerinnen und Schauspieler. Doch jedenfalls ein Anreiz, den Roman erneut zu lesen.

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