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Das japanische Haus

Eine Ausstellung im Londoner Barbican Centre widmet sich Architektur in Japan seit 1945

Text: Adam, Hubertus, Zürich

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In der Barbican Art Gallery kann man zurzeit in einem 1:1-Modell von Ryue Nishizawas „Moriyama House“ umhergehen.
Foto: Miles Willis/Getty Images

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In der Barbican Art Gallery kann man zurzeit in einem 1:1-Modell von Ryue Nishizawas „Moriyama House“ umhergehen.

Foto: Miles Willis/Getty Images


Das japanische Haus

Eine Ausstellung im Londoner Barbican Centre widmet sich Architektur in Japan seit 1945

Text: Adam, Hubertus, Zürich

In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich in jüngster Vergangenheit das Bild einer leichten, ätherischen und entmaterialisierten japanischen Architektur durchgesetzt. Dieses Bild findet seine Bestätigung in den weltweit entstehenden Kulturbauten von SANAA oder den Miniaturhäusern von Sou Fujimoto, wurde aber auch verfestigt durch die Ausstellung „A Japanese Constellation“ 2016 im New Yorker MoMA, die eine Traditionslinie von Toyo Ito über SANAA bis hin zu Sou Fujimoto und Junya Ishigami zog.
Dass die Realität komplexer ist, zeigt auf überzeugende Weise „The Japanese House: Archi­tecture and Life after 1945“, die derzeit in der Barbican Art Gallery in London Station macht. Natürlich finden sich auch hier die Ikonen der zeitgenössischen japanischen Architektur wie Fujimotos „House NA“ oder Ryue Nishizawas „Mori­yama House“. Aber sie sind eingebettet in einen viel breiteren Kontext, bei dem synchrone Phänome, nämlich unterschiedliche zeitparallele Haltungen, mit diachronen, also heterogenen Traditionslinien, verknüpft werden.
Das Konzept der Ausstellung, die zunächst im MAXXI in Rom zu sehen war, wurde erarbeitet von Kenjiro Hosaka, Kurator am National Museum of Modern Art in Tokio, und Yoshiharu Tsukamoto von Atelier Bow-Wow, der nicht nur durch die Bauten des Büros, sondern auch durch Forschungen über die Alltagsarchitektur in Tokio bekannt geworden ist. Die Schau beginnt mit der unmittelbaren Nachkriegszeit. Japan war zerstört und besetzt, es herrschte Mangel an Wohnraum. Einerseits begannen Architekten mit Vorfertigung und modularem Bauen zu experimentieren, andererseits stellte sich trotz des Einflusses der internationalen Moderne die Frage nach dem Verhältnis zur Tradition. Hatte Bruno Taut seinerzeit die konstruktive Eleganz der kaiserlichen Villa Katsura gegen die überbordend dekorierten Schreine von Nikko ausgespielt, so debattierten japanische Architekten in den 50er Jahren im Fachblatt „Shinkenshiku“ über die Vorbildlichkeit der frühen Yoyai- und Jomon-Kultur und über die „Japanesness“.
Den Gegenpol zu Kenzo Tange bildet in der Ausstellung der in Europa wenig bekannte Seiichi Shirai, aber natürlich auch Kazuo Shinohara. Shi­noharas Hauptwerk fällt in eine Zeit, die die Ausstellungsmacher mit dem Label „Inhabiting the Experimental“ umschreiben. Formale und räum­liche Experimente von Hiromi Fujii, Kiko Mozuna oder Kazumasa Yamashita mögen mit ihrer zum Teil postmodernen Attitüde zeitgebunden sein, doch sie boten einen Humus, ohne den die Blüte der gegenwärtigen japanischen Architektur nicht denkbar wäre. „Lightness“ und „The Vernacular“ sind Begriffe, mit denen sich Tendenzen des zeitgenössischen Bauens, etwa im Schaffen von Go Hasegawa, SANAA, Kengo Kuma oder Atelier Bow-Wow, fassen lassen.
Doch die Ausstellung widmet sich auch der Neuinterpretation des „machiya“, also des tra­ditionellen Stadthauses, das zur Straßenseite hin einen Laden oder eine Werkstatt und rückwärtig die privaten Bereiche aufweist. Und sie zeigt die Tradition einer Bricolage-Architektur, die von Osamu Ishiyamas Experimenten mit zweckentfremdeten Bauteilen in den 80ern bis hin zu Do-it-yourself-Bauten reicht, wie sie die nachwachsende Architektengeneration im letzten Jahr im Japanischen Pavillon in Venedig ausstellte.
In der Halle des Barbican Centre stehen raumbeherrschend zwei begehbare 1:1-Exponate. Zum einen ein aufgeständertes Teehaus von Terunobu Fujimori, der sich nicht nur durch seine bizarren Adaptionen traditioneller Architekturen, sondern auch als Historiker einen Namen gemacht hat. Zum anderen, und gleichsam als Gegenpol, ein Teilnachbau des „Moriyama House“ von Ryue Nishizawa mit seinen um einen Gemeinschaftsfreiraum angeordneten Kuben. Mehr über den unkonventionellen Auftraggeber und das Leben in der Kleinstsiedlung erfährt man im Film „Moriyama-San“, dem jüngsten Werk des Architekturfilmer-Duos Beka & Lemoine.

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