Bauwelt

Der Staat als Immobilienentwickler

Die Angst vor Repressionen ist real: Dennoch versucht unser Autor, Licht in die staatliche Bodenverwaltung Ägyptens zu bringen.

Text: Elmouelhi, Hassan, Berlin

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

Im Central Business District von Ägyptens neuer Verwaltungshauptstadt
Foto: Nick Hannes

  • Social Media Items Social Media Items
Im Central Business District von Ägyptens neuer Verwaltungshauptstadt

Foto: Nick Hannes


Der Staat als Immobilienentwickler

Die Angst vor Repressionen ist real: Dennoch versucht unser Autor, Licht in die staatliche Bodenverwaltung Ägyptens zu bringen.

Text: Elmouelhi, Hassan, Berlin

Obwohl Ägypten derzeit mit wirtschaftlichen Problemen wie Inflation und Devaluation konfrontiert wird, sind die Bauarbeiten in der Neuen Verwaltungshauptstadt (NAC) und den rund zwanzig weiteren geplanten Smart Cities in Ägypten noch nicht zum Erliegen gekommen. Die Schwierigkeiten der ägyptischen Regierung sind unter anderem auf den Mangel an Ressourcen in US-Dollar zurückzuführen, die sie benötigt, um die Raten ihrer Auslandsschulden und in Anspruch genommene Dienstleistungen zu bezahlen.
Nach Ansicht mehrerer Forscher und Beobachterinnen der ägyptischen Politszene haben die Aufgaben, die der ägyptische Staat übernimmt, im letzten Jahrzehnt stetig abgenommen und sich offensichtlich auf Bodenspekulation und die Kommerzialisierung von Gebäuden verlagert.1 Vor allem, um die reiche Bevölkerungsschicht zu versorgen. Das hat dazu geführt, dass sich landesweit mehr als dreizehn Millionen Wohneinheiten für die Mittel- und Oberschicht im Bau befinden oder fertiggestellt sind, aber leer stehen – gegenüber einer jährlichen Nachfrage nach 500.000 bezahlbaren Wohneinheiten2.
Insbesondere in der Neue Verwaltungshauptstadt wird diese Ausrichtung forciert: Die Stadt entsteht für eine Gesellschaft des Überflusses. All dies geschieht vor dem Hintergrund der zunehmenden Armut in der ägyptischen Gesellschaft. Diejenigen, die in der NAC arbeiten, egal ob derzeit als Bauarbeiter oder später in den Verwaltungen oder im Dienstleistungssektor, müssen täglich pendeln, entweder in die nahe gelegenen Städte (Badr und El Sherouk) oder in einen anderen Stadtteil von Kairo, in dem sie sich das Wohnen noch leisten können.
In Ägypten wird die Stadtplanung von der Regierung übernommen, vertreten durch das Ministerium für Wohnungswesen. Zu dieser gehören die Unterorganisationen New Urban Communities Authority (NUCA), die für die Entwicklung neuer Städte zuständig ist, und die General Organization of Physical Planning (GOPP), die für die Entwicklung strategischer Masterpläne für Städte verantwortlich ist. Schaut man sich die NUCA genauer an, stellt man fest, dass sie sich lediglich mit dem Verkauf von Grundstücken und der Bereitstellung von Infrastrukturen befasst und kein Interesse daran hat, diese zu betreiben, geschweige denn darum zu kümmern, ob und wie diese funktionieren. Es gibt aber auchkeine andere öffentliche Institution, die das übernimmt.
Die Bodenverwaltung in Ägypten ist ein undurchsichtiger Prozess. Er beginnt mit der Zuteilung von staatlichem Land an eine andere bestimmte staatliche Einheit. Im Falle der Grundstücke in den neuen Städten, die von NUCA verwaltet werden, legte der Staat die Grundstückspreise nach Belieben und zum eigenen Vorteil fest und bestimmte damit die gesamte Gewinnkette. Dies war bis etwa 2008 der Fall, als Mustafa Maghraby, der damalige Wohnungsbauminister, mit der Versteigerung staatlicher Grundstücke durch die NUCA begann, was zu einem Preisanstieg führte und die Kommodifizierung von Wohnraum verstärkte. So wurden die öffentlich-privaten Partnerschaften im Rahmen dieser neoliberalen Ordnung umstrukturiert.
Der Staat präsentiert sich als mächtiger Immobilienentwickler. Indem er die Bürger und Bürgerinnen davon überzeugt, durch den Kauf eines bestimmten Projekts in ihre eigene Zukunft zu investieren, erzielt er in kurzer Zeit einen hohen Gewinn. In den meisten Fällen werden die Wohneinheiten über Maklerinnen verkauft. Diese werben für den Kauf einer Wohnung als sichere Investition und als Möglichkeit, Geld anzulegen, umzu vermeiden, dass sein Wert aufgrund der instabilen Wirtschaft und der wiederholten Währungsabwertung sinkt.
In diesem Jahr, mitten in der Wirtschaftskrise Ägyptens, kündigte die Regierung an, weiterhin verschiedene Immobilien anzubieten, darunter Vermögenswerte in der NAC, in der Planstadt Neu-El-Alamein westlich von Kairo und anderen. In diesem Zusammenhang wurde auch bekannt gegeben, dass internationale Immobiliengutachter mit der Bewertung dieser Vermögenswerte beauftragt werden sollten. Der Sprecher des ägyptischen Kabinetts wies darauf hin, dass zu den angebotenen Immobilien einige Wohnviertel in der NAC, wie das Viertel „R5 – New Garden City“ sowie das zentrale Geschäftsviertel und mehrere Türme in Neu-El-Alamein gehören. Ein deutliches Zeichen, wie schlecht die wirtschaftliche Lage bei der Vermögensverwaltung dieser neu errichteten Projekte sein muss. Denn in den Durchführbarkeitsstudien, die diese Projekte begleitet haben, waren diese Investitionsmodelle nicht vorgesehen.
Die Mehrzahl der Ägypter und Ägypterinnen leiden unter dem Anstieg der Preise im Vergleich zu ihrem geringen Einkommen, insbesondere nach der jüngsten Abwertung des US-Dollars. Die neuen Städte im Land sind große Fragezeichen: Dass sich die Lebensqualität für die Mehrheit der Ägypter in naher Zukunft verbessern wird, wie propagiert, muss infrage gestellt werden. Und generell muss man fragen, ob zum Beispiel die neue Verwaltungshauptstadt NAC am Ende nur ein Mittel ist, mit dem die Regierung als riesige Immobilienentwicklerin Geld einnimmt, um politische Propaganda zu betreiben und mit ihren Errungenschaften zu prahlen, unabhängig davon, wie real sie sind.
Was die Zukunft der NAC als Lebensraum betrifft, so scheint es zwei Hauptperspektiven zu geben. Die einen sind optimistisch, was das Potenzial der NAC angeht, und glauben, dass es aufgrund früherer Erfahrungen mit anderen neuen Städten einige Zeit dauern wird, bis sie sich voll entwickelt und gedeiht. Auf der anderen Seite gibt es eine pessimistischere Sichtweise, die argumentiert, dass verschiedene Faktoren, darunter die aktuelle Wirtschaftskrise, dazu führen könnten, dass die Fertigstellung des Projekts länger dauert als erwartet.
Aus dem Englischen von Beatrix Flagner
1 Shokrallah & Shawkat: „Analysis: Government Policy Commodifies Housing“, The Built Environment Observatory, 2017
2 UNDP im „National Strategic Plan for Urban Development: Egypt Vision 2052“, 2014

0 Kommentare


loading
x
loading

24.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.