Bauwelt

Märchenhaft und archaisch

Wie nicht von dieser Welt, steht das hölzerne Teehaus im Wald der Raketenstation Hombroich. Die Ausstellung auf der Museumsinsel zeigt Arbeiten des japanischen Architekten Terunobu Fujimori.

Text: Adam, Hubertus, Zürich

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    Das Teehaus als begehbare Skulptur. In den abstehenden Taschen befinden sich Glas- und Holzelemente, die vor die Öffnung geschoben werden können.
    Foto: Hertha Hurnaus

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    Das Teehaus als begehbare Skulptur. In den abstehenden Taschen befinden sich Glas- und Holzelemente, die vor die Öffnung geschoben werden können.

    Foto: Hertha Hurnaus

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    Fotos im Siza-Pavillon zeigen weitere Arbeiten des Architekten.

    Foto: Hertha Hurnaus

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    Fotos im Siza-Pavillon zeigen weitere Arbeiten des Architekten.

    Foto: Hertha Hurnaus

Märchenhaft und archaisch

Wie nicht von dieser Welt, steht das hölzerne Teehaus im Wald der Raketenstation Hombroich. Die Ausstellung auf der Museumsinsel zeigt Arbeiten des japanischen Architekten Terunobu Fujimori.

Text: Adam, Hubertus, Zürich

Unter den zeitgenössischen japanischen Architekten, die auch im Ausland Bekanntheit erlangt haben, ist Terunobu Fujimori vielleicht der eigenwilligste. 1946 in der Provinz Nagano geboren, schloss er 1971 sein Architekturstudium an der Tohoku University ab, verweigerte sich aber dem spätmodernistischen Bauboom der siebziger Jahre. Stattdessen erforschte er die japanische Architekturgeschichte und untersuchte zusammen mit Künstlerkollegen japanische Metropolen auf Basis neodadaistischer und situationistischer Strategien: 1974 bildete sich die Tokyo Architectural Detective Agency, 1986 die ROJO (Road­side Observation Studies) Society. Das Interes­se für anonyme Architektur und die surreale Poesie des Alltäglichen war eine Inspirationsquelle auch für jüngere Architekten, etwa Atelier Bow-Wow mit ihrer Studie „Made in Tokyo“ (Bauwelt 43–44.2002). Bekannt geworden im Land ist Fujimori durch Ausstellungen und Publikationen zur japanischen Architekturgeschichte und – seit 2016 – als Direktor des Edo-Tokyo Museum, das in einem spätmetabolistischen Großbau von Kiyonori Kikutake angesiedelt ist.
Erst 1991, mit 44 Jahren, errichtete er sein erstes Gebäude: das Jinchokan Moriya Historical Museum in seiner Heimatstadt Chino. Diesem folgten seither eine Reihe unterschiedlicher Bauten, darunter Museen, Einfamilienhäuser, Studentenunterkünfte und 2015 ein Besucherpark des Herstellers Taneya, der für die in Japan äußerst beliebten Baumkuchen bekannt ist. Das „La Collina“ genannte Ensemble in Omihachiman nahe Kyoto ist Fujimoris bisher größtes Projekt. Es besteht aus großen Holzbauten, die mit steil aufragenden, geometrisch abstrakten Grasdächern versehen und mit organisch geformten Elementen, wie einem mächtigen Turm und putzigen, mit kleinen Pflanzbüscheln garnierten, Pavillons kombiniert sind.
Wie alle Bauten von Fujimori wirkt La Collina märchenhaft und archaisch, nicht recht von dieser Welt, aber nur bedingt nostalgisch, eher surreal. Gewiss gibt es manche Anklänge an die historische Architektur der Jomon-Periode (1. Jahrtausend v. Chr.), doch geht es Fujimori nicht um das Re-Enactment einer nationalen Bautradition. Mit seinen eigenen Bauten verweigert er sich dem derzeit gängigen Bild der leichten, entmaterialisierten, ätherischen Architektur in Japan, für die paradigmatisch SANAA oder Sou Fujimoto stehen. Und der Investorenarchitektur, die überall im Lande grassiert, ohnehin. Auch in der Vergangenheit war das Spektrum der Architektur in Japan vielgestaltiger und bizarrer, als es gemeinhin den Anschein hat.
Nach seinem ersten Auftritt auf der Architekturbiennale 2006 in Venedig ist Fujimori gerade in Europa immer wieder in Erscheinung getreten – mit Kleinbauten, oft Teehäusern. Beispielsweise entstand 2010 das „Beetle House“ für die Ausstellung „Architects build small spaces“ im Victoria & Albert Museum London, 2012 das „Storchenhaus“ im österreichischen Raiding und zur Architekturbiennale Venedig 2018 eine Kapelle als Beitrag des Vatikans.
Diese Reihe hat nun mit dem „Ein Stein-Teehaus“ auf der Raketenstation Hombroich ihre Fortsetzung gefunden. Etwas versteckt, wie es sich für ein Teehaus gehört, steht das Gebäude in Sichtweite der Langen Foundation von Tadao Ando, so dass die Arbeiten zweier japanischer Architekten der gleichen Generation gewissermaßen kontrastieren. Das Teehaus steht auf Robi­nienpfählen, die einen Meter tief im Boden verankert sind, und ist über eine Metalltreppe zugänglich. Ursprünglich wünschte sich Fujimori hölzerne Leitern; Zeichnungen beweisen, dass er anfangs an eine Höhe von sechs bis acht Metern dachte. Doch all dies ließen die Brandschutz- und Sicherheitsbestimmungen nicht zu. Das mit einem hohen Satteldach versehene Teehaus selbst ist mit den für Fujimori typischen karbonisierten Holzbrettern (Yakisugi) verkleidet und durch eine große, wie brillenartig erscheinende Öffnung zur Landschaft hin orientiert. Wahlwei­se können Elemente aus mundgeblasenem Glas oder Holzplatten vor die Öffnung geschoben werden; im geöffneten Zustand werden diese in die auskragenden hölzernen Taschen geschoben, welche dem Teehaus als „Ohren“ einen leicht anthropomorphen Charakter verleihen.
Nur bedingt haben Fujimoris Teehäuser etwas mit der klassischen Formulierung der Bauauf­gabe durch den Teemeister Sen no Rikyu im 16. Jahrhundert zu tun. Das betrifft Form- und Materialwahl, aber auch die Möblierung: Sitzbänke und Tisch gibt es in japanischen Teehäusern eigentlich nicht, und der Teekessel steht auf offenem Feuer, nicht auf einer Heizplatte. Ein schönes Detail, wie Fujimori westliches und östliches Verhalten in ironisch-spielerischer Diktion mischt, ist die Lösung des Zugangs: Zwar verzichtet er auf die typische Kriechtür (nijiriguchi), führt den Weg zum Teehaus aber so unter einem Baum mit einem niedrigen Ast hindurch, dass auch die hochgewachsenen Europäer sich vor dem Betreten des Teehauses bücken müssen.
Ergänzt wird die Eröffnung des Teehauses, dasdauerhaft in Hombroich verbleibt, durch eine von Frank Boehm mit Leonhard Panzenböck kuratierte Ausstellung im Siza-Pavillon. Neben Entwurfsskizzen und Modellen des Projekts vor Ort sind wandhohe Schwarz-Weiß-Fotos (Akihisa Masuda) anderer Teehäuser von Fujimori zu sehen. Des Weiteren wird La Collina präsentiert, und ein Film steht ausschnitthaft für die ROJO-Jahre von Fujimori. Auf Beschreibungen wird weitestgehend verzichtet, auch das ausliegende Faltblatt gibt nur die allernötigsten Informationen. Diese Zurückhaltung mag der für Hombroichcharakteristischen Strategie geschuldet sein, die Besucher möglichst unvoreingenommen auf Kunstwerke treffen zu lassen, sie gelangt aber an Grenzen, wenn es sich um durchaus komplexe Bauvorhaben in einem anderen kulturellen Kontext handelt. Für alle diejenigen, die sich nichtschon einmal intensiver mit Fujimori auseinandergesetzt haben, wäre etwas mehr Erklärung wünschenswert gewesen.

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