Rundgang durch Eichstätt
Ein Blick auf den heutigen Zustand von Schattners Werk zeigt, wie gut die Gebäude gealtert und zum selbstverständlichen Teil des Stadtbilds geworden sind.
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Rundgang durch Eichstätt
Ein Blick auf den heutigen Zustand von Schattners Werk zeigt, wie gut die Gebäude gealtert und zum selbstverständlichen Teil des Stadtbilds geworden sind.
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Ulmer Hof 1978–80
Nur eine neue Eingangstür im historischen Portal verrät, dass das ba-rocke Gebäude am Pater-Philipp-Jeningen-Platz 6 vor viereinhalb Jahrzehnten eine bedeutende Veränderung erfuhr, als Karljosef Schattner den Dreiflügelbau mit einem vierten Flügel schloss und den Hof mit einer Stahl-Konstruktion überdachte. Der gewonnene Platz dient als eine Art Hochregallager: Im Ulmer Hof ist die Bibliothek des Fabereichs Katholische Theologie der Universität untergebracht. Ein überraschendes Detail ist der abgesenkte Boden des Le-sebereichs gegenüber den umlaufenden Gängen. Alterungsspuren sind nicht zu entdecken: Das Foto von Jens Weber zeigt denselben Zustand wie das historische Bild von Klaus Kinold.
Umbau Domdekantei zum Bischöflichen Ordinat, 1965/66
Das Gebäude am Leonrodplatz 4, in dem heute die Bau- und die Finanzabteilung der Diözese untergebracht sind, ist ein Beispiel dafür, wie sich der Umgang mit historischer Bausubstanz in den letzten sechzig Jahren gewandelt hat. Schattner erhielt nur die Außenwände und stellte in den komplett entkernten Bau eine neue Struktur aus Beton und Stahl – sogar der Dachstuhl wurde erneuert. Einige Qualitäten, die so entstanden, sind heute noch erkennbar, andere ha-ben unter der jüngsten, im letzten Jahr abgeschlossenen Sanierung gelitten, die heutigen Standards von Brandschutz und Barrierefreiheit folgte: Offen durch die zweigeschossigen Hallen führende Brückenstege etwa wurden mit gläsernen Wänden geschlossen. Der Arbeitsbereich des Diözesanbau-direktors im Dach aber entspricht noch weitgehend dem Urzustand: eine Zeitkapsel der späten sechziger Jahre.
Altes Waisenhaus, 1985–88
Wie viele alte Gebäude der Stadt dämmerte auch das Alte Waisenhaus in der Ostenstraße bis zu seiner Umnutzung für die Fachbereiche Psychologie und Journalistik der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt als trostlose Ruine vor sich hin. Schattner legte die ursprüngliche Struktur aus zwei separaten Gebäuden wieder frei, verwandelte die zwischen ihnen gelegene Gasse in einen glasgedeckten Treppenhof und stellte auf der Gartenseite eine abstrakt befensterte Blendfassade anstelle der abgebrochenen Barockfassade als neuen gemeinsamen Abschluss vor die restaurierten Renaissancefassaden der Altbauten. „Das wäre selbst Scarpa nicht eingefallen“, so Peter Rumpf trocken in Bauwelt 46.1988.
Fachbereich Geographie, 1978–80, und Lehrstuhl Journalistik, 1985–87
In die Tiefe des Grundstücks erstreckt sich die Neubebauung der Ostenstraße 18 für die Verwaltung der Universität. Heute nutzt der Fachbereich Geographie die beiden Betongebäude mit dem dazwischen angeordneten Treppenhaus aus Stahl und Glas. Mit ihm korrespondiert die Erschließungshalle des benachbarten Gebäudes für den Lehrstuhl Journalistik, in dessen Eingangsbereich Schattner der Postmoderne frönte, wie das nebenstehende Foto zeigt – „von Scarpa zu Botta?“, wunderten wir uns in der bereits zitierten Bauwelt-Ausgabe. Doch lohnt sich auch ein Blick auf die zur Treppenhalle hin angeordneten Doppelfenster, die sich nur miteinem raffinierten, aber auch umständlichen Schraubmechanismus öffnen lassen.
Staats- und Seminarbibliothek, 1963–65
Das auch als Hofgartenbibliothek bekannte Gebäude diente sechzig Jahre ohne Veränderung seinem ursprünglichen Zweck. Nun steht eine Sanierung bevor, die, wie beim Ordinariat am Leonrodplatz, den Anforderungen von Brandschutz und Barrierefreiheit folgen wird, den zugleich intimen wie großzügigen Charakter der Innenräume aber hoffentlich zu bewahren weiß.
Mensa, 1986–88
Obwohl die Mensa zeitgleich mit dem Lehrstuhl Journalistik entstand, hat sich Schattner mit ihr bereits wieder von der Postmoderne befreit. Vielmehr weist das lichterfüllte Gebäude, das den Universitätscampus aus den sechziger Jahren nach Süden abrundet, schon voraus in die Architektur der neunziger Jahre. Zwar hat ein neuer Aufzug auf der Südseite das Erscheinungsbild verunklart. Aber noch immer ist klar, warum die Bauwelt dem Bau vor 36 Jahren „eine weltläufige Eleganz“ bescheinigte, die ihn „den schönsten der barocken Eichstätter Kleinodien gleichstellt“.
Katholische Universität, 1960–65
Die Universität in die Stadt zu holen und nicht vor ihren Toren zu errichten, ist vermutlich die beste Idee Schattners, weil sie die Rettung der historischen Altstadt ermöglichte. Sie zeigt, dass Schattner eben nicht nur mit Materialien umzugehen und und feinsinnige Detaillösungen zu entwickeln wusste, sondern auch im großen Maßstab dachte. Dass die zuerst errichteten Gebäude an der Ostenstraße nun saniert werden müssen, ist aber keine Schreckensnachricht: Verantwortlich dafür ist schließlich das Architekturbüro Diezinger, dessen Gründer ein enger Mitarbeiter Schattners war.
Kirche Zur Heiligen Familie, 1963–65
Hoch ragt der Glockenturm der brutalistischen Kirche an der Pirkheimer, Ecke Kipfenberger Straße auf – ein Blickfang, wenn man Eichstätt in Richtung Osten verlässt. Schäden an der Dachkonstruktion erzwangen Ende 2023, dass das denkmalgeschützte Gebäude, zu dem auch das Pfarrhaus am Eingangshof und, über einen weiteren Hof erreichbar, ein Kindergarten gehören, gesperrt werden musste. Ein Fall für Schattners Nachfolger Ivo Hermann.
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