Foto-Parcours an frischer Luft
Das Kunstforum der TU Darmstadt zeigt die Ausstellung „Trautes Heim“ im öffentlichen Raum. Zahlreiche Fotografien internationaler Künstler stellen hier Fragen der Identität und Zugehörigkeit.
Text: Drewes, Frank F., Bielefeld
Foto-Parcours an frischer Luft
Das Kunstforum der TU Darmstadt zeigt die Ausstellung „Trautes Heim“ im öffentlichen Raum. Zahlreiche Fotografien internationaler Künstler stellen hier Fragen der Identität und Zugehörigkeit.
Text: Drewes, Frank F., Bielefeld
Das „Traute Heim“ schien weitgehend ein Relikt aus vergangenen Tagen zu sein – eher Synonym als gelebte Realität. Man denkt zugleich an „Glück allein(e)“, und wer möchte das noch in unserer digitalen Sharing Community? Als Gesellschaft im Wandel geht es natürlich nicht immer nur vorwärts, und das Corona Virus gab dem überholten trauten Heim eine neue und höchst aktuelle Bedeutung. Shared Living und Small Living, gar Micro Living; die propagierten Trends zur Lösung von Wohnraumfragen erscheinen in völlig neuem Licht, wenn man dank Lockdown plötzlich mit Partner und Kindern den Stresstest von komprimiertem Woh-nen im Langzeitversuch erproben darf. Trautes Heim – Glück allein?
Die 11. Darmstädter Tage der Fotografie stehen unter dem Motto „Skurrile Fluchten – Humor in der Fotografie“. Unterschiedliche Ausstellungen sind zu sehen, darunter „Zusammenleben“ und „Heide Stolz. Affären“ in der Kunsthalle Darmstadt, und die Gruppenausstellung „Safa-ri/Die Tür ins Meer/Hessdalen“ am OHA Osthang.
Im Rahmen der Ausstellung „Trautes Heim“, ist die Aktualität des Themas Zufall: Die Planungen für die 11. Darmstädter Tage der Fotografie begannen bereits 2019, bevor das Corana-Vi-rus seinen Feldzug antrat. Zunächst kuratierte Julia Reichelt „Trautes Heim“ für zwei Standorte im Innenraum. Als Reaktion auf die geforderten Hygienemaßnahmen beschritt sie aber nicht den gängigen Weg in eine digitale Welt, sondern punktet mit erhöhter physischer Präsenz im trauten Stadtraum. Das ist durchaus eine Win-win-Situation, denn statt einer Nischenpräsenz hinter – wenngleich offenen – Türen bekommen die Fotografien nun maximale Aufmerksam-keit. Mit Standorten auf dem Friedensplatz, dem Schlossgraben und im Herrengarten wird innerhalb der etwa zweimonatigen Laufzeit wohl fast jeder Bürger und Besucher Darmstadts erreicht. Ein zusätzliches Galerie-Szenario bietet das Konsum Mathildenhöhe, wo Beiträge aller beteiligten Künstler in konventioneller Rahmenpräsentation beziehungsweise als Video dargeboten werden.
Mit Maßen von bis zu drei mal vier Metern bekommen die für den Stadtraum ausgedruckten Fotografien fast schon skulpturale Qualitäten, und treten in Bezug zum Kontext und zu den Passanten. Sowie die Arbeiten auf Staffeleien, direkt auf dem Rasen, auf Pfosten oder vier Meter hohen Kuben aufgestellt sind, ist es ein Genuss die Fotokunst als Parcours zu erleben, und nebenbei Darmstadt besser kennen zu lernen. In besonderem Fokus steht die Arbeit von Anna und Bernhard Blume, die in exponierter Lage vor dem Staatstheater nicht bloß von jedem Autofahrer gesehen wird, der in der Kurve den Fuß vom Gaspedal nimmt. Die jüngst verstorbene Anna Blume hätte diese Ausstellung noch erlebt, wenn sie, wie ursprünglich geplant, Ende April stattgefunden hätte. Erwin Wurm ist ein weiterer Kunstmarkt- und Medienliebling unter den teilnehmenden Künstlern. Die überwiegenden Positionen sind aber junge, internationale Fotografen, die großenteils erstmalig in Deutschland gezeigt werden: AdeY, Ren Hang, Andy Kassier, Pixy Liao, Alexey Shlyk, Katrin Binner und Liu Susiraja. Es zeigt sich, dass „Trautes Heim“ nur als lose thematische Klammer verstanden werden kann, denn bei fast allen Beiträgen geht es vielmehr um Identitäts- und Zugehörigkeitsfragen – die wiederum an Bedeutung gewinnen, wenn man das traute Heim verlässt.
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