Verbreiter der frohen Botschaft
Eine Ausstellung in der Kunsthalle Bielefeld präsentiert Philip Johnson und Alfred H. Barr als kongeniales Tandem, das die Ideen des Bauhauses nach Amerika brachte
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Verbreiter der frohen Botschaft
Eine Ausstellung in der Kunsthalle Bielefeld präsentiert Philip Johnson und Alfred H. Barr als kongeniales Tandem, das die Ideen des Bauhauses nach Amerika brachte
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Die Kunsthalle in Bielefeld ist das einzige Museum, das Philip Johnson je bauen konnte. Das ist im Grunde erstaunlich, bedenkt man die Nähe, die Johnson zeitlebens vielleicht nicht zur Museumswelt als solcher, dafür umso mehr zu einem bestimmten Museum hatte: dem Museum of Modern Art in New York.
Johnson hat das längst selbst zu einer Inkunabel der Moderne gewordene Bauwerk des MoMA in der 53. Straße von Manhattan nicht entworfen. Dazu war er 1936, als der Stiftungsrat des Museums die Entscheidung zu einem eigenen Gebäude fiel, zu jung; der Auftrag ging an Philip Goodwin und Edward Durrell Stone. Vor allem aber war Johnson zu diesem Zeitpunkt noch kein Architekt. Er war aber, wie nur ein anderer, an der Ästhetik der Moderne, an ihren kulturellen Hervorbringungen interessiert. Dieser zweite war Alfred H. Barr. Die beiden lernten sich im Juni 1929 am Wellesley College in der Nähe von Boston kennen, wo Johnson studierte und Barr lehrte. Insbesondere aber war Barr soeben zum Direktor einer im Entstehen begriffenen Institution berufen worden, die den ambitionierten Titel trug: Museum of Modern Art.
Alfred H. Barr (1902–1981) und Philip Johnson (1906–2005) bildeten ein ideales Tandem. Salopp gesagt, brachten sie das Bauhaus nach Amerika: Dies jedenfalls ist die These, die die Ausstellung „Partners in Design“ entfaltet, die am Montreal Museum of Fine Arts erarbeitet und nun von der Kunsthalle Bielefeld übernommen wurde. Bielefeld deshalb, weil eben die dortige Kunsthalle von Johnson entworfen wurde und zudem kurz vor ihrem 50. Geburtstag steht. Sie wurde am 27. September 1968 eröffnet, nur zwölf Tage nach der Einweihung der Neuen Nationalgalerie Berlin nach dem Entwurf von Mies van der Rohe, der wiederum der architektonische Mentor Johnsons war.
Von Mies hatte sich Johnson 1930 seine Wohnung in einem – erst 1927 fertiggestellten, jedoch architektonisch konventionellen – Apart- tmentgebäude an der 52. Straße einrichten lassen, eine Querstraße von der künftigen Adresse des MoMA entfernt – und im Stockwerk darunter, wie bislang kaum bekannt war, wohnte Barr. Der aber, weniger begütert als der aus wohlhabendem Haus stammende Johnson, begnügte sich mit amerikanischem Industriedesign, während Johnsons Wohnung eben dieses in Einzelanfertigung vorspiegelte.
Johnsons Wohnungseinrichtung ist in Teilen, so gut es ging, in Bielefeld nachgestellt; darun-ter findet sich Mies’ Sessel aus der Villa Tugendhat, die er 1930 im mährischen Brünn als Komplettentwurf hatte realisieren können. Das Apartment war nicht groß, erschien aber, durch bodenlange Vorhänge gegliedert, optisch größer, wie man von Fotos weiß. Von Barrs Ausstattung sind vergleichbare Fotografien nicht bekannt, als Wissenschaftler, der er seinem ganzen Habitus nach war, dürfte es bei ihm weniger aufs Vorzeigen angekommen sein, dafür mehr herumliegendes Papier gegeben haben.
Barr hatte das akademische Jahr 1927–28 auf einer ausgedehnten Europareise verbracht, die ihn zu den Stätten der Avantgarde führte, nach Rotterdam zu den Siedlungsbauten von J.J.P. Oud, ganz besonders ans Bauhaus nach Dessau, und spontan nach Moskau zum WChUTEMAS, dieser dem Bauhaus ganz ähnlichen, nur nicht ebenso vorzeigbar untergebrachten Lehrstät-te. Barr war der Intellektuelle, der das Konzept eines künftigen Moderne-Museums wohl schon im Kopf gehabt haben musste, ehe er zum Direktor einer mit dem Geld dreier reicher Kunstsammlerinnen auf den Weg gebrachten Einrichtung wurde. Johnson hingegen erscheint zumindest in der Bielefelder Ausstellung als Macher, der 1929 die Barr-Reise teilweise wiederholt und nun auch zur Weißenhofsiedlung nach Stuttgart fährt, 1930 die Architekturabteilung des MoMA übernimmt, 1932 mit dem älteren und renommierten Henry-Russell Hitchcock die legendäre Ausstellung „Modern Architecture – Internatio-nal Exhibition“ konzipiert, in deren Folge der Begriff „International Style“ zum Synonym für alles neue Bauen wird, und 1934 mit Barr die Ausstellung „Machine Age“ zusammenstellt. Diese Detailgeschichte des frühen MoMA ist seit der hervorragenden Darstellung von Sybil Gordon Kan-tor über Alfred H. Barr von 2002 bekannt, und insofern fügt die Bielefelder Ausstellung allein die visuelle Anschauung hinzu.
Hierzulande ist die Ausstellung „Machine Age“ in ihrer Bedeutung kaum geläufig: Tatsächlich aber war es diese Versammlung von industriell hergestellten, „namenlosen“ Gebrauchsgegenständen zusammen mit der nachfolgenden, langjährigen Ausstellungsreihe der „Useful Objects“, die das technisch-industrielle Design in den USA durchsetzten und zur ästhetischen Richtschnur erhoben. 34 solcher „nützlichen Gegenstände“ zeigt die Kunsthalle Bielefeld unter Glasstürzen auf hohen Sockeln, jeweils von einer darüber hängenden Schirmlampe beleuchtet. Die Objekte, darunter ein Exemplar genau des Kugelrollenlagers, das bei „Machine Age“ 1934 zu sehen war, oder eine aus Aluminium in einem Stück geformte Küchenspüle, bekommen dadurch etwas Magisches: Sie sind die Fetische, deren Präsenz „die“ Moderne beschwört und herbeiruft.
Der Katalog der 1934er Ausstellung, der ebenfalls als kostbarer Zeitzeuge in einer Vitrine ausliegt, wurde von Herbert Bayer gestaltet. Er richtete vier Jahre später die „Bauhaus“-Ausstellung des MoMA ein, die den Siegeszug der ganz auf Gropius zugeschnittenen Darstellung oder eher Verzerrung der Bauhaus-Geschichte markiert.
In Bielefeld hat Kunsthallen-Direktor Friedrich Meschede eigene Bestände in die Ausstellung integriert, darunter zwei Gemälde der unendlichen Serie „Hommage to the Square“ von Josef Albers oder ein zauberhaftes Werk von Paul Klee. Der Katalog, dem man die unter Zeitdruck gefertigte Übersetzung aus dem Amerikanischen bisweilen anmerkt, beschäftigt sich eingehend mit den beiden genannten Ausstellungen von 1932 und 1934 und mündet schließlich in eine Überblicksdarstellung der „Verbreitung der frohen Botschaft des modernen Designs“, so der Titel des Schlusskapitels. Das ist dann aber nicht mehr Bauhaus pur, das ist überhaupt nicht mehr Bauhaus, sondern jene Warenwelt, wie sie die riesige und enorm geschmacksprägende Ausstellung „An Exhibition for Modern Living“ 1949 im damals blühenden Detroit vorführte, quasi am Beginn des Zeitalters des immer weiter ausgreifenden Konsums.
Da war das Bauhaus in Amerika angekommen und hatte sich in der anbrechenden Epoche eines demokratischen Wohlstands aufgelöst, angeschoben von dem Idealisten Alfred Barr und dem Pragmatiker Philip Johnson.
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