Wie können wir uns mit diversen Kulturen auseinandersetzen, ohne sie zu fetischisieren?
Für die Umgestaltung des Hamburger MARKK – Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt – wurden im Herbst 2024 über ein zweistufiges EU-weites Vergabeverfahren die Büros Lina Ghotmeh – Architecture aus Paris und BIWERMAU Architekten aus Hamburg aus 24 Teams ausgewählt. Das ehemalige „Völkerkundemuseum“ signalisiert seit 2018 mit neuem Namen einen bewussten Bruch mit der kolonialistischen Perspektive. Mit der Neugestaltung soll das MARKK in einen lebendigen und barrierefreien Ort für den interkulturellen Austausch und kritische Reflexion verwandelt werden. Eine neue Dauerausstellung verschafft den Stimmen der Herkunftsländer Gehör und hinterfragt die Machtverhältnisse, die die Sammlung prägten. Da kein zweiter und dritter Platz vergeben wurde, liegt der Fokus auf der Gewinnerin: Lina Ghotmeh, die auch die Neugestaltung des British Museum verantwortet, erläutert im Interview, wie sie dieses 123-Millionen-Euro-Projekt angehen wird.
Text: Rieken, Antonia, Hamburg
Wie können wir uns mit diversen Kulturen auseinandersetzen, ohne sie zu fetischisieren?
Für die Umgestaltung des Hamburger MARKK – Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt – wurden im Herbst 2024 über ein zweistufiges EU-weites Vergabeverfahren die Büros Lina Ghotmeh – Architecture aus Paris und BIWERMAU Architekten aus Hamburg aus 24 Teams ausgewählt. Das ehemalige „Völkerkundemuseum“ signalisiert seit 2018 mit neuem Namen einen bewussten Bruch mit der kolonialistischen Perspektive. Mit der Neugestaltung soll das MARKK in einen lebendigen und barrierefreien Ort für den interkulturellen Austausch und kritische Reflexion verwandelt werden. Eine neue Dauerausstellung verschafft den Stimmen der Herkunftsländer Gehör und hinterfragt die Machtverhältnisse, die die Sammlung prägten. Da kein zweiter und dritter Platz vergeben wurde, liegt der Fokus auf der Gewinnerin: Lina Ghotmeh, die auch die Neugestaltung des British Museum verantwortet, erläutert im Interview, wie sie dieses 123-Millionen-Euro-Projekt angehen wird.
Text: Rieken, Antonia, Hamburg
Frau Ghotmeh, inwiefern beeinflusst die Geschichte des Museums Ihren Entwurf?
Ich wollte insbesondere das MARKK als Institution begreifen. Es war im Laufe der Zeit an verschiedenen Orten in der Stadt ansässig, bis es aufgrund der wachsenden Sammlung 1912 als „Völkerkundemuseum“ in dieses Gebäude zog. Diese Geschichte erfordert einen sensiblen Umgang mit dem architektonischen Erbe, insbesondere mit der Bedeutung des Gebäudes als neobarocke Struktur. Veränderungen zu verstehen, ist entscheidend für die Bewahrung des Erbes. Wir haben untersucht, an welchen Stellen Eingriffe möglich und wo strukturelle Veränderungen nötig sind, um den ursprünglichen Charakter des Gebäudes wiederherzustellen. Ein Beispiel dafür ist der überdachte Innenhof, der früher offen war, und den wir wieder öffnen werden. Diese Öffnung wird als „breathing point“ zwischen den verschiedenen Gebäudeteilen fungieren. Eine weitere Idee ist, die Ebenen des später hinzugefügten östlichen Gebäudeteils wiederherzustellen – das wird eine bessere Zirkulation ermöglichen.
Auch die Geschichte Hamburgs und der Museumssammlung wirft die Frage auf, wie wir mit diesem Gebäude umgehen. Die Sammlung stammt aus verschiedenen Regionen der Welt, und erzählt auch von der Kolonialgeschichte Deutschlands, insbesondere von Hamburg. Wie gehen wir also mit diesen Objekten um, die zu diversen und weit entfernten Kulturen gehören? Wie können wir uns mit ihnen auseinandersetzen, ohne sie zu fetischisieren, in geschlossene Räume zu stellen und sie als Andersartigkeit zu betrachten? Unser Ziel ist es, mit dem Entwurf der neuen Dauerausstellung und dem Umgang mit den Objekten eine Verbindung zwischen allen Kulturen zu schaffen – denn Kultur ist fließend, andauernd von Diversität durchdrungen. Wir möchten durch die Ausstellung Gespräche eröffnen und den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen und Menschen ermöglichen sowie die Vielfalt fördern. Daher werden nicht nur Objekte präsentiert, sondern den Geschichten der Herkunftsgesellschaften Raum gegeben und die Menschen mit Workshops aktiv eingebunden. Wir möchten ein Gefühl des Schaffens in das MARKK bringen.
Ich wollte insbesondere das MARKK als Institution begreifen. Es war im Laufe der Zeit an verschiedenen Orten in der Stadt ansässig, bis es aufgrund der wachsenden Sammlung 1912 als „Völkerkundemuseum“ in dieses Gebäude zog. Diese Geschichte erfordert einen sensiblen Umgang mit dem architektonischen Erbe, insbesondere mit der Bedeutung des Gebäudes als neobarocke Struktur. Veränderungen zu verstehen, ist entscheidend für die Bewahrung des Erbes. Wir haben untersucht, an welchen Stellen Eingriffe möglich und wo strukturelle Veränderungen nötig sind, um den ursprünglichen Charakter des Gebäudes wiederherzustellen. Ein Beispiel dafür ist der überdachte Innenhof, der früher offen war, und den wir wieder öffnen werden. Diese Öffnung wird als „breathing point“ zwischen den verschiedenen Gebäudeteilen fungieren. Eine weitere Idee ist, die Ebenen des später hinzugefügten östlichen Gebäudeteils wiederherzustellen – das wird eine bessere Zirkulation ermöglichen.
Auch die Geschichte Hamburgs und der Museumssammlung wirft die Frage auf, wie wir mit diesem Gebäude umgehen. Die Sammlung stammt aus verschiedenen Regionen der Welt, und erzählt auch von der Kolonialgeschichte Deutschlands, insbesondere von Hamburg. Wie gehen wir also mit diesen Objekten um, die zu diversen und weit entfernten Kulturen gehören? Wie können wir uns mit ihnen auseinandersetzen, ohne sie zu fetischisieren, in geschlossene Räume zu stellen und sie als Andersartigkeit zu betrachten? Unser Ziel ist es, mit dem Entwurf der neuen Dauerausstellung und dem Umgang mit den Objekten eine Verbindung zwischen allen Kulturen zu schaffen – denn Kultur ist fließend, andauernd von Diversität durchdrungen. Wir möchten durch die Ausstellung Gespräche eröffnen und den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen und Menschen ermöglichen sowie die Vielfalt fördern. Daher werden nicht nur Objekte präsentiert, sondern den Geschichten der Herkunftsgesellschaften Raum gegeben und die Menschen mit Workshops aktiv eingebunden. Wir möchten ein Gefühl des Schaffens in das MARKK bringen.
Wie prägt die Hamburger Stadtgeschichte das Projekt?
Hamburg als Hafenstadt ist vom Handel und ihren Lagerhäusern – den Speichern – geprägt. Das spiegelt auch die Geschichte der Ausstellungstücke wider, die lange Reisen hinter sich haben. Davon inspiriert entstand das Konzept einer Ausstellung, die wie ein Lagerhaus und eine Werkstatt gestaltet ist – ein Ort mit Objekten, die sich auf Durchreise befinden. Es geht weniger um die Beständigkeit von Strukturen, sondern auch um ihre Vergänglichkeit.
Ein weiteres gestalterisches Element ist das zusätzliche Dach auf dem neueren Gebäudeteil, welcher nicht die gleiche historische Bedeutung hat wie das Hauptgebäude. Dieses Dach wird an ein Boot erinnern – ein Symbol für Bewegung, Wandel und die stetige Fluidität von Geschichte und Kultur.
Hamburg als Hafenstadt ist vom Handel und ihren Lagerhäusern – den Speichern – geprägt. Das spiegelt auch die Geschichte der Ausstellungstücke wider, die lange Reisen hinter sich haben. Davon inspiriert entstand das Konzept einer Ausstellung, die wie ein Lagerhaus und eine Werkstatt gestaltet ist – ein Ort mit Objekten, die sich auf Durchreise befinden. Es geht weniger um die Beständigkeit von Strukturen, sondern auch um ihre Vergänglichkeit.
Ein weiteres gestalterisches Element ist das zusätzliche Dach auf dem neueren Gebäudeteil, welcher nicht die gleiche historische Bedeutung hat wie das Hauptgebäude. Dieses Dach wird an ein Boot erinnern – ein Symbol für Bewegung, Wandel und die stetige Fluidität von Geschichte und Kultur.
Architektur vereint für Sie Vergangenheit, Zukunft, Menschlichkeit und Natur. Welche Rolle spielt die Natur in diesem Projekt?
Die Natur verkörpert für mich einerseits ein Gefühl: Es geht darum, sich wohlzufühlen.
Andererseits wird die Natur auch im wörtlichen Sinne eine zentrale Rolle spielen: Wir pflanzen Bäume, öffnen den Innenhof und verwandeln ihn in einen grünen Garten; der Himmel und die Sonne gelangen in die Räume. Auch die Dachkonstruktion wird darauf ausgerichtet, Licht in die Galerien zu lenken, die Räume offen wirken zu lassen und die Natur zum Teil der Architektur zu machen. Außerdem wird der Eingangsbereich neugestaltet und ein eigener Auftrag an Landschaftsplanende vergeben. Neben der Begrünung war uns auch die Barrierefreiheit ein wichtiges Anliegen.
Die Natur verkörpert für mich einerseits ein Gefühl: Es geht darum, sich wohlzufühlen.
Andererseits wird die Natur auch im wörtlichen Sinne eine zentrale Rolle spielen: Wir pflanzen Bäume, öffnen den Innenhof und verwandeln ihn in einen grünen Garten; der Himmel und die Sonne gelangen in die Räume. Auch die Dachkonstruktion wird darauf ausgerichtet, Licht in die Galerien zu lenken, die Räume offen wirken zu lassen und die Natur zum Teil der Architektur zu machen. Außerdem wird der Eingangsbereich neugestaltet und ein eigener Auftrag an Landschaftsplanende vergeben. Neben der Begrünung war uns auch die Barrierefreiheit ein wichtiges Anliegen.
Wie werden Sie mit dem Bestand umgehen?
Eine umfassende Renovierung bedeutet, das Bestehende wertzuschätzen und so wenig wie möglich abzureißen. Wir verfolgen einen ökologischen Ansatz und berücksichtigen die Materialökonomie: Wenn Abriss nötig ist, geht es darum, die Materialien wiederzuverwerten. Das Gebäude wird zu einer Materialbank – wir nutzen, was bereits vorhanden ist und recyceln das, was entfernt wird. Für die Ausstellungsgestaltung werden wir Materialien wie Holz verwenden und den Abfall so weit wie möglich reduzieren.
Neben dem bewussten Umgang ist es auch die Haptik, die für mich ausschlaggebend bei Materialien ist. Sie ermöglicht den Besuchern und Besucherinnen die Räume zu fühlen und mit der Architektur in Kontakt zu treten. Die Texturen und Stimmungen sind wahrnehmbar, ohne hinzusehen – alle Sinne werden angesprochen.
Eine umfassende Renovierung bedeutet, das Bestehende wertzuschätzen und so wenig wie möglich abzureißen. Wir verfolgen einen ökologischen Ansatz und berücksichtigen die Materialökonomie: Wenn Abriss nötig ist, geht es darum, die Materialien wiederzuverwerten. Das Gebäude wird zu einer Materialbank – wir nutzen, was bereits vorhanden ist und recyceln das, was entfernt wird. Für die Ausstellungsgestaltung werden wir Materialien wie Holz verwenden und den Abfall so weit wie möglich reduzieren.
Neben dem bewussten Umgang ist es auch die Haptik, die für mich ausschlaggebend bei Materialien ist. Sie ermöglicht den Besuchern und Besucherinnen die Räume zu fühlen und mit der Architektur in Kontakt zu treten. Die Texturen und Stimmungen sind wahrnehmbar, ohne hinzusehen – alle Sinne werden angesprochen.
Haben Sie Erfahrung mit Bestandsgebäuden?
Ja, ich habe mit meinem Büro im Palais de Tokyo in Paris gearbeitet. Da wir auch Renovierungen durchführen, interessiere ich mich immer für Bestandsprojekte – in der Regel jedoch in einem kleineren Maßstab als dem eines Museums. Allerdings habe ich beispielsweise auch an einer größeren Ausstellung im Nationalmuseum von Tokio mitgewirkt. Biwermau Architekten bringen zudem umfassende Erfahrung in der Denkmalpflege mit, weshalb wir uns gut ergänzen.
Ja, ich habe mit meinem Büro im Palais de Tokyo in Paris gearbeitet. Da wir auch Renovierungen durchführen, interessiere ich mich immer für Bestandsprojekte – in der Regel jedoch in einem kleineren Maßstab als dem eines Museums. Allerdings habe ich beispielsweise auch an einer größeren Ausstellung im Nationalmuseum von Tokio mitgewirkt. Biwermau Architekten bringen zudem umfassende Erfahrung in der Denkmalpflege mit, weshalb wir uns gut ergänzen.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Biwermau?
Wir haben sie gefragt, als wir uns für diesen Wettbewerb beworben haben. Es ist wichtig, lokales Wissen und einen Ansprechpartner vor Ort zu haben. Unsere erste Zusammenarbeit harmoniert architektonisch und menschlich sehr gut. Ich freue mich auf dieses Projekt.
Wir haben sie gefragt, als wir uns für diesen Wettbewerb beworben haben. Es ist wichtig, lokales Wissen und einen Ansprechpartner vor Ort zu haben. Unsere erste Zusammenarbeit harmoniert architektonisch und menschlich sehr gut. Ich freue mich auf dieses Projekt.
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