Bauwelt

Wie können wir uns mit diversen Kulturen auseinandersetzen, ohne sie zu fetischisieren?

Für die Umgestaltung des Hamburger MARKK – Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt – wurden im Herbst 2024 über ein zweistufiges EU-weites Vergabeverfahren die Büros Lina Ghotmeh – Architecture aus Paris und BIWERMAU Architekten aus Hamburg aus 24 Teams ausgewählt. Das ehemalige „Völkerkundemuseum“ signa­lisiert seit 2018 mit neuem Namen einen bewussten Bruch mit der kolonialistischen Perspektive. Mit der Neugestaltung soll das MARKK in einen lebendigen und barrierefreien Ort für den interkulturellen Austausch und kritische Reflexion verwandelt werden. Eine neue Dauerausstellung verschafft den Stimmen der Herkunftsländer Gehör und hinterfragt die Machtverhältnisse, die die Sammlung prägten. Da kein zweiter und dritter Platz vergeben wurde, liegt der Fokus auf der Gewinnerin: Lina Ghotmeh, die auch die Neugestaltung des British Museum verantwortet, erläutert im Interview, wie sie dieses 123-Millionen-Euro-Projekt angehen wird.

Text: Rieken, Antonia, Hamburg

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    Lina Ghotmeh war 2006 Gründungsmitglied im Pariser Büro DGT Architects, mit dem sie das Estnische Nationalmuseum realisierte. 2016 gründete sie ihr Büro Lina Ghotmeh – Archi­tecture. Sie erhielt Auszeichnungen wie den Schelling Architekturpreis 2020 und lehrte an der École Spéciale d’Architecture, Yale und der University of Toronto. Eines ihrer Projekte wurde 2021 auf der Architekturbiennale in Venedig ausgestellt.
    Foto: Kimberly Lloyd

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    Lina Ghotmeh war 2006 Gründungsmitglied im Pariser Büro DGT Architects, mit dem sie das Estnische Nationalmuseum realisierte. 2016 gründete sie ihr Büro Lina Ghotmeh – Archi­tecture. Sie erhielt Auszeichnungen wie den Schelling Architekturpreis 2020 und lehrte an der École Spéciale d’Architecture, Yale und der University of Toronto. Eines ihrer Projekte wurde 2021 auf der Architekturbiennale in Venedig ausgestellt.

    Foto: Kimberly Lloyd

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    Axonometrie des umgestalteten MARKK: Unter anderem soll eine unabhängige Gastronomie mit Außenbereich einen Bezug zur Stadt herstellen.
    Visualisierung: Lina Ghotmeh – Architecture

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    Axonometrie des umgestalteten MARKK: Unter anderem soll eine unabhängige Gastronomie mit Außenbereich einen Bezug zur Stadt herstellen.

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    Ende 2027 wird das MARKK für die Umbauarbeiten geschlossen. Anfang der 2030er eröffnet das Museum neu und die Vision eines offenen, grünen Innenhofs wird realisiert sein.
    Visualisierung: Lina Ghotmeh – Architecture

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    Ende 2027 wird das MARKK für die Umbauarbeiten geschlossen. Anfang der 2030er eröffnet das Museum neu und die Vision eines offenen, grünen Innenhofs wird realisiert sein.

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    Vision für einen Ausstellungssaal
    Visualisierung: Lina Ghotmeh – Architecture

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    Vision für einen Ausstellungssaal

    Visualisierung: Lina Ghotmeh – Architecture

Wie können wir uns mit diversen Kulturen auseinandersetzen, ohne sie zu fetischisieren?

Für die Umgestaltung des Hamburger MARKK – Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt – wurden im Herbst 2024 über ein zweistufiges EU-weites Vergabeverfahren die Büros Lina Ghotmeh – Architecture aus Paris und BIWERMAU Architekten aus Hamburg aus 24 Teams ausgewählt. Das ehemalige „Völkerkundemuseum“ signa­lisiert seit 2018 mit neuem Namen einen bewussten Bruch mit der kolonialistischen Perspektive. Mit der Neugestaltung soll das MARKK in einen lebendigen und barrierefreien Ort für den interkulturellen Austausch und kritische Reflexion verwandelt werden. Eine neue Dauerausstellung verschafft den Stimmen der Herkunftsländer Gehör und hinterfragt die Machtverhältnisse, die die Sammlung prägten. Da kein zweiter und dritter Platz vergeben wurde, liegt der Fokus auf der Gewinnerin: Lina Ghotmeh, die auch die Neugestaltung des British Museum verantwortet, erläutert im Interview, wie sie dieses 123-Millionen-Euro-Projekt angehen wird.

Text: Rieken, Antonia, Hamburg

Frau Ghotmeh, inwiefern beeinflusst die Geschichte des Museums Ihren Entwurf?
Ich wollte insbesondere das MARKK als Institution begreifen. Es war im Laufe der Zeit an verschiedenen Orten in der Stadt ansässig, bis es aufgrund der wachsenden Sammlung 1912 als „Völkerkundemuseum“ in dieses Gebäude zog. Diese Geschichte erfordert einen sensiblen Umgang mit dem architektonischen Erbe, insbesondere mit der Bedeutung des Gebäudes als neobarocke Struktur. Veränderungen zu verstehen, ist entscheidend für die Bewahrung des Erbes. Wir haben untersucht, an welchen Stellen Eingriffe möglich und wo strukturelle Veränderungen nötig sind, um den ursprünglichen Charakter des Gebäudes wiederherzustellen. Ein Beispiel dafür ist der überdachte Innenhof, der früher offen war, und den wir wieder öffnen werden. Diese Öffnung wird als „breathing point“ zwischen den verschiedenen Gebäudeteilen fungieren. Eine weitere Idee ist, die Ebenen des später hinzugefügten östlichen Gebäudeteils wiederherzustellen – das wird eine bessere Zirkulation ermöglichen.
Auch die Geschichte Hamburgs und der Museumssammlung wirft die Frage auf, wie wir mit diesem Gebäude umgehen. Die Sammlung stammt aus verschiedenen Regionen der Welt, und erzählt auch von der Kolonialgeschichte Deutschlands, insbesondere von Hamburg. Wie gehen wir also mit diesen Objekten um, die zu diversen und weit entfernten Kulturen gehören? Wie können wir uns mit ihnen auseinandersetzen, ohne sie zu fetischisieren, in geschlossene Räume zu stellen und sie als Andersartigkeit zu betrachten? Unser Ziel ist es, mit dem Entwurf der neuen Dauerausstellung und dem Umgang mit den Objekten eine Verbindung zwischen allen Kulturen zu schaffen – denn Kultur ist fließend, andauernd von Diversität durchdrungen. Wir möchten durch die Ausstellung Gespräche eröffnen und den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen und Menschen ermöglichen sowie die Vielfalt fördern. Daher werden nicht nur Objekte präsentiert, sondern den Geschichten der Herkunftsgesellschaften Raum gegeben und die Menschen mit Workshops aktiv eingebunden. Wir möchten ein Gefühl des Schaffens in das MARKK bringen.
Wie prägt die Hamburger Stadtgeschichte das Projekt?
Hamburg als Hafenstadt ist vom Handel und ihren Lagerhäusern – den Speichern – geprägt. Das spiegelt auch die Geschichte der Ausstellungstücke wider, die lange Reisen hinter sich haben. Davon inspiriert entstand das Konzept einer Ausstellung, die wie ein Lagerhaus und eine Werkstatt gestaltet ist – ein Ort mit Objekten, die sich auf Durchreise befinden. Es geht weniger um die Beständigkeit von Strukturen, sondern auch um ihre Vergänglichkeit.
Ein weiteres gestalterisches Element ist das zusätzliche Dach auf dem neueren Gebäudeteil, welcher nicht die gleiche historische Bedeutung hat wie das Hauptgebäude. Dieses Dach wird an ein Boot erinnern – ein Symbol für Bewegung, Wandel und die stetige Fluidität von Geschichte und Kultur.
Architektur vereint für Sie Vergangenheit, Zukunft, Menschlichkeit und Natur. Welche Rolle spielt die Natur in diesem Projekt?
Die Natur verkörpert für mich einerseits ein Gefühl: Es geht darum, sich wohlzufühlen.
Andererseits wird die Natur auch im wörtlichen Sinne eine zentrale Rolle spielen: Wir pflanzen Bäume, öffnen den Innenhof und verwandeln ihn in einen grünen Garten; der Himmel und die Sonne gelangen in die Räume. Auch die Dachkonstruk­tion wird darauf ausgerichtet, Licht in die Galerien zu lenken, die Räume offen wirken zu lassen und die Natur zum Teil der Architektur zu machen. Außerdem wird der Eingangsbereich neugestaltet und ein eigener Auftrag an Landschaftsplanende vergeben. Neben der Begrünung war uns auch die Barrierefreiheit ein wichtiges Anliegen.
Wie werden Sie mit dem Bestand umgehen?
Eine umfassende Renovierung bedeutet, das Bestehende wertzuschätzen und so wenig wie möglich abzureißen. Wir verfolgen einen ökologischen Ansatz und berücksichtigen die Materialökonomie: Wenn Abriss nötig ist, geht es darum, die Materialien wiederzuverwerten. Das Gebäude wird zu einer Materialbank – wir nutzen, was bereits vorhanden ist und recyceln das, was entfernt wird. Für die Ausstellungsgestaltung werden wir Materialien wie Holz verwenden und den Abfall so weit wie möglich reduzieren.
Neben dem bewussten Umgang ist es auch die Haptik, die für mich ausschlaggebend bei Materialien ist. Sie ermöglicht den Besuchern und Besucherinnen die Räume zu fühlen und mit der Architektur in Kontakt zu treten. Die Texturen und Stimmungen sind wahrnehmbar, ohne hinzusehen – alle Sinne werden angesprochen.
Haben Sie Erfahrung mit Bestandsgebäuden?
Ja, ich habe mit meinem Büro im Palais de Tokyo in Paris gearbeitet. Da wir auch Renovierungen durchführen, interessiere ich mich immer für Bestandsprojekte – in der Regel jedoch in einem kleineren Maßstab als dem eines Museums. Allerdings habe ich beispielsweise auch an einer größeren Ausstellung im Nationalmuseum von Tokio mitgewirkt. Biwermau Architekten bringen zudem umfassende Erfahrung in der Denkmalpflege mit, weshalb wir uns gut ergänzen.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Biwermau?
Wir haben sie gefragt, als wir uns für diesen Wettbewerb beworben haben. Es ist wichtig, lokales Wissen und einen Ansprechpartner vor Ort zu haben. Unsere erste Zusammenarbeit harmoniert architektonisch und menschlich sehr gut. Ich freue mich auf dieses Projekt.

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