Neustart in Tegel
Schinkel-Wettbewerb zur Nachnutzung des Berliner Flughafens
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Neustart in Tegel
Schinkel-Wettbewerb zur Nachnutzung des Berliner Flughafens
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Flughäfen sorgen in Berlin gerne für Schlagzeilen. Neben dem BER-Debakel und der Bebauung des Tempelhofer Feldes wird nun auch über Tegel gestritten. Dabei hat der Senat bereits einen Masterplan für die Nachnutzung des Flughafens in der Schublade. Bevor der Realität wird, hat der Schinkel-Wettbewerb 2013 ausgelotet, was sonst noch möglich wäre.
Die Zukunft von Tegel steht fest. Daran wird wohl auch die Forderung von Hartmut Mehdorn nichts ändern, aus dem Flughafen wieder einen Flughafen zu machen. Der BER-Chef schlägt vor, auf Tegel als Ersatzrollfeld auszuweichen, wenn 2018 die nördliche Landebahn des Flughafens in Schönefeld saniert werden soll – und erntete ein klares „Nein“ aus der Politik. Schließlich plant der Senat in Tegel bereits einen 210 Hektar großen Forschungs- und Industriepark für „urbane Technologien“. Ephraim Gothe, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, träumt von einer Erfolgsgeschichte ähnlich der der „Wissenschaftsstadt“ Adlershof im Berliner Südosten. Läuft alles nach dem Masterplan des Senats, den er mit sechs Büros entwickelt hat (Bauwelt 6.10), würde die Beuth Hochschule für Technik in einen Teil des von gmp entworfenen, sechseckigen Terminalgebäudes ziehen, und neben dem Kurt-Schumacher-Platz im Osten entstünde ein Quartier mit 1000 Wohnungen. Das Gewerbe könnte Hangar und andere Flughafengebäude nutzen und bei großem Platzbedarf die Landeflächen belegen. Ein 220 Hektar großes Areal belässt der Senat als „Tegeler Stadtheide“. Damit sind die über 450 Hektar Flughafengelände fast vollständig beplant.
Den Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin (AIV) hielt das jedoch nicht davon ab, beim diesjährigen internationalen Schinkel-Wettbewerb junge Planer, Architekten, Ingenieure und Künstler aufzurufen, eigene Ideen zur Nachnutzung Tegels einzureichen – nicht als „Konkurrenz zu den laufenden Planungen“, sondern um diese zu hinterfragen und zu ergänzen, heißt es in der Auslobung. Unter dem Motto „Transformation TXL“ ging es darum, sich noch mal auf dem weiten Flugfeld als Spielwiese auszutoben, bevor der Masterplan in Stein gemeißelt wird. Entsprechend vielseitig sind die 154 eingesandten Vorschläge, die wegen fester Vorgaben aber nur selten die Bodenhaftung verlieren.
Die Berliner Studenten Niklas Mayr und Martin Schmitz, Gewinner des Schinkelpreises für Landschaftsrachitektur, wollen in ihren Plänen die Vorgeschichte des Flughafengeländes wieder aus dem Boden sprießen lassen: Wo einst der Kaiser auf der Jagd durch die Jungfernheide ritt, würden sie erneut einen Wald anlegen – trotz des bestehenden Forstes im Nordwesten. In einem geschlossenen Mischwald soll dann nicht mehr der Adel auf Hirsch und Wildschwein schießen, sondern der gestresste Großstädter Ruhe und Erholung finden. Die Jury sah im „großzügigen Landschaftsraum“ eine „schlüssige Alternative zu einer in der Pflege aufwändigen Offenhaltung des Flugfeldes“, wenn sich auch die Baumarten von der umliegenden Vegetation stärker unterscheiden könnten.
Auf weniger Grün, dafür auf mehr Arbeits- und Wohnraum setzen die Gewinner des Schinkelpreises für Architektur. Dagmara Sietko-Sierkiewicz und David Weclawowicz liefern einen Beitrag, der schlüssig die Funktionen Arbeit, Wohnen und Erholung zusammenführe, lobte die Jury. Die Architekturstudenten der TU Breslau schlagen vor, produzierendes Gewerbe in den Westen und Wohnen und Dienstleistungen in den Osten zu legen, an Terminal und Landebahnen ausgerichtet. Die L-Förmigen Bauten der Quartiere bestehen aus einer rechteckigen Produktionshalle und einem Büro- und Wohnturm und können flexibel umgebaut werden.
Neben den beiden Gewinnerteams erhielten neun weitere Beiträge Preise. So gab es auch Anerkennung für jene Arbeit, die mit gehörigem Sarkasmus vorschlägt, dutzende Fabriken quer übers Flugfeld zu ziehen, die von Chinesen betrieben und durch ein Atomkraftwerk in der Mitte versorgt werden. Einem Preisträger schwebt im Kampf gegen die Berliner Wohnungsnot die Bebauung der gesamten Flugplatzfläche für 40.000 Einwohner vor – weit mehr Wohnraum als hier derzeit vom Senat geplant. Auch nur wenige der anderen Arbeiten spiegeln klar die Visionen der Berliner Politik. Preisträger Niklas Mayr kritisiert, dass der aktuelle Masterplan sich zu sehr auf die Feldmitte konzentriere und eine funktionelle Monokultur schaffen würde. Der Student zweifelt an der Erfolgsgeschichte eines weiteren Wissenschaftsquartiers, auf die Staatssekretär Gothe gerade so hofft: „Wofür braucht Berlin noch einen Forschungsstandort, wenn es bereits Adlershof hat?“
Schinkelpreis für Landschaftsarchitektur | Niklas Mayr und Martin Schmitz schlagen vor, im Norden und Osten des Flugfeldes Eichenmischwälder oder Birkenhaine anzulegen, durchsetzt von Kiefern, Traubenkirschen und anderen Baumarten. Zwischen den Landebahnen könnten Schafe grasen, die Bahnen selbst sollten dem Freizeitsport dienen. Wo sich Bahnen und Waldkorridore kreuzen, sind Aussichtstürme, Kioske und Ausleihstationen vorgesehen. Die beiden Landschaftsarchitekturstudenten planen außerdem ein Wohnviertel am Flughafensee und ein Technologiequartier mit Hochschulcampus im Süden des Flugfelds neben und im Terminalgebäude.
Schinkelpreis für Architektur | Dagmara Sietko-Sierkiewicz und David Weclawowicz schlagen ein Quartier vor, das sich an Terminal und Landebahn ausrichtet. Die Architekturstudenten entwickelten einen im Schnitt L-förmigen Baustein, der Arbeiten und Wohnen unter einem Dach vereint. Er besteht aus einer rechteckigen Produktionshalle im Erdgeschoss und einem fünfgeschossigen „Büro- und Wohnturm“. Im 1. OG des Turms könn-ten Büros, Ateliers oder Kinderbetreuung untergebracht werden, dazu ein Dachgarten. Die übrigen drei Etagen nehmen Wohneinheiten auf. Als Grundgerüst dient ein Stahlskelett, das nach Bedarf mit Raummodulen bestückt werden kann.
Internationaler Nachwuchswettbewerb
Schinkelpreis Landschaftsarchitektur+Schinkel-Italienreise-Stipendium Mayr, Schmitz, TU Berlin | Schinkelpreis Architektur Sietko-Sierkiewicz, Weclawowicz, TU Breslau | Sonderpreis Architektur/Konstruktiver Ingenieurbau Boensch, Mofid, Osinski, Schmeck, HCU Hamburg | Sonderpreis Städtebau für Nachhaltigkeit/Energie Hee Seo, Uni Stuttgart | Sonderpreis Städtebau Bentlin, Hipp, TU Berlin | Sonderpreis Landschaftsarchitektur Lantschner, Obertüfer, HSR Rapperswil | Anerkennungspreis Städtebau/Landschaftsarchitektur Kallischko, Wörsdörfer, Uni Kassel | Sonderpreis Städtebau/Architektur Beradi, Gauss, HfT Stuttgart | Anerkennungspreis Freie Kunst Aust, Schröter, Seyffarth, Dresden | Sonderpreis Architektur/Konstruktiver Ingenierbau Bermann, Meyer, Schwarz, Weihmann, HCU Hamburg | Sonderpreis Architektur/Konstruktiver Ingenieurbau Kallenbach, Lieberum, Ratschke, Wilken, HCU Hamburg
Schinkelpreis Landschaftsarchitektur+Schinkel-Italienreise-Stipendium Mayr, Schmitz, TU Berlin | Schinkelpreis Architektur Sietko-Sierkiewicz, Weclawowicz, TU Breslau | Sonderpreis Architektur/Konstruktiver Ingenieurbau Boensch, Mofid, Osinski, Schmeck, HCU Hamburg | Sonderpreis Städtebau für Nachhaltigkeit/Energie Hee Seo, Uni Stuttgart | Sonderpreis Städtebau Bentlin, Hipp, TU Berlin | Sonderpreis Landschaftsarchitektur Lantschner, Obertüfer, HSR Rapperswil | Anerkennungspreis Städtebau/Landschaftsarchitektur Kallischko, Wörsdörfer, Uni Kassel | Sonderpreis Städtebau/Architektur Beradi, Gauss, HfT Stuttgart | Anerkennungspreis Freie Kunst Aust, Schröter, Seyffarth, Dresden | Sonderpreis Architektur/Konstruktiver Ingenierbau Bermann, Meyer, Schwarz, Weihmann, HCU Hamburg | Sonderpreis Architektur/Konstruktiver Ingenieurbau Kallenbach, Lieberum, Ratschke, Wilken, HCU Hamburg
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