Behaust von Christian, Karl & Jil
Tillmann Prüfer ist Redakteur bei ZEIT und ZEIT ONLINE und schreibt unter anderem über Mode und Design – und in der aktuellen Ausgabe für die Bauwelt.
Text: Prüfer, Tillmann, Berlin
Behaust von Christian, Karl & Jil
Tillmann Prüfer ist Redakteur bei ZEIT und ZEIT ONLINE und schreibt unter anderem über Mode und Design – und in der aktuellen Ausgabe für die Bauwelt.
Text: Prüfer, Tillmann, Berlin
Wo keine Architektur ist, gibt es auch keine Mode. Die moderne Mode ist ein Phänomen der urbanen Gesellschaft. Diese Gesellschaft braucht Räume, in denen Menschen sich zu sehr verschiedenen Anlässen begegnen können und sich jeweils unterschiedlich kleiden.
Die moderne Stadt bietet verschiedene Sphären: die des Privaten, in der wir nahbar und unprätentiös sind. Daneben die Sphäre der Arbeit, in der wir uns uniformieren, und schließlich jene der Freizeit, in der wir versuchen, uns von der allerbesten Seite zu zeigen. Jede von ihnen bespielt ihrem Zweck entsprechend gestaltete Räume, die Mode-Designerinnen und -Designer zu ihren Entwürfen anregen.
So ist in der Galerie Dior, dem Museum, das das Modehaus Christian Dior seinem Gründer gewidmet hat, ein ganzer Raum auf dessen Liebe zu den Häusern von Paris bezogen. Dior wollte nämlich eigentlich Architekt werden, als er in die Hauptstadt kam. Später sagte er, er habe sich stattdessen auf Architektur für den Körper verlegt. Auch Karl Lagerfeld fand in den Straßen von Paris Inspiration – in Restaurants, Galerien und Clubs. Viele Modeschöpfer berufen sich auf die Zusammenhänge zwischen Architektur und Mode. Die Designerin Jil Sander etwa sprach oft von der „Architektur“ ihrer Entwürfe. Und Recht hat sie: Auch ein Kleid oder ein Anzug hat eine Statik. Ein Kleidungsstück wird gestützt durch seinen Schnitt und sein Material, es verfügt über Achsen, um die es schwingt, und teilt den Körper in Segmente – wie die Räume ein Haus.
Wie ein Haus auch bietet ein Kleid dem Körper Schutz vor der Umwelt. Und wenn man es genau betrachtet, sind die Übergänge zwischen Kleidung und Behausung ohnehin fließend. Ein Cape unterscheidet nicht viel von einer Decke, eine Decke nicht viel von einer Plane; eine Plane unterscheidet nicht viel von einem Zelt und ein Zelt nicht viel von einer Hütte. Der größte Unterschied ist vielleicht: Während die Mode von der Vorstellung lebt, dass alles ständig im Wechsel ist, hegt die Architektur die Illusion, ihre Würfe seien für die Ewigkeit. Beides stimmt nicht. In der Mode wird oft wiederaufgelegt, was vor 30 Jahren en vogue war. Und viele Häuser, die heute gebaut werden, müssen in 30 Jahren erneuert werden.
0 Kommentare