Bauwelt

Grüße aus Bonn

Ich sitze am Rheinpavillon, Schiffe ziehen vorbei. Da, wo der Lange Eugen und seine neuen Nachbarn am Ufer stehen, verlassen sie das Blickfeld. Sehr rheinromantisch ist das hier.

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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Grüße aus Bonn

Ich sitze am Rheinpavillon, Schiffe ziehen vorbei. Da, wo der Lange Eugen und seine neuen Nachbarn am Ufer stehen, verlassen sie das Blickfeld. Sehr rheinromantisch ist das hier.

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Ich könnte einfach sitzenbleiben und mich an diesem charmanten Huckepack-Denkmal freuen: Der eingeschossige Kiosk wurde 1947 am Fähranleger gebaut, das Café zwölf Jahre später obendrauf gepackt, denn Baugrund war knapp und das nächste Hochwasser sicher.
Wenn ich den Blick hebe, schwebt über dem Hochufer der Lesesaal der Unibibliothek (Fritz Bornemann, Pierre Vago; 1960), hier möchte man irgendetwas Philosophisches studieren oder doch endlich aufstehen und loslaufen. Auch die Straßenansicht an der B9 ist schwerelos, auf der Wiese davor ist eine kleine Wolkenschale von Hans Arp gelandet. Das geschosshohe schwarzweiße Emaillebild von Victor Vasarely zieht mich auf die andere Straßenseite zum Juridicum. Das Haus aus den Sechzigern verfällt, hoffentlich kann die Kunst überdauern.
Ich laufe durch den Hofgarten zur U-Bahnstation „Uni-Markt“. Tauche ein ins Quietschgrün der siebziger Jahre und wieder auf am Stadthaus. Da mache ich, was ich schon immer tun wollte und was vielleicht gar nicht erlaubt ist: Ich steige in den Aufzug und halte in jedem Stock, um mir jede einzelne Etagenzahl anzuschauen, die Anton Stankowski Mitte der Siebziger für genau diesen Zweck gestaltet hat.
Wieder unten, steige ich in den Bus 61 und fahre bis zur Weberstraße. Hier gibt es das beste Brot, super Kaffee, fantastisches Eis, Bücher, Brillen, Blumen. Ein Stück weiter oben an der Weberstraße leihe ich ein Lastenrad, packe den Einkauf rein und lasse mich durch die Straßen der Südstadt treiben. Gründerzeit galore, soviel Stuck und Schmuck am Stück gibt’s nur hier. Manchmal auch Brüche, aber keiner ist so wild wie der rosafarbene Ausbruch der Postmoderne im Venusbergweg 1b (Planungsgruppe Bonn, 1985). Ich fahre weiter zur Popp(elsdorfer) Allee und stelle mich in die Mitte der kurfürstlichen Achse zwischen den beiden Schlössern, das mondäne Grün fühlt sich ganz gut an. Deshalb sind hier auch immer alle.
Wenn ich nicht bleibe, fahre ich weiter auf den Kreuzberg. Es geht bergauf, erst sacht, dann ab Höhe des Friedhofs steil. Fast schade ist es, sich einen der vier Wallfahrtswege mit dem Fahrrad raufzuquälen, je nach Stimmung mag ich die Stille und laufe zu Fuß. Oben verschnaufe ich mit dem Blick über das Land. Durch den unheimlichen Dunst, der von den Godorfer Raffinerien aufsteigt, ist die Silhouette des Kölner Doms gerade noch zu sehen. Im Auftrag des Kurfürsten und Erzbischofs Clemens Augustübertrug Balthasar Neumann die Scala Sancta aus Rom ins barocke Bonn. Dieses Treppenhaus ist in seiner Ausschmückung, seinem Aufbau und seinem Regelwerk allem Weltlichen entrückt, so bleibt die Scheinuhr bei kurz vor Zwölf. Zu spät ist es also nicht, aber die 28 Stufen aus rotem Marmor dürfen nur knieend und nur am Karfreitag erklommen werden. Näher kann man dem Himmel in Bonn kaum kommen.
Kulinarisches
• Gute Aussicht, Getränke und Snacks von 11 bis Mitternacht im Rheinpavillon, Rathenauufer 1
• Das beste Brot gibt’s bei Max Kugel, Bonner Talweg 34
• Ziemlich guten Kaffee bei der Black Coffee Pharmacy, Bonner Talweg 46
• Das beste Eis bei La Sorbettiera, Weberstraße 91
• fantastische Falafel bei Mr & Mrs Humus, Kaiser-Karl-Ring 27
• Früher waren Eierlikör und Gummibärchen die lokalen Spezialitäten, seit ein paar Jahren gibt es zum Glück Siegfried Rheinland Dry Gin (auch mit 20 % vol und alkoholfrei).
Literaturempfehlungen
• Spieltrieb von Juli Zeh (btb, Frankfurt 2004)
• Raumpatrouille von Matthias Brandt (KiWi, Köln 2016)

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