Bauwelt

Des Denkmals neuer Nachbar

Eine Expertenkommission empfiehlt, dass der geplante Neubau für das „Haus der Demokratie“ direkt neben der Paulskirche errichtet wird. Alt und neu sollen dabei eine Einheit bilden.

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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Der Paulsplatz bekam seinen heutigen Zuschnitt erst durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Es steht zur Debatte, ob er nun wieder bebaut wird.
Foto: dpa picture alliance

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Der Paulsplatz bekam seinen heutigen Zuschnitt erst durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Es steht zur Debatte, ob er nun wieder bebaut wird.

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Des Denkmals neuer Nachbar

Eine Expertenkommission empfiehlt, dass der geplante Neubau für das „Haus der Demokratie“ direkt neben der Paulskirche errichtet wird. Alt und neu sollen dabei eine Einheit bilden.

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Seit in den 1980er Jahren eine erste umfassende Renovierung der Frankfurter Paulskirche anstand, ist ihr Erscheinungsbild der Gegenstand heftiger Kontroversen. Zwei Positionen stehen sich, scheint‘s, unversöhnlich gegenüber. Auf der einen Seite die Anhänger des Wiederaufbaus von 1947/48, der der im Krieg bis auf die Umfassungsmauern ausgebrannten Paulskirche ihre bis heute dominierende, karge Ästhetik gab; und auf der anderen diejenigen des historischen Aussehens, wie es aus den Tagen des Paulskirchenparlaments, der ersten deutschen Nationalversammlung von 1848/49 überliefert ist und im Bombenkrieg restlos zugrunde ging.
Die Renovierung von 1986 beließ es bei einigen wenigen Eingriffen, die freilich der Fraktion der Nachkriegspuristen schon zu weit gingen, derjenigen der Historisten indes nichts an dem verachteten Wiederaufbau-Zustand änderten. Ein Defizit jedoch wurde zunehmend von beiden Seiten gesehen und angemahnt: der Mangel an Dokumentation dessen, wofür die Paulskirche als Denkmal steht, eben die Nationalversammlung und mit ihr die gescheiterte bürgerliche Erhebung des 19. Jahrhunderts.
Nun hat der Bundestag vor zwei Jahren mit großer Mehrheit das Gesetz zur Errichtung einer „Stiftung Orte der Demokratie“ beschlossen, in dessen Begründung ein „Haus der Demokratie“ in räumlicher Nähe zur Paulskirche vorgezeichnet ist. Die daraufhin von Bund, Land Hessen und Stadt Frankfurt berufene zwölfköpfige Expertenkommission hat zum 175. Jahrestag der Revolution von 1848 nunmehr ihre „Empfehlungen“ vorgelegt. Ihre Arbeit war ausdrücklich als „inhaltlich und organisatorisch autonom“ gekennzeichnet und insofern auch nicht an Vorgaben des Bundesgesetzes gebunden, orientiert sich aber, wie sich zeigt, doch eng an diesen. Der Kommission unter Vorsitz des früheren Bundestagsabgeordneten und CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder gehörte als Architekturfachmann allein Peter Cachola Schmal an, der Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt.
Die Empfehlungen lassen sich in zwei Kernbestandteile bündeln. Zum einen soll die Gestalt der Paulskirche, wie sie im Wiederaufbau nach Entwurf einer Architektengemeinschaft, namentlich aber durch Rudolf Schwarz gewonnen wurde, unangetastet bleiben. Mit dem Wiederaufbau, so die Empfehlungen, „bekam die Paulskirche eine Gestalt, die für die symbolische Bedeutung des Gebäudes prägend bleibt (…)“. Und weiter in aller Deutlichkeit: „Die Architektur des wiederaufgebauten Gebäudes, bescheiden und doch monumental, verweigert sich der historischen Rekonstruktion und greift im Innenbereich die sachliche, formreduzierte Sprache moderner Architektur auf.“ Vom Tisch sind damit Überlegungen, die auch schon in der Frankfurter Bürgerschaft verworfen worden waren, und denen zufolge insbesondere die Emporen der 1833 als protestantische Stadtkirche eingeweihten Paulskirche wiederhergestellt werden sollten.
Zum anderen empfiehlt die Kommission, „am historischen Ort der Nationalversammlung das Nachdenken und den Austausch über Widersprüche und Krisenerscheinungen der Demokratie sowie über Fragen der sich verändernden, pluralen und diversen Öffentlichkeit zu ermöglichen“. Ein dafür zu schaffendes „Haus der Demokratie“ soll als „Neubau in unmittelbarer Nähe zur Paulskirche“ errichtet werden und mit ihr eine „Einheit“ bilden, sinnbildlich erfahrbar in einem gemeinsamen Eingang. Die Kommission empfiehlt ein Gebäude im Inneren mit „modularer Anordnung von Räumen unterschiedlicher Größe“. Abgesehen von funktionalen Vorgaben regt sie quasi in einem Nebensatz, aber für einen entsprechenden Architekturwettbewerb doch höchst zentral „einen symbolisch repräsentativen Entwurf im Sinne einer ,Signature Architecture‘ an“.
Als Standort wird der zwischen Kirche und Neuer Kräme gelegene Platz vorgeschlagen, der übrigens erst durch die Kriegszerstörungen entstanden ist. Um diesen Standort ist in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung heftig gerungen worden. Darauf nimmt die Kommission unausgesprochen Bezug, wenn sie formuliert, „die bestehende Nutzung des öffentlichen Raums sowie die Aufenthaltsqualität“ sollten „bei der Planung des Gebäudes und seiner Eingangssituation mit großer Aufmerksamkeit bedacht werden“. Zudem könnten „Büros und weitere Räume mit dienender Funktion in der Nachbarschaft untergebracht werden“. Dies vorausgesetzt, kommt die Kommission überschlägig auf eine Hauptnutzungsfläche von 4000 Quadratmetern, wovon für die Geschichtsausstellung 750 Quadratmeter, für „Programme und Veranstaltungen“ indessen zwei mal 750 Quadratmeter angesetzt werden.
Die Ausstellung zur Geschichte des Parlamentarismus in Deutschland ist bereits im vergangenen Jahr unter dem Titel „Paulskirche – Demokratie, Debatte, Denkmal“ neugestaltet worden. Sie ist unter www.paulskirche.de im Internet abrufbar. Die Expertenkommission regt darüberhinausgehende digitale Darstellungsformen an, um „das Gebäude der Paulskirche und ihre verschiedenen Zeitschichten in einem virtuellen Rundgang erfahrbar werden“ zu lassen. Zugleich soll „das Digitale selbst zum Gegenstand der inhaltlichen Arbeit“ gemacht werden. Angesichts der Bedrohung der Demokratie durch bestimmte Erscheinungsformen der Digitalisierung wie „Fake News“ sollen die Online-Angebote „so bald wie möglich beginnen“.
Zum finanziellen Volumen ihrer Vorschläge macht die Expertenkommission keine Angaben, fordert jedoch naheliegenderweise eine „kontinuier­liche Finanzierung“ – die kann in dem zu erwartenden, erheblichen Umfang nur vom Bund geleistet werden. Die Paulskirche, deren Wiederaufbau nach dem Krieg allein von der Stadt Frankfurt mit wenn auch erheblichen Spendenmitteln – übrigens sogar aus der damaligen Sowjetischen Besatzungszone – geleistet wurde, wird künftig ihrem Wesen nach eine Bundeseinrichtung sein. Das historische Gebäude indessen soll in jener Form bewahrt werden, der Rudolf Schwarz 1947 bescheinigte, durch die Kriegszerstörung „zu römischer Größe gediehen“ zu sein.

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