Die Mädels sitzen, wo sie wollen
Caroline Kraft möchte betonen: Die „Jungs“ sind die Ausnahme – trotzdem nicht weniger frustrierend.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Die Mädels sitzen, wo sie wollen
Caroline Kraft möchte betonen: Die „Jungs“ sind die Ausnahme – trotzdem nicht weniger frustrierend.
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Ich war freie Autorin, hatte den Innenarchitektur-Bachelor und Praktika hinter mir, stand kurz vorm Master. „Und wie kommen Sie zur Bauwelt?“, fragte mich der Architekt während einer Projektbesichtigung. Vielleicht war es ehrliches Interesse, allerdings betonte er das „Sie“ sehr deutlich, er hatte mich wohl nicht erwartet. Darf man denn nix mehr fragen, denken jetzt vielleicht manche. Dürfen tut man, wie sich immer wieder herausstellt: alles. Nur, mit Reaktionen muss man dann eben rechnen.
Nach dem Master fing ich als Volontärin an, eine Art Serie begann. Nach der Pilotfolge kam die Fortsetzung, auch als Redakteurin wurde sie nicht abgesetzt, im Gegenteil, der Plot verdichtete sich. Vom üblichen „Ich erkläre Ihnen das gerade mal“ (z.B. einen Wandaufbau, Stoff des 1. Semesters im Grundstudium) nahm er vor ein paar Monaten eine plötzliche Wende. Während einer weiteren Projektbesichtigung wurde ich, erst gesiezt, spontan als einzige in der Runde geduzt („Ach so, wir waren beim Sie? Du siehst, äh, Sie sehen so jung aus“). Der aktuelle Höhepunkt ereignete sich während eines geschäftlichen Abendessens (5 Architekten, 2 Redakteurinnen), zu dem eine Kollegin und ich mit den Worten „Die Mädels sitzen in der Mitte“ (sie setzten sich an den Rand) zu Tisch gebeten wurden. Auf unsere Bitte, uns nicht wie Teenager zu bezeichnen, kam die Entgegnung „ihr könnt uns ja auch Jungs nennen.“
Aktuell sind um die 60 Prozent der Absolventinnen des Architektur-Bachelors oder -Masters weiblich. Dennoch machen später nur rund 30 Prozent der praktizierenden Architektenschaft Frauen aus – von Führungspositionen in großen Büros fange ich hier nicht an. Im Arbeits-alltag treffe ich meist auf Männer, die oft etwa doppelt so alt sind wie ich. In knapp zwei Jahren bei der Bauwelt wurde ich bei neun von zwölf Projekten von Architekten begleitet, so gut wie immer von den Gründern, also Führungsebene. Jetzt könnte man mir vorwerfen: Frag doch mehr von Frauen realisierte Projekte an. Könnte ich, aber: Ich möchte genauso wenig auf Geschlecht reduzieren, wie selbst darauf reduziert zu werden. Leider scheint für beides die Zeit noch nicht reif. Oder was denkt ihr, Jungs und Mädels?
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