Die Stadt gehört uns
Alexander Stumm liebt leise Filme über widerständige Wohnformen und organisiert demnächst ein Nachbarschaftsfest.
Text: Stumm, Alexander, Berlin
Die Stadt gehört uns
Alexander Stumm liebt leise Filme über widerständige Wohnformen und organisiert demnächst ein Nachbarschaftsfest.
Text: Stumm, Alexander, Berlin
Filmtipp der Woche: Der herrlich ruhige Kreuzbergstreifen Berlin Chamissoplatz (1980) von Rudolf Thome. Rahmenhandlung: Eine Gruppe von Studierenden organisiert sich mit anderen Mietern gegen ein Entwicklungsprojekt der Gewobag, die einen ganzen Block abreißen will, um Luxuswohnungen zu realisieren. Durch die Liaison mit dem Architekten Martin Berger erfährt die Studentin Anna Bach, dass ein Gutachten, welches der Bausubstanz der Altbauten einen maroden Zustand attestiert, auf einer falschen Grundlage beruht. Berger solidarisiert sich zunehmend mit der Gruppe und unterstützt sie gegen das Investorenprojekt. Der Film ist als große Antiklimax inszeniert, in der alternative Lebensformen in der Stadt mit viel Zärtlichkeit skizziert werden. Wir erinnern uns: Anfang der 1980er Jahre ist die Zeit der behutsamen Stadterneuerung der IBA-Altbau, unter Federführung von Hardt-Waltherr Hämer werden Häuser in mehreren Bezirken West-Berlins mit den Bewohnenden instand-besetzt. Ein feministisches Kollektiv rettet die Schokoladenfabrik vor dem Abriss, Ton Steine Scherben singen im SO36 den Rauch-Haus-Song. Die Menschen nehmen sich, was ihnen sowieso gehört.
Anfang der 2020er Jahre erscheint dagegen die Finanzialisierung der Stadt als absolut. „Wer in einer Großstadt eine Wohnung sucht, wird so lange gedemütigt, bis die letzte Würde weg ist“, schrieb die Schriftstellerin Sibylle Berg kürzlich in der Zeit. Derweil läuft alles nach Plan; Deutsche Wohnen/Vonovia macht schließlich nichts anderes als andere börsennotierte Unternehmen auch: Rendite erwirtschaften. So sorgen womöglich die eigenen Pensionsfonds dafür, dass man sich im Zuge der Optimierung des Mietertrages selbst vor die Tür setzt. Für Berg sind die immer länger werdenden Schlangen vor den Mietobjekten der Anfang vom Ende. Sie könnten „viele Zellen des Unmutes“ und des „zivilen Ungehorsams“ bilden, die sich gegen das Wohnen als Ware zusammenschließen. Thome lässt in seinem Film das zarte Pflänzchen des Widerstands bei einem Nachbarschaftsfest wachsen; die Devise lautet: Wenn Menschen zusammenkommen und miteinander reden, können sie die Dinge ändern.
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