Bauwelt

Edle Haltung oder modernistischer Unsinn?

Das Kaiserpfalzquartier in Goslar ist seit Jahren attraktiv für Investoren. Ihre Vorstöße, etwa für Shopping in Nähe des UNESCO-Erbes, wurden bislang abgeblockt. Nun liegt per Wettbewerb eine Vision für das alte Kasernen-Areal vor.

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    1. Preis Nieto Sobejano bekamen den Zuschlag. Sie verbinden ein aufgebrochenes Volumen über einen begrünten Sockel.
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    1. Preis Nieto Sobejano bekamen den Zuschlag. Sie verbinden ein aufgebrochenes Volumen über einen begrünten Sockel.

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    1. Preis Auer Weber Architekten lockern ihr Ensemble mit Wegverbindungen auf, referieren mit ihrem Entwurf alte Stadtstrukturen.
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    1. Preis Auer Weber Architekten lockern ihr Ensemble mit Wegverbindungen auf, referieren mit ihrem Entwurf alte Stadtstrukturen.

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    3. Preis Waechter + Waechter gehen den Weg zweier kompakter Baukörper für Hotel und Veranstaltungshalle.
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    3. Preis Waechter + Waechter gehen den Weg zweier kompakter Baukörper für Hotel und Veranstaltungshalle.

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    Anerkennung Staab Architekten lagern die Veranstaltungshalle dem Hotel vor. Insgesamt konnten städtebauliche und baukörperliche Anordnung die Jury nicht überzeugen.
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    Anerkennung Staab Architekten lagern die Veranstaltungshalle dem Hotel vor. Insgesamt konnten städtebauliche und baukörperliche Anordnung die Jury nicht überzeugen.

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    Im November wurde zudem der Freiraumwettbewerb entschieden:
    1. Preis
    NSP Christoph Schonhoff präparieren im Hofgarten Relikte der alten Kaiserpfalz
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    Im November wurde zudem der Freiraumwettbewerb entschieden:
    1. Preis
    NSP Christoph Schonhoff präparieren im Hofgarten Relikte der alten Kaiserpfalz

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Edle Haltung oder modernistischer Unsinn?

Das Kaiserpfalzquartier in Goslar ist seit Jahren attraktiv für Investoren. Ihre Vorstöße, etwa für Shopping in Nähe des UNESCO-Erbes, wurden bislang abgeblockt. Nun liegt per Wettbewerb eine Vision für das alte Kasernen-Areal vor.

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Als „unwürdig“ wird in Goslar die Situation empfunden, die sich seit langem schon östlich des UNESCO-Welterbes Kaiserpfalz auftut: zwar Domplatz geheißen, da historisch Standort des Reichsstifts St. Simon und Judas, jedoch zugeparkt mit Autos und Touristenbussen. Als mit der deutschen Wiedervereinigung das südlich angrenzende Areal mit Kasernen und Fahrzeughallen des Bundesgrenzschutzes verfügbar wurde, scharrten erwartungsgemäß die Investoren mit den Hufen: ECE aus Hamburg etwa wollte Goslar dort mit einem Shopping Center beglücken. Erst 2014 wurde diese Überlegung endgültig verworfen, wohl auch, weil durch den Flächenzuwachs von 50 Prozent der vorhandenen innerstädtischen Verkaufsfläche ein Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel und weiterer Leerstand in der ebenfalls als Welterbe gelisteten Altstadt zu befürchten waren. Ein Blick nach Hameln, oder auch Oldenburg, wirkte wohl aufklärend.
Da war es ein Glücksfall, dass ein lokaler Investor parat stand, der auch über ein fünf Jahre dauerndes ISEK-Verfahrens bei der Stange blieb, aus dem ein alternatives Programm für das Kasernenareal resultierte: ein Vier-Sterne-Hotel mit 120 Zimmern und Tagungsräumen, nachgefragt etwa vom Deutschen Verkehrsgerichtstag – der traditionell seine Jahreskonferenz in Goslar abhält –, dazu eine Tiefgarage – auch für die Autos vom Domplatz, auf dass dieser begrünter „Stiftsgarten“ werden könne – und eine Veranstaltungshalle für etwa 500 Personen, samt Außennutzfläche. 2018 beschlossen, soll dieses Programm bis 2022 umgesetzt werden.
Nach einer Entwicklungsvereinbarung mit der Stadt Goslar lobte der Investor Anfang 2019 einen nicht offenen hochbaulichen Wettbewerb mit sechs Teilnehmern aus. Hatte er sich selbst bislang eher durch architektonisch minderwertige „Fachmarkt-Immobilien“ präsentiert, rief er nun die Architektinnen auf, in einem vorgeschalteten Auswahlverfahren ihre Expertise in historisch anspruchsvollem Baubestand nachzuweisen. Nach der Entscheidung im Mai schickte das Preisgericht die beiden Erstplatzierten in die Überarbeitung; drei Monate später gab es Nieto Sobejano den Vorzug gegenüber Auer Weber. Die Auslobung eines Freiraum-Wettbewerbs für den „Stiftsgarten“, zu dem zwölf Büros geladen waren, überschnitt sich mit diesem Verfahren.
Das recht große Bauprogramm, die Dominanz der Kaiserpfalz, die Topografie mit etwa neun Meter Höhendifferenz sowie die Gegenwart weiterer Baudenkmäler – zwei preußische Kasernen am westlichen und ein Fachwerk-Ensemble am östlichen Rand – erwiesen sich als Herausforderung für die Teilnehmer.
Entscheidung für Zurückhaltung
Den dritten Preis errangen die Darmstädter Waechter + Waechter, die mit terra.nova Landschaftsarchitektur aus München einreichten. Lob fand die Jury für die Orientierung der Veranstaltungshalle zu Stiftsgarten und Kaiserpfalz. Die Außennutzfläche in rückwärtiger Lage sowie die Nähe des Hotelbaus zum Baudenkmal der Kaserne jedoch sah sie kritisch, da jenes so seiner Raumwirkung beschnitten würde.
Beide Erstplatzierten wählten einen geschickten Kunstgriff: Sowohl Auer Weber aus Stuttgart, die mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten aus München einreichten, als auch Nieto Sobe­jano mit Topotek 1, beide aus Berlin, unterteilten das Hotel in zwei Bauvolumen. Auer Weber for-mulieren in einer laut Preisgericht „wohltuend zu­- rückhaltenden Art“ aus drei verschränkten, schiefwinkligen Baukörpern ein städtisches Quartier, schlagen gefaltete Dachsilhouetten vor und landschaftliche Freiflächen mit grünen Wegen durch das Areal.
Nieto Sobejano hingegen verschmelzen ihre drei Baukörper und drei Höfe mit einem gemeinsamen Sockel zum baulich-räumlichen Solitär eines Großprojekts: kontrovers diskutiert, aus denkmalpflegerischer Sicht jedoch gut mit dem großen Maßstab der Kaiserpfalz korrespondierend. Extensiv begrünte Flachdächer, auch des Sockelplateaus, und eher steinerne Aufenthaltsräume stehen für einen strengen, orthogonalen Charakter einer gebauten „Stadtlandschaft“. Das Büro nutzte die Überarbeitungsphase zur weiteren Öffnung des Ensembles, etwa der Veranstaltungshalle Richtung Kaiserpfalz, und zur Feldforschung bezüglich Proportionierung und Materialisierung der Baukörper in ortstypisch bürgerlichen, eher „armen“ Materialien wie Schiefer und Holz: die dezidierte Distanz zu den historistischen Nachbarn mit ihrem üppigem Sandsteineinsatz. Mit dieser „stillen, vornehmen und edlen Haltung“, so der Vorsitzende des Preisgerichts, Kaspar Kraemer aus Köln, werde der Entwurf dem Welterbestatus des Ortes am ehesten gerecht. Das Votum der zweiten Jurierung fiel einstimmig aus.
Landschaftsgestaltung
Im November wurde zudem der Freiraumwettbewerb entschieden, den Einreichenden waren nur vier Wochen verblieben, ihren Entwurf auf den endgültig gekürten Hochbau abzustimmen. Den ersten Preis erhielten NSP Christoph Schonhoff, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner aus Hannover. Ein Kreis, eingefasst von konzentrischen Sitzstufen, soll wie eine „Lupe in die vergangene Zeit“, so die Entwurfsverfasser, mit Betonintarsien geschützte, historische Fundamentreste in einer Rasenfläche präsentieren. Die Erinnerung an das Vergangene sei wunderschön inszeniert, bekannte Axel Lohrer, der Vorsitzende des Preisgerichts. Zudem lobte er das „subtile Spiel mit der Topografie“ von drei Metern Höhendifferenz.
Diese Beurteilungen vermögen aber nicht alle vor Ort zu teilen, es regt sich Widerstand. Ein Petent aus Düren, Düsseldorf und Goslar lancierte nach der Veröffentlichung der Ergebnisse im Mai ein online-Verlangen nach einem weiteren Hochbauwettbewerb mit der Zielvorgabe „historisierender Gebäude“ statt „modernistischen Unsinns“. Die Resonanz fällt mit rund 620 Unterzeichnern bis dato eher verhalten aus. Stadtbild Deutschland e.V. aus Frankfurt am Main, nach Eigenangabe „der bundesweit einzige Verein, der sich für Denkmalschutz, traditionelle Architektur und Rekonstruktionen“ einsetzt, sekundierte mit konkreten Gestaltungsvorschlägen in Wort und Bild: Dem Hotel müsse ein traditionelles Satteldach aufgesetzt werden, die zusätzliche Nutzfläche eines Dachgeschoss wäre ein „interessantes Szenario auch für den Investor“. Fassaden sollten über horizontale Gesimse und vertikale Risalite gegliedert werden, stehende Fensterformate könnten gerne eine „historisierende Laibung aus Sand- oder Naturstein erhalten“. Sein Plädoyer für eine historisierende Überarbeitung des Siegerentwurfes ließ der Verein vom Potsdamer Architekten Pake Jeyabalan in einer Skizze festhalten: Zum Glück so unfreiwillig grotesk, dass sich eigentlich die Diskussion verbietet. Trotzdem können zukünftige Störfeuer nicht ausgeschlossen werde.
Nichtoffener Hochbau-Wettbewerb
1. Preis
(57.500 Euro) Auer Weber Architekten, Stuttgart mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, München
1. Preis (57.500 Euro) Nieto Sobejano Arquitectos GmbH, Berlin mit TOPOTEK 1, Berlin
3. Preis (32.000 Euro) Waechter + Waechter Architekten BDA, Darmstadt mit terra.nova Landschaftsarchitekt., München
Anerkennung (15.000 Euro) Staab Architekten, Berlin mit Levin Monsigny Landschaftsarchitekten, Berlin
Fachpreisrichter
Kasper Kraemer, Hans Struhk, Heinz Nagler, Axel Lohrer (Vorsitz), Berthold Burkhardt, Marion Siegmeier, Burkhard Siebert
Freiraum-Wettbewerb
1. Preis (15.000 Euro) nsp christoph schonhoff landschaftsarchitekten stadtplaner
2. Preis (9500 Euro) club L94 Landschaftsarchitekten
3. Preis (6000 Euro) Lohaus Carl Köhlmos Landschaftsarchitekten Stadtplaner
Anerkennung (4000 Euro) capatti staubach Urbane Landschaften Landschaftsarchitekt und Architekt
Fachpreisrichter
Axel Lohrer, Barbara Hutter, Heinz Nagler, Marion Siegmeier
Auslober
TesCom, Gesellschaft für Kapital und Grundbesitz, Goslar, in Abstimmung mit Stadt Goslar
Wettbewerbs-Koordination
Ackers Partner Städtebau, Braunschweig

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