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Hemmungslos weiterbauen

Jan Friedrich fand in uralten Gemäuern höchst aktuelle Forderungen bestätigt

Text: Friedrich, Jan, Berlin

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Hemmungslos weiterbauen

Jan Friedrich fand in uralten Gemäuern höchst aktuelle Forderungen bestätigt

Text: Friedrich, Jan, Berlin

Wo alle Welt von Umbaukultur und Re-use spricht, wird es Zeit, einmal von der Familie Challant zu berichten. Die Challants sagen Ihnen nichts? Keine Schande, ich hatte auch noch nie von ihnen gehört, ehe ich kürzlich im norditalienischen Aostatal war. Auf einer kleinen Anhöhe in der Gemeinde Aymavilles steht der Familiensitz der Challants: Château d’Ayma­villes. Die frühesten Mitglieder des Adelsgeschlechts lassen sich im 11. Jahrhundert nachweisen, ausgestorben sind sie mit dem Tod des kinderlosen Philippe-Maurice de Challant im Jahr 1804.
Wenn heute ein Immobilieneigentümer von sich sagt, er sei Bestandshalter, also jemand der nicht für den schnellen Gewinn investiert, sondern langfristig anlegen möchte, geht man von 7, im besten Fall 15 Jahren aus, die er die Immobilie behält. Den Challants gehörte ihr Schloss rund 500 Jahre lang. Aymon de Challant, der um das Jahr 1387 herum verstarb, ist der erste bekannte Urheber nennenswerter Umbauten an der gedrungenen Burg, deren älteste Mauern aus dem Jahr 1207 stammen. Aymons Sohn Amedée gab dem Haus spätestens 1413 seine vier charakteristischen Ecktürme. 40 Jahre später ließ Jacques de Challant Türme und Hauptgebäude kräftig aufstocken. Bei allen baulichen Veränderungen – bis ins frühe 18. Jahrhundert erhielt sich die wehrhafte Anmutung des Gebäudes. Erst mit dem letzten großen Eingriff unter Joseph-Félix de Challant zwischen 1715 und 1728 entstand die bis heute erhaltene etwas bizarre Mischung aus Barockschloss und Ritterburg. Joseph-Félix ließ nicht, wie man es von vielen Beispielen kennt, das ganze Haus barockisieren, ihm sozusagen das Mittelalter austreiben, nein, er ließ Loggien zwischen die Türme bauen, die dem Gebäude zwar eine unverkennbar zeitgenössische Anmutung verliehen, seine viel älteren Ursprünge aber nicht verleugneten.
Es ist ein großes Vergnügen zu sehen, wie wunderbar angstfrei hier weitergebaut wurde. Wer das seit diesem Sommer nach gründlicher Renovierung als Museum wiedereröffnete Château d’Aymavilles besucht hat, wird keinen Projektentwickler mehr mit der Behauptung davonkommen lassen, der Altbau auf seinem Grundstück lasse sich keinesfalls umnutzen, sondern müsse abgerissen werden.

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