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Altbauscham

Jan Friedrich weiß, dass mit seiner Gewissensflexibilität das Klima nicht zu retten sein wird

Text: Friedrich, Jan, Berlin

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Altbauscham

Jan Friedrich weiß, dass mit seiner Gewissensflexibilität das Klima nicht zu retten sein wird

Text: Friedrich, Jan, Berlin

Unter dem reißerischen Titel „Klimakiller Nr. 1“ hat die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) kürzlich einen Artikel veröffentlicht, der das Problem unseres energetisch veralteten Gebäudebestands zurück in die Diskussion um den Klimaschutz bringen möchte. Ein lobenswerter Ansatz – schließlich wird seit Monaten ausschließlich über den Schaden gesprochen, den der Verkehr, zuvorderst Flugreisen, und eine allzu fleischlastige Ernährung anrichten. Angeteasert wurde der Beitrag mit den griffigen Sätzen: „Mit unseren Wohnungen schaden wir dem Klima mehr als mit Steaks und Flugreisen. Das will nur niemand wahrhaben.“ Für mich, der ich – ich muss es gestehen – dem Verzehr kurzgebratener Rindfleischscheiben keineswegs abgeneigt bin und zu der einen oder anderen Gelegenheit auch ein Flugzeug bestei­ge, für mich war das Balsam auf meine von Flug- und Fleisch-Scham belastete Seele: So ein böser Klimabösewicht bin ich ja doch nicht – das mit dem Wohnen ist alles noch viel schlimmer! (Geflissentlich außer Acht lassend, dass ich glücklicherweise nicht wohnsitzlos bin.)
Tatsächlich, von den 638 Millionen Tonnen CO2, die in deutschen Privathaushalten jährlich anfallen, gehen 38 Prozent aufs Wohnen-Konto, wohingegen der Anteil des Verkehrs lediglich 26 Prozent, der der Ernährung sogar nur 12 Prozent beträgt. Wenn man allerdings davon ausgeht, dass fast alle Menschen in Deutschland, die sich fortbewegen, auch irgendwann etwas essen, man „Steaks“ und „Flugreisen“ folglich addieren muss, dann wäre es korrekter gewesen, der FAS-Redakteur hätte versucht, seinen Lesern den Klimakiller-Text auf diese Weise schmackhaft zu machen: „Mit unseren Wohnungen schaden wir dem Klima genauso wie mit Steaks und Flugreisen.“ Klingt aber halt nicht mehr ganz so skandalös. Und mir wäre ein kurzer, glücklicher Augenblick der Schamfreiheit entgangen.
Doch ohnehin bin ich mit meinem Klimagewissen längst einen neuen Kuhhandel eingegangen. Der Deal: Ich bemühe mich, zwei Mal pro Jahr weniger zu fliegen und zwei Mal in der Woche kein Fleisch zu essen. Im Gegenzug darf ich – ganz ohne Schuldgefühle – jeden Tag erneut Freude darüber empfinden, dass der Vermieter meiner zugigen Altbauwohnung keinerlei Anstalten macht, die WDVS-Verklebe-Kolonne und die Kunststofffenster-Mafia anzuheuern.

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