Neubau gilt auf Planet Architectia als Mittel der Wahl. Politik, Industrie und Wirtschaft drängen seit Jahrzehnten darauf, und, man muss selbstkritisch anmerken, auch Architekturzeitschriften zementieren mit großformatigen Hochglanzfotos von Neubauten diesen Trend. Derweil leben wir längst in einer Welt, in der nicht gebaut wird: Während die Bauminis­terin die Lösung aller Probleme in der mantra­artigen Rezitation der Zahl 400.000 sieht und sich der Grüne Wiese-Wohungskanzler in die 70er zurückbeamt, haben die größten deutschen Wohnungsbaugesellschaften Vonovia und LEG Immobilien verkündet, dass sie 2023 keine einzige neue Wohnung (in Zahlen: 0) bauen werden.In vielen Architektenbüros brodelt es, man geht, wird gegangen oder verharrt in einer Melange aus Great Resignation und Quiet Quitting. Neue Flammen am Horizont signalisieren, dass die „Normalität“ – die nichts anderes als einen überhitzten Bausektor meint – ausbleiben wird.

Die Wahrheit ist, eine Lösung Back to Normal wird sehr, sehr viel Geld kosten und noch mehr CO2 emittieren. Entweder der Staat subven­tioniert den Markt mit einer zweistelligen Millionensumme oder er wird selbst zu Deutschlands größtem Wohnungsbauer, Erfolgsaussichten ungewiss. Wir sprechen übrigens von Sondervermögen, weil „wirtschaftlich verselbständigter Schattenhaushalt“ einfach keine positiven Vibes ausstrahlt.

In einer asynchronen Zukunft haben die spirituellen Formeln der Ministerin den Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr manifestiert, dabei aber unachtsam den beiden Bösewichten Klimakiller (Spezialfähigkeit: Extremwettererscheinungen) und Schuldenberg (Charaktereigenschaft: erdrückender Finanzklops) in die Karten gespielt. Planet Architectia sitzt in der Klemme, die Vigilanten stürmen von allen Seiten herbei, ein Ausweg scheint nicht in Sicht. Oder doch? Ein Portal öffnet sich, und eine andere (Bau-)Welt wird sichtbar. Dort wird nicht allein über Neubau, sondern über echte Antworten auf die Wohnungsfrage diskutiert und nichtbauen, umnutzen, adaptieren, reparieren und (instand-)besetzen sind gleichberechtigte Planungsinstrumente. Wagen wir den Sprung.