Architekturführer Mond
Als Amuse-Gueule könnte der Mondreiseführer in den Bücherregalen der Sojuskapseln stehen.
Text: Landes, Josepha, Berlin
Architekturführer Mond
Als Amuse-Gueule könnte der Mondreiseführer in den Bücherregalen der Sojuskapseln stehen.
Text: Landes, Josepha, Berlin
„Es ist ein interessanter Ort. Ich kann ihn nur empfehlen“, so Neil Armstrong über den Mond. Paul Meuser war, im Gegensatz zum Astronauten, noch nie da. Dafür aber in Moskau, wo er mit Galina Balaschowa, ihres Zeichens Weltraumarchitektin a.D., sprach. Das Interview über ihre Arbeit am Wohnmobil des sowjetischen Raumschiffs Sojus steht ziemlich am Anfang von Meusers Architekturreiseführer Mond, der, pünktlich zum Landungsjubiläum in diesem Jahr, bei DOM Publishers erschienen ist. Balaschowa vermutet, dass „man den Raum für das All sogar ein wenig irdischer gestalten [müsse] als den für die Erde.“ Dass Meuser sich mit derbetagten Dame traf und ihre pastellenen, akribisch detaillierten und liebevoll kolorierten Zeichnungen in seinen Mondführer einbindet, gibt dem abgegriffenen Thema eine neue Wendung – fort von tausendmal gesehenen Science-Fiction-Abbildungen der Raumfahrt, hin zur Frage danach, wie der Mond und der Weltraum überhaupt erträglich gemacht werden könnten für die Menschen. Denn es ist eine unwirtliche Umgebung dort – kaum zehn Sekunden überlebte ein Mensch ohne Spacesuite. Etwas länger hiel-ten die Weltraumreisenden es wohl in metallenenKonserven aus, die rein funktional für den Erkundungsflug innerhalb der Galaxie nötig wären. Allein: Der Mensch ist Mensch, weil er hofft und weil er liebt, zum Beispiel. Und zum Glück gibt es mit den Architekten dieser Welt eine Profession, die den menschlichen Bedürfnissen nach Raum verpflichtet ist. Vielleicht ist der Weltraum, eine Dimension, in deren Erkundung horrende staatliche (und mittlerweile auch private) Summen gepumpt werden, am Ende der Ort, wo uns Qualität im Baugeschehen überraschen wird. Auch wenn es etwas eng wird in Balaschowas Raumkapsel – ich denke, sie könnte ein Modell der Zukunft sein. Ein jeder wohl verpackt, in seiner eigenen Blase, die alles Lebensnotwendige versammelt. An die Schwerkraft erinnert nur noch farbliche Indikation, wenngleich fraglich ist, wie der Kreislauf deren Bedeutung erahnen wird, um uns am Leben zu erhalten. Solange aber der Internetempfang stimmt, werden die Menschen glücklich sein, wenn sie nicht gestorben sind.
Als Amuse-Gueule könnte der Mondreiseführer in den Bücherregalen der Sojuskapseln stehen, dann ließen sich all die Objekte identifizieren, die geschrottet oder heilgeblieben vor dem Fenster, draußen auf der Mondoberfläche, verteilt liegen. Ob sie sich erspähen ließen, das wiederum wäre in Abhängigkeit zu betrachten mit dem bis dahin für den Erdtrabanten erstellten Bebauungsplan – wie nah kommen sich Nachbarn? Ob der Mond dann noch interessant ist, das steht in den Sternen.
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