Formgiving
Ein Buch, das schweigsame Freunde auflockert
Text: Landes, Josepha, Berlin
Formgiving
Ein Buch, das schweigsame Freunde auflockert
Text: Landes, Josepha, Berlin
YES! Weil wir können, können wir. Keine Konjunktive. Statements, Statements, Statements. Und nun FORMGIVING. BIG geben sich nicht zufrieden – korrigiere: nie zufrieden! – mit weniger als MEHR MEHR MEHR. Und es macht Spaß, ihnen dabei zuzusehen. Denn dieses Buch wabert vor Freude an dem, was sie tun: an Architektur. Es strotz auch vor Selbstverstrauen, Selbstgewissheit und, ja, auch Selbstgefälligkeit. Sich einzuschreiben in die Evolution alles Materiellen, was mit Leben einhergeht, ist gewiss big gedacht. Man kommt also seinem Nomen est Omen nach in der Architekturfabrik, dem Weltkonzern BIG.
Die Textbeiträge sind kurzgefasst. An einem Zeitstrahl, beginnend 13.800.000.000 vor unserer Zeit, dem BIG bang, hangeln sich die Verfasser über den Zeitpunkt der Tierwerdung, 610.000.000 v. Chr., voran zu ersten menschlichen Behausungen, 500.000 v. Chr., Windmühlen, 500 v. Chr., Druckpresse, 1440, Programmiersprache, 1952, und Virtual Reality, 2016. Sie zeichnen die Evolution der Formgebung nach anhand der Aneignung von Materie durch den Menschen über „Wahrnehmung“, „Aneignung“, „Analyse“, und „Anwendungen“ für „Heilen“ und „Bewegen“ – Nebensächlichkeiten, die im fotogewaltigen Hauptteil des Buches gipfeln. Projekte von BIG als Kern der formgebenden Menschenkraft! Diese Anmaßung bestätigt sich paradoxerweise stichhaltig selbst. Das Buch überzeugt davon, dass BIG die Krone des (bisherigen) Architekturschöpfertums zu tragen würdig sind. Denn sie haben Mut – klar, den können Sie sich auch leisten, aber Zynismus kann Kritikern im Weg stehen. Dass sie ihn sich leisten können, haben sie natürlich auch irgendwie erstmal schaffen müssen. Sie kommen daher mit der Schlagkraft, ihre spinnernden Ideen auch um-setzen, die Entwurfstheorien zwar allen angehenden Architekten vorgaukeln, deren Umsetzung letztlich aber meist korrumpiert wird.
BIG vertreten ihre Wir-Können-Weil-Wir-Können-Attitüde so haltungsstark, dass Sie einen Oscar im Verstehen des Neo-Liberalismus verdient hätten. Ihr ausgesprochenes Talent liegt darin, selbst FORMGIVING zu sein: Die Welt wahrnehmen, sich aneignen, analysieren, das umsetzen, was zum eigenen Vorwärtskommen gereicht. Dass Sie mit dem Hier und Jetzt bei weitem nicht Vorlieb nehmen, versteht sich von selbst: Extraterrestrisch wird es auf den hinte-ren Seiten. Verspielt, in LEGO, und abstrakt, Architektur im Film – auch etwas zusammenhanglos.
Formgiving ist eines jener Bücher, die den Besuch schweigsamer Freunde auflockern können. Bücher, die nicht viel Grips voraussetzen, aber unterhaltsam sind. Die schwarzen Seiten der ersten und letzten Abschnitte sind auch wunderbar geeignet, die Fingerabrücke all jener zu sammeln, die hier schon blätterten.
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