Bauwelt

Heinz Isler

Schalen

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Heinz Isler

Schalen

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Bei der Wüstenrot Stiftung ist ein sehr interessantes Buch kostenfrei erhältlich (solange der Vorrat reicht), das das Lebenswerk des Schweizer Bauingenieurs Heinz Isler aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und 26 seiner eindrucksvollen, noch vorhandenen Schalenbauten in der Schweiz und in Süddeutschland im Stil eines Architekturführers vorstellt. Ortsangaben und QR-Codes laden dabei zu eigenen Erkundungen ein.
Heinz Isler (1926–2009) gehörte zu den weltweit bedeutendsten Schalenbau-Ingenieuren. Im Gegensatz zu Kollegen wie Félix Candela und Ulrich Müther, die gerne auf geometrische Formen wie hyperbolische Paraboloide, Zylinderschalen oder Kugelsegmente zurückgriffen, die relativ einfach konstruiert und mithilfe der Schalentheorie auch exakt berechnet werden können, arbeitete Isler bei der Formfindung meist mit experimentellen Modellen, Testbauten und weiteren, eher unkonventionellen Methoden. Dadurch konnte er sich von den bekannten mathematischen Formen lösen und hauchdünne, frei geformte Strukturen mit einem Minimum an Material entwickeln.
Isler war extrem produktiv, hat mit seinem Bü-ro mehr als 1400 Schalentragwerke realisiert, größtenteils in der Schweiz, aber auch in Deutschland, Frankreich und England. Sein Büro lebte von der massenhaften Überdeckung von Indus-triebauten mit Buckelschalen: quadratische oder rechteckige Schalenelemente, die ringsherum gerade Ränder besitzen, nur in den Eckpunkten abgestützt werden müssen und daher – wenn man sie aneinanderkoppelt – große Flächen mit einer sehr geringen Anzahl von Stützen überdecken können. International bekannt wurde Isler jedoch vor allem durch seine eleganten, frei geformten Schalen für Sportstätten, Autobahnraststätten und Kirchen. Bei der Suche nach der in Bezug auf den Lastabtrag idealen Gestalt arbeitete er häufig mit Hängemodellen. Die Formen seiner Buckelschalen wurden dagegen mithilfe von pneumatisch aufgeblasenen, in Holzrahmen eingespannten Gummimembranen entwickelt. Das jeweilige Tragverhalten wurde danach an maßstabsgerechten Messmodellen überprüft. Isler überwachte anschließend auch die Bauausführung, beobachtete und dokumentierte jahrelang Bewegungen und Setzungen und ließ diese Erfahrungen in spätere Entwurfsprozesse einfließen.
Das Buch wurde vom ehemaligen db-Chefredakteur und Architekturfotografen Wilfried Dechau konzipiert, der auch schon die erste Überblicksdarstellung zum Werk des Schalenbaumeisters Ulrich Müther (Bauwelt 35.2002) herausgebracht hat. Er hat Islers im neuen Band genauer vorgestellte Bauwerke 2021 besucht, fotografiert und sehr pointiert beschrieben. Dabei reicht die Bandbreite der Gebäude und Schalentypen von weit schwingenden Theater- und Tribünenüberdachungen über Skulpturen im öffentlichen Raum und Gartencenter in Form einer Schalenkalotte mit „Hutkrempe“ bis zur Steinkirche in Cazis in Graubünden, die aus drei mittlerweile reizvoll patinierten, wie riesige Kieselsteine wirkenden Baukörpern besteht, die aufgrund der linsenförmig eingeschnittenen Glasflächen an „Carved Potatoes“ erinnern: eine ungewöhnliche, vom Architekten Werner Schmidt entworfene Form, die erst von Isler baubar gemacht wurde.
Dechau führt mit mehreren Texten in Islers Werk ein. Dabei beschreibt er auch seine frühere Begegnung mit dem charismatischen Bauinge-nieur, gibt Einblicke in dessen Werkstatt und zeigt einige der konstruktiven Testbauten im Garten. Weitere Beiträge von Rainer Schützeichel über die Auftragsgebiete von Islers Büro sowie von Matthias Beckh zum Entwerfen und Konstruieren mithilfe von Experimenten, Hänge- und Messmodellen runden das Buch ab. Dadurch bietet der handliche, attraktiv bebilderte Band viele neue Informationen. Er ist aber auch als erster Einstieg ins Thema bestens geeignet.
Fakten
Autor / Herausgeber Wüstenrot-Stiftung (Hrsg.)
Verlag Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg 2022
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