Image Cities
Anastasia Samoylova ist eine Künstlerin, die in früheren Serien dahin gegangen ist, wo der Traum am buntesten schillert, nämlich in den Sunshine State Florida.
Text: Peschke, Marc, Wiesbaden
Image Cities
Anastasia Samoylova ist eine Künstlerin, die in früheren Serien dahin gegangen ist, wo der Traum am buntesten schillert, nämlich in den Sunshine State Florida.
Text: Peschke, Marc, Wiesbaden
Die Brüchigkeit des Urbanen ist ein Thema, das Fotokünstler immer wieder in einen kreativen Unruhezustand versetzt. Die Unvollkommenheit, die Unerreichbarkeit des Mythos Stadt, der Zerfall lokaler Traditionen in einer globalen Konsumwelt sind ein schier unerschöpflicher Fundus – die Wendung vom Traum- ins Alptraumhafte.
Anastasia Samoylova ist eine Künstlerin, die in früheren Serien dahin gegangen ist, wo der Traum am buntesten schillert, nämlich in den Sunshine State Florida. Dort sind Bilder entstanden, die Florida als tropisch-dystopischen Ort zeigen: flirrende Fotografien von Schönheit und Schrecken. Ihr neues, jetzt erschienenes Buch „Image Cities” setzt diese verstörende Reise fort. Samoylova zeigt uns 17 Städte in aller Welt, Metropolen in einem Transformationsprozess, der hinter Fassaden und Werbetafeln stattfindet, die eine blühende Zukunft versprechen.
Die Bilder der russischen, in Miami lebenden Fotografin sind ein Veto gegen diese Versprechen des globalen Konsums. Immer wieder rückt sie gigantische Werbetafeln in den Fokus, Schaufenster, hinterleuchtete City Lights und mit riesigen Plakaten verhängte Fassaden, in deren Schatten sich Passanten bewegen, um sich in den Schaufenstern zu spiegeln. Die Farben der Bilder sind verführerisch, doch ist die Stadt unserer Tage kein Glücksversprechen mehr; weniger ein Ort zum Leben als eine Bühne des Verkaufens. Aus der ehemals bejubelten Geschwindigkeit der modernen Großstadt, aus ihrer produktiven, anarchischen Hektik, aus der schockhaften Gleichzeitigkeit des Ungleichen, ist eine immer gleiche, wenngleich strahlende Gleichförmigkeit geworden. Wir sehen luxuriöse Immobilien, doch ihre vermeintliche Eleganz ist künstlich und hohl. Diese Bilder, sie fahnden nach Widersprüchen, nach Täuschungen, nach Fakes, zeigen Menschen als Randfiguren, als Statisten in diesem Drama aus Architektur und Konsum.
Und wir sehen: Städte werden immer mehr zu Collagen. Die überbordende Präsenz von Reklametafeln, von Werbung für Luxusmarken und Luxuswohnungen ist uns kaum mehr bewusst – doch diese Fotografien zeigen, wie es ist: Tokio, Moskau, New York, Madrid oder London – was unterscheidet diese Städte überhaupt noch? Sie sind „Image Cities“ geworden, vereint in der immer gleichen Wiederholung öffentlicher Werbebilder, vor denen der Mensch zu verschwinden droht.
Spiegelungen sind in diesem Buch immer wieder zu finden. Das ist nicht neu: In spiegelnde Schaufenster haben viele Fotografinnen und Fotografen geschaut. Man denke etwa an Atget, Lisette Model oder Moï Ver – um nur drei Namen zu nennen. Walter Benjamin schrieb schon 1929: „In tausend Augen, tausend Objektiven spiegelt sich die Stadt.“ Und so sind diese Bilder auch ein Hinweis auf eine Vergangenheit der Fotografie, in der die Stadt noch Hoffnung machen konnte.
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